Tichys Einblick
Die Ampel-Transformation hat längst begonnen

Drei Hüte und ein Halleluja

Irgendwo in den 177 Seiten des neuen „Koalitionsvertrags” steht, dass man die Amtszeit des Kanzlers auf zwei Legislaturperioden begrenzen will. Rede ist zur Zeit davon keine. Dabei wäre es die wohl wichtigste Reform überhaupt.

Nein, niemand gönnt der neuen Bundesregierung hundert Tage Rabatt. Dazu war sie schon vor Antritt zu sehr ins heillose Coronachaos verstrickt. Einer Frau ohne Eigenschaften ist ein Mann ohne Eigenschaften gefolgt. Wer mit einem Weiterso rechnet, darf hoffen, beziehungsweise fürchten. Wer mit der großen Transformation rechnet, darf auch hoffen, beziehungsweise fürchten. Wie das? Ganz einfach: Die große Transformation hat längst begonnen.

I.

Um es noch einmal in einem einzigen, allerletzten Absatz zusammen zu fassen: SIE hat die Partei, der sie angeblich nahestand, ruiniert, die EU gespalten und die Republik, die wir zu kennen glaubten, zerstört. Das ist selbst für 16 lange Jahre nicht gerade wenig. Sie aber hat es geschafft. Sie war nicht Krisenkanzlerin, sondern leibhaftige Krise. Sie war, so undurchschaubar wie unbelehrbar, eine bizarre Mischung aus Sozialismus und Protestantismus. Von beidem vereinte sie das Schlimmste, Bürgerverachtung vom einen, Moralismus vom anderen. Das Volk liebt sie dafür noch immer. Es gibt wahrlich gute Gründe, es zu verachten.

II.

Vom makellosen Abgang, den ihr nun so viele attestieren, kann keine Rede sein. Makellos wäre gewesen, rechtzeitig vor den Wahlen einem Nachfolger aus den eigenen Reihen Platz zu machen. Sie hat bis zum letzten Tag demonstrativ bekundet, dass ihr der Nachfolger mit mehr Glück als Verstand lieber ist als der unglückliche Laschet. Denn sie allein war des einen Glück und des anderen Pech. Die CDU hat das Ende nicht kommen sehen, weil sie den nachhaltig angerichteten Schaden für einen Segen hält, und glaubt, das Land sei in „gutem Zustand“ (Merz) übergeben worden. Wie soll man von dieser beschränkten Gesellschaft ohne Bodenhaftung Oppositionskraft und ernsthafte Alternativen erwarten?

III.

Die „Neuen“ also. Nach österreichischen Maßstäben müsste der Herr Kanzler angesichts des gravierenden Cum-Ex-Skandals in Hamburg gleich wieder sein Amt niederlegen. Immerhin: Herr Özdemir hat von Ackerbau und Viehzucht so viel Ahnung wie Frau Baerbock vom Völkerrecht. Auch haben wir endlich einen Experten im Gesundheitsressort. Selbst CDU-Granden heißen Herrn Lauterbach wärmstens willkommen. Allerdings hat sich die Hoffnung bereits erledigt, er werde schon aus Selbstschutz seine bisherige Haupttätigkeit im öffentlich-rechtlichen Talkshowwesen einschränken. Er hat schließlich den Ruf als Apokalyptiker zu verteidigen. Dazu reicht ein Hut nicht, er trägt drei übereinander (den Ministerhut, den Epidemiologenhut und den Ich-Lauterbach-Hut) und wirft sie abwechselnd in die Luft. Herr Lindner hat seine liberale FFP3-Maske unvorschriftsmäßig gelockert. Aber was ist sein wahres Gesicht? Das hinter der Maske? Trotzdem alles Gute. Wir haben nur diesen „Liberalen“. Herr Habeck ist sein natürlicher Feind. Ein Mann, der gerade in der ARD höchst anschaulich Politik als Beruf höchst anschaulich beschrieben hat: als persönliche Verwahrlosung. Müsli mit Wasser – ja, besser ließe sich das Regierungsprogramm nicht beschreiben.

IV.

Jemand muss den Zug ja entgleisen lassen. Nach Lage der Dinge kann das nur die FDP sein, wenn sie bei ihren Wählern den wenigen Kredit nicht verspielen will, der noch übrig ist. Die früheren SPD-Kanzler Schmidt und Schröder sind allerdings an den Linken im eigenen Lager gescheitert. Dafür spricht einiges. Nur sollte die Windfahnenhaftigkeit des Herrn Scholz so wenig unterschätzt werden wie die Karrieregier von Herrn Kühnert und Konsorten. Alle drei Parteien werden alles tun, um wenigstens vier Jahre zu überstehen. Dann greift die Pensionsregel für Bundesminister a. D. Wer wird schon so blöd sein, 4.600 Euro pro Monat einfach ein paar Grundsätzen zu opfern.

V.

Irgendwo in den 177 Seiten des neuen „Koalitionsvertrags” steht, dass man die Amtszeit des Kanzlers auf zwei Legislaturperioden begrenzen will. In der gegenwärtigen Debatte ist davon leider überhaupt keine Rede mehr. Der Scholzomat wirft stattdessen schon jetzt pausenlos die Parole aus, unbedingt wiedergewählt werden zu wollen. Es ist der gegebene Anlass, mit Nachdruck an das Vorhaben zu erinnern. Es wäre die wahrscheinlich wichtigste Reform überhaupt.

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