Als im Laufe des Jahres 2019 die globale „Klimakrise“ ausgerufen wurde und für die kommenden Jahrzehnte drastische Einschnitte in Grundlagen unseres Zivilisationsniveaus beschlossen wurden, glaubten viele, dass damit der Höhepunkt der Krisenpolitik erreicht sei. Aber dann kam die „Corona-Krise“, die vorführte, wie die Zivilisations-Einschnitte auch als sofortige Stilllegung des Landes umgesetzt werden können. Und auch das war noch nicht die letzte Drehung der Krisenspirale. Denn nun sehen wir uns auf einmal in einer „Rassismus-Krise“, mit der der geltende gesellschaftliche Frieden zur Lüge erklärt wird und der Sozialhass auf alles Bürgerliche ermutigt wird. So ist die Summe der Zerstörungswerke, mit der wir in diesem Sommer 2020 konfrontiert sind, erschreckend. Zuerst wurden Grundlagen unsere Zivilisation in Frage gestellt. Dann wurde eine weitgehende Stilllegung des wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens veranlasst. Und dann wurde eine Grundfeindschaft gegen die gesellschaftlichen Schichten, die bisher für die Errungenschaften der Neuzeit standen, installiert. Das ist eine verheerende Bilanz. Positionen, die für freiheitliche-demokratische Länder bisher grundlegend waren, erscheinen auf einmal hinfällig, ja sogar moralisch verwerflich.
Welche Macht konnte eine solche Fundamental-Krise ausrufen? Wie konnte sich eine Macht bilden, die zu einem solchen historischen Einschnitt in der Lage war? Man ist zunächst geneigt, hier eine besonders „absolute“ Macht zu suchen. Eine Macht, die von nichts gehemmt ist und auf nichts Rücksicht nehmen muss. Eine Macht, die sich weitgehend im Verborgenen formiert hat und von dort aus handelt. So denkt man an Despoten und Verschwörungen – und sucht sie bei den Mächtigsten und Reichsten. Doch solche Vorstellungen sind zu simpel. Sie unterschätzen die Kräfte, die nötig sind, um ein Land und eine Gesellschaft so gleichzuschalten und lahmzulegen. Wer in modernen Zeiten von einer absoluten Macht ausgeht, die so über dem Land und dem Volk thront, der muss Land und Leute zu einer dumpfen, willenlosen Masse erklären, die nur Opfer ist. Doch so eintönig schwarz ist die Realität nicht. Ein solches Denken steht sich auch selbst im Wege, wenn es darum geht, einen Weg aus der Krisenspirale zu finden. Denn es kann gar keine inneren Widersprüche und Bruchstellen finden.
Diese Widersprüche und Schwachstellen gibt es tatsächlich. Die Krisenpolitik kann nicht einfach brutal zerstören, sondern es gibt alle möglichen äußeren Bedingungen, die sie vielleicht ignorieren kann, aber die dann doch auf sie durchschlagen. So verheerend ihre Bilanz auch ausfällt, so ist sie letztlich doch auf die Zustimmung und Aktivität der Bürger angewiesen. Diese Zustimmung, die oft so stabil aussieht, kann sehr leicht kippen. Die Aktivität der Bürger kann erlahmen und zum passiven Widerstand werden. So beruht die Krisenpolitik bei aller Einseitigkeit des Regierens doch auf einer Gegenseitigkeit: Die Macht muss den Eindruck erwecken, dass alles „auf einem guten Weg ist“, und dass sie letztlich einem allgemeineren Handeln dient. Auch wenn immer wieder neue Krisen ausgerufen werden, um die Stunde der Bilanz zu verzögern – diese Stunde ist nicht aus der Welt zu schaffen.
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Gleichungen der Macht – Die Macht, die der herrschenden Krisenpolitik innewohnt, ist keine absolute Macht. Sie ist Gleichungen unterworfen, die sie erfüllen muss. Und sie kann sich die Gleichungen nicht selber aussuchen. Sie sind mächtiger als jede „große Transformation“.
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Das Tabu der Konfrontation – Am Anfang aller neueren Krisenpolitik stand nicht ein großer Feldzug mit einem gewaltigen Wir-schaffen-das-Heer, sondern im Gegenteil ein Tabu. Man kann es als das Tabu der direkten Konfrontation bezeichnen. Die Regierenden scheuten direkte Auseinandersetzungen mit Gewalt und Zerstörung. Sie scheuten vor allem „böse Bilder“ und versuchten, diese um jeden Preis zu vermeiden. Im gleichen Atemzug wurde die Krise ins Grundsätzliche und Globale verlagert. So geschah es in der „Migrationskrise“: Man wollte den konkreten Grenzschutz mit harter Abweisung willkürlicher Grenzübertritte von Migranten nicht vollziehen, und vergrößerte die Migrationsprobleme, indem man eine große, definitive Lösung in Aussicht stellt – die „Ursachen“ der Migration sollten beseitigt werden, durch „Integration“ in die eigene Gesellschaft oder durch Ursachen“bekämpfung“ in Afrika. Auch beim Klima ging es zunächst um begrenzte Phänomene und Ereignisse, die keineswegs so groß waren, dass man eine terminale „Klimakrise“ ausrufen musste. Aber angesichts der Opfer von Dürreperioden, Bränden, Unwettern, Überschwemmungen führte das Tabu der Härte dazu, dass man – statt sich vor Ort gegen härtere Wetterbedingungen wehrhaft zu machen – ein globales, prinzipielles, und indirektes Jahrhundertprogramm der „Klimarettung“ startete. Es folgte die Corona-Epidemie, in der die Vermeidung böser Bilder eine ganz wesentliche Rolle spielte. Das gilt für Bilder von Toten, aber auch für Bilder von örtlichen Konfrontationen wegen drastischer Quarantäne-Maßnahmen. Stattdessen griff man lieber zu großräumigen Stilllegungen, die das Geschehen indirekt (mit weniger direkten Konfrontationen) bremsen sollten – und dadurch ungleich weiträumigere und dauerhaftere Schäden im gesamten wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben verursachten. Und nun die Rassismus-Krise: Sie steht in keinem Verhältnis zu dem Tod eines Afroamerikaners durch Polizeigewalt. Die abstrakte „Aufwertung“ oder „Abwertung“ schwarzer oder weißer Amerikaner geht an den realen Problemen der sozialen Brennpunkte völlig vorbei.
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Eine Macht, die eher opportunistisch ist als despotisch – So ist der Stoff, aus dem die heutige Krisenpolitik gemacht ist, kein gewaltsames Diktat, sondern ein Ausweichen. Die Macht, die hier am Werk ist, ist eher opportunistisch als despotisch. Unter ihren Händen, die jede harte, direkte Konfrontation zu vermeiden suchen, werden die Krisen immer größer und diffuser.
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Die Suche nach „großen Erzählungen“ – Dies Ausweichen verleiht der Krisenpolitik einen milderen und zugleich weltumfassenden Schein. Die Macht beansprucht, für „den Menschen“ und „die Natur“ schlechthin zu handeln. Allerdings haben solche großen Erzählungen, wie sie jetzt bei den verschiedenen Krisen bemüht werden, etwas sehr Ideologisches und Bevormundendes. In der Rassismus-Krise ist man jetzt bei einer ganzen Geschichts-Säuberung angekommen, mit Denkmals-Schändung und Löschung von Straßennamen.
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Fiktive Gleichungen – In der Suche nach den „großen Erzählungen“, die dem Volk eine bestimmte Deutung der Ereignisse nahelegen sollen und die Krisenpolitik in ein günstiges, mildes Licht tauchen sollen, wird deutlich, dass diese Politik nicht einfach selbstbezogen ihre Entscheidungen verkünden und durchsetzen kann, sondern sich an das Gegenüber einer öffentlichen Meinung wenden muss. Sie muss sich in eine Sphäre begeben, in der sie nicht Alleinherrscher ist, sondern der vergleichenden Konkurrenz der Meinungen unterliegt. Aber zugleich zeigt sich hier auch eine Möglichkeit, diese Gleichungen der Macht zu verfälschen. Wenn nämlich die die großen Erzählungen reine Fiktion sind, können sie dazu führen, dass die Realgeschichte verdrängt wird und ihre Maßstäbe verkürzt werden. Dann wird die vergleichende Konkurrenz zur Farce. Sach-Argumente und Sach-Gründe werden entwertet.
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Grenzen der Fiktion – Und doch ist das nicht das letzte Wort: Soll man wirklich glauben, dass die Verkürzung der neuzeitlichen Geschichte auf „Rassismus“ und „Erdverbrennung“ auf die Dauer Bestand haben kann? Wird sich der Geist der Aufklärung so einsperren lassen? Es ist nur eine Frage der Zeit, dass sich die viel reichere Realgeschichte gegenüber den fiktiven großen Erzählungen wieder durchsetzt.
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Die Rolle des fiktiven Geldes – Es gibt aber noch eine andere Gleichung, in der sich die Krisenpolitik bewegt. Es geht ums Geld. Die große Corona-Stilllegung des Landes seit Mitte März hätte kaum ein paar Tage gehalten, wenn nicht zugleich eine immense Summe Geld vom Staat ausgeteilt worden wäre, um die Ausfälle bei der Wertschöpfung auszugleichen. Nur unter dieser Bedingung war eine (vorläufige) Zustimmung zum Corona-Lock-down zu erreichen. Sie ist also nur eine bedingte Zustimmung. Gerade an diesem Punkt wird klar, wie sehr die heutige Krisenpolitik „erkauft“ werden muss. Sie beruht keineswegs auf einem übermächtigen Machtkomplex. Das vielfältige Zusammenspiel von allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden, Experten, die die Regierungspolitik unterstützen, wird sehr schnell auseinanderbrechen, wenn diese Politik immenser Geldzuwendungen ein Ende findet oder nicht zu einer Wiederherstellung des Wirtschaftslebens führt.
Etwas Ähnliches ließe sich von der Politik der „Klima-Rettung“ sagen. Sie würde sofort als eine verheerende Politik dastehen, die die Produktivität der Realwirtschaft ganz wesentlich herabsetzt. Doch wird diese nüchterne Wahrheit nackter Tatsachen dadurch überspielt, dass immer höheren Summen fiktiven Geldes (und fiktiver Kaufkraft) in Umlauf gebracht werden. Diese Summen müssen die Kaufkraft ersetzen, die durch die Wertscböpfung in den Betrieben erzeugt wird. Die Vorstellung, dass damit eine ganz neue Zukunft eröffnet, wird „New Green Deal“ genannt. Damit wird unterstellt, dass irgendwo eine betriebliche Produktivität wartet, die durch das vorgeschossene fiktive Geld nur wachgeküsst werden muss. Allerdings kann diese Erwartung durch keinerlei betriebliche Realität, die schon ohne das fiktive Geld auskommen würde, belegt. Der „Green Deal“ ist also eine Mischung aus fiktivem „großen Geld“ und fiktiver „großer Erzählung.“
Und nun reißt der immense Geldbedarf, der durch die Corona-Stilllegung entstanden ist (und immer noch weiter zunimmt), eine zweite Riesenlücke auf. Es ist sehr zweifelhaft, ob die Krisenpolitik über diesen Abgrund hinwegkommen kann. Die Geldpolitik ist ein Stadium eingetreten, in dem sie Geld ohne Rücksicht auf die Bonität eines Staates und einer Volkswirtschaft zu schöpfen versucht. Wird „Europa“ einen Bonitätsersatz bieten und über diesen Abgrund helfen? Neue realwirtschaftliche Erträge sind auch „europäisch“ nicht in Sicht. Und die Stunde der Bilanz wird kommen. Die Gleichungen, denen die Macht unterworfen ist, sind unerbittlicher als die Macht selber.
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Fazit – Der gegenwärtige Krisenkomplex und die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, die er den Regierenden in Staat und Gesellschaft eröffnet, führt dazu, ihre Macht zu überschätzen. Umso wichtiger ist das Wissen, dass es auch in unserer Zeit keine absoluten Mächte gibt. Sie sind nach wie vor auf Bonität und Verhältnismäßigkeit angewiesen. Die Fiktionen werden nicht halten, weil auch die größte Macht Gleichungen unterworfen ist, die sie nicht bestimmen kann.