Nach dem der Bundestag am 18. März mit einer Zweidrittel-Mehrheit eine Grundgesetz-Änderung beschlossen hatte, die Verbindlichkeit der Schuldenbremse aufzuheben und damit die Bedingung für Kreditermächtigungen außerhalb der regulären Haushaltsführung zu schaffen, erschien auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Leitartikel, in dem man folgenden Satz lesen konnte:
„Deutschland mobilisiert nun endlich all seine Kräfte und Möglichkeiten, um den schon lange bekannten, zuletzt aber rapide gewachsenen Gefahren für seine Sicherheit und seinen Wohlstand die Stirn zu bieten.“
Die Lyrik des „die Stirn bieten“ über Charakter und Wirkung eines zusätzlichen Schuldenpakets von mindestens 1000 Milliarden Euro hinweg. Die Schulden mobilisieren keineswegs die eigenen Kräfte dieses Landes. Vielmehr werden diese eigenen Kräfte ersetzt durch das Geld auf Pump. Denn das frische Geld, das nun zum Start der neuen Regierung und zu Beginn der parlamentarischen Legislaturperiode so schnell und leicht zur Verfügung steht, erspart die Setzung von Prioritäten und die damit verbundenen Einschnitte, die in Deutschland notwendig sind. Es ist ja offensichtlich, dass im Laufe der vergangenen Jahre die Spielräume und Möglichkeiten Deutschlands nicht größer geworden sind. Ziele und Ansprüche, die unter günstigeren Bedingungen entstanden sind, müssten jetzt eigentlich kritisch überprüft zu werden. Doch die Wende in eine expansive Schuldenpolitik ersetzt diese bittere, aber notwendige Revision. Sie ermöglich zunächst ein Weiter-So. Die Rechnung kommt später und wird um ein Vielfaches höher. Am Ende stellt sich heraus, dass man sich mit der Schulden-Wende nur Zeit gekauft hat – und nicht neue, reale Möglichkeiten eröffnet hat. Das in der FAZ gezeichnete Bild eines Landes, dass mit dem Sprung in eine ganz neue Dimension der Verschuldung „nun endlich all seine Kräfte und Möglichkeiten mobilisiert“, ist abenteuerlich falsch und irreführend.
♦♦♦
Die Unentschiedenheit des Koalitionsvertrages – Noch ist der ausgehandelte Koalitionsvertrag nicht unterschrieben, aber schon jetzt muss man feststellen, dass in ihm zu viel und zugleich zu wenig festgelegt ist. Er ist einerseits unnötig detailliert, und die Erfahrung der vergangenen Legislaturperiode ist ja, dass ein ausführlicher Koalitionsvertrag in großen Teilen von der Entwicklung der Realitäten beiseitegeschoben wurde. Andererseits fehlt dem jetzigen Koalitionsvertrag aber auch etwas ganz Entscheidendes. Es ist zwar von einem „Neustart“ die Rede, aber es gibt keine eindeutige Festlegung, welche Grundrichtung für die Entwicklung dieses Landes nun eingeschlagen werden soll. Er enthält zwei Richtungen: Es ist von strukturellen Änderungen die Rede, die einen stärkeren, effizienteren Staat bewirken sollen. Aber zugleich gibt es viele Festlegungen, die eine Fortsetzung des „verteilenden Staates“ bedeuten. Eine solche Regierung sucht ihre Legitimation in Gaben und fürsorglichen Zuwendungen für die Bürger, und das steht in einem Grundkonflikt mit den Aufgaben eines starken Staates, der sich auf eigene Bestände gründet und in ihrem Nahmen auch seine Grenzen beachten und wahren muss.
Dass die neue Regierung sich vor dem Hintergrund einer Geldschwemme auf Pump – durch eine Schwächung der Schuldenbremse per Verfassungsänderung – gebildet hat, war ein Schritt in Richtung „Verteilerstaat“. Und das extensive Suchverfahren der Koalitionsverhandlungen war ein weiterer Schritt: In 16 Arbeitsgruppen mit jeweils 16 Mitgliedern sollte ein „Fahrplan“ für die Zukunft des Landes entworfen werden. Dazu eine Fünfer-Gruppe zur Frage, wie man in der Koalition zusammenarbeiten will. Eine klare Entscheidung über die Richtung, in die die Reise gehen soll – und über Richtungen, die man ausschließt – war so nicht möglich. Wie sollte das auch zwischen 256 + 5 Männern und Frauen, die sich nach „Themen“ aufgeteilt haben, gelingen? Der Titel „politische Mitte“ bietet jedenfalls keine Garantie dafür, dass man fähig ist, sich von der liebgewordenen Verteilungspolitik immer neuer Zugewinne zu verabschieden. Niemand scheint fähig zu sein, offen auszusprechen, dass sich in Deutschland die Spielräume in Wirtschaft und Staat drastisch verringert haben. Und dass sie sich weiter verringern werden. Nur durch diese Klarheit aber wird man in der kommenden Legislaturperiode die Notwendigkeit von harten Begrenzungen und Einschnitten begründen können. Nur so wird man der Verführung durch scheinbar leichte Auswege entgegentreten können. Dass dieser Ernst der Lage nicht jetzt, zu Beginn der Legislaturperiode, sorgfältig dargestellt und der Öffentlichkeit erklärt wurde, ist ein schwerer Fehler, der als Hypothek auf Regierung und Parlament lasten wird.
♦♦♦
Politik ohne Staat – Doch hier zeigt sich noch eine fundamentalere Leerstelle: Es fehlt der Politik die staatspolitische Dimension. Sie ist nicht auf die materiellen und geistigen Bestände des Staates ausgerichtet. Wir leben in Schicksalsjahren dieses Landes, und dies Land gibt es ohne ein stabiles Staatswesen gar nicht. Wer Politik nur als „Dienst am Kunden“ versteht, kann die substanziellen Bestände des Staates gar nicht als eigenständigen Gegenstand der Politik begreifen. Und damit werden dann auch die Grenzen der Politik nicht begriffen, die sich ja aus dem Wert dieser Bestände ergeben. Der Staat ist kein Warenkorb voller Gaben, sondern ein Gebäude, dessen dauerhafte Statik und Tragfähigkeit für alle Bürger unverzichtbar ist, und die das Kriterium für jede politische Verantwortung ist. Die jetzige Handlungskrise der Politik ist im Kern eine Staatskrise der Politik.
♦♦♦
Politik am Zahlungsstrom – In früheren Zeiten gehörte es zur politischen Vernunft in Deutschland, vor der verführerischen Leichtigkeit und lähmenden Wirkung des Schulden-Auswegs zu warnen. Es war diese begrenzende Vernunft, die in Finanzkrisen neue Schulden an erbrachte Reformen knüpfte. So wurden hierzulande früher Sparmaßnahmen und härtere Bedingungen für die Gewährung staatlicher Leistungen begründet. Und so trat Deutschland auch gegenüber den „Schuldenländern“ in Europa auf. Nun aber will man von dieser Vernunft nichts mehr wissen. Sie scheint irgendwie „überholt“ zu sein. Es scheint keine festen Maßstäbe mehr zu geben, an denen gemessen werden kann, ob eine Schuldenaufnahme verhältnismäßig oder unverhältnismäßig ist. Nun soll alles irgendwie „dynamisiert“ werden. Alles Feste wird aufgelöst, der neue Leitbegriff ist „Mobilisierung“. Das bedeutet eine grundlegende Änderung der Sphäre des Politischen: Sie positioniert sich jetzt nicht auf festem Grund, sondern an einem Zahlungsstrom. Von seinem Geld-Zufluss ist alle Politik nun abhängig. Es ist eine absolute, fundamentale Abhängigkeit. Die Politik lebt von der Hand in den Mund. Alles muss „auf Sicht gesteuert“ werden. Sie wird zum Spielball der Ereignisse. Und sie muss die Bedrohlichkeit der Ereignisse ständig steigern und zugleich immer neue „Projekte“ als Vorzeichen einer besseren Welt ausrufen – damit das Geld weiter fließt. So wird die Politik am Zahlungsstrom immer mehr zur Politik der „großen Erzählungen“, der sogenannten „Narrative“. Und da diese Politik allen festen Grund und alle Haltepunkte verloren hat, wohnt diesem Treiben eine Logik der Steigerung inne. Es bedarf immer größerer Reizmittel, um zu verhindern, dass der Zahlungsstrom versiegt. Die Politiker sind mehr denn je „Getriebene“. Nichts anderes ist jetzt beim designierten deutschen Bundeskanzler zu beobachten, der – um seine Regierung überhaupt bilden zu können – sein Heil in der Losung „Whatever it takes“ sucht.
♦♦♦
Offene Schuldengrenzen sind wie offene Staatsgrenzen – Es ist in diesen Tagen oft vom „Betrug“ die Rede, und das durchaus mit Recht. Die CDU/CSU hat vor den Wahlen den Eindruck erweckt, sie würde die Schuldenbremse verteidigen. Sie hat also den Eindruck erweckt, sie würde ernsthafte Reformschritte unternehmen, um die Verschuldung des Staates zu begrenzen. Doch dann, nach den Wahlen, wurde auf einmal der Weg in eine beispiellose Neuverschuldung, die eine Grundgesetzänderung erforderte, eingeschlagen. Da ist es sicher gerechtfertigt, von einem „Wahlbetrug“ zu reden. Doch gibt es, in Meinungsumfragen nach den Schuldenbeschlüssen, einen bemerkenswerten Zwiespalt: Eine Mehrheit der befragten Bürger verurteilt die Wählertäuschung, aber zugleich gibt es eine Mehrheit, die die zusätzliche Schuldenaufnahme befürwortet. Man verurteilt das Vorgehen, aber man befürwortet das Ergebnis. In der Sache gibt es also keine wirklich klare Verurteilung der Schuldenerhöhung. Hier kann man die Macht sehen, die der unmittelbare Eindruck, dass an vielen Stellen Geld fehlt und dass sich „frisches Geld“ besorgen lässt, ausübt. Das Bild von einem „empörten Volk“, das „selbstherrlichen Machthabern“ gegenübersteht, ist daher ein Trugbild.
Es gibt offenbar eine allgemeinere Schwäche dieser Zeit, die blind ist für die Bedeutung solider Staatsfinanzen. Anders gesagt: Es wird unter „soliden Staatsfinanzen“ etwas verstanden, dass gar nicht von den eigenen Kräften eines Landes und dem damit aufgebauten Vermögen zu tun hat. Deshalb konnte das trügerische Wort „Sondervermögen“ so erstaunlich problemlos in Umlauf gesetzt werden. Tatsächlich handelt es sich ja um ein rein fiktives „Vermögen“ auf Basis einer drastischen Erhöhung der Staatsverschuldung. Es ist völlig offen, aus welchen Erträgen dieser Schuldensprung je zurückgezahlt werden kann. Das „Steuern auf Sicht“, bei dem es nur um das richtige Kredit-Management geht, gibt darauf keine Antwort. Denn bei einem solchen Management bleiben die Fundamentaldaten des Landes ganz unberührt. Die Kreditwürdigkeit eines Landes wird ja nicht dadurch erhöht, dass man geschickt Mittel aus dem globalen Geldstrom abzuzweigen weiß.
♦♦♦
Schuldenpolitik ohne klaren Gegenstand – Das Problem ist nicht allein die Größe der Geldbeträge, die nun als Kredite aufgenommen werden sollen. Diese Größe ist schon gefährlich genug, aber noch gefährlicher ist, dass die Gegenstrände und Zwecke der Neuverschuldung gar nicht präzise definiert und damit begrenzt sind. Was will man für den Haufen Geld, aus dem die „Sondervermögen“ erstmal bestehen, kaufen? Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass die beiden Großbereiche „Infrastruktur“ und „Rüstungsausgaben“ sehr dehnbare Felder sind. Es gibt gar kein Leistungskriterium, das ein Sanierungsziel bei den Infrastrukturen fassbar und überprüfbar machen könnte. Und noch weniger gibt es einen solchen Zielzustand bei den Rüstungsausgaben (ohne Obergrenze beim Sondervermögen). Bis zu welchem „Sieg“ soll die Aufrüstung reichen?
♦♦♦
Die vernachlässigte Leistung von Infrastrukturen – In Berlin ist gerade eine „plötzliche Krise“ an einem neuralgischen Punkt der Stadtautobahnen („Funkturm-Dreieck“) ausgebrochen. Eine Brücke war auf einmal akut einsturzgefährdet. Und sofort zeigte sich, wie wichtig die so unauffällig und scheinbar selbstverständlich daliegende Infrastruktur ist: Der Westen der Stadt wird nun vom Ausweichverkehr überschwemmt und dieser Zustand wird wohl, mindestens, zwei Jahre andauern. In so einem Moment wird deutlich, welch immense Leistung der Verkehrsbewältigung eine Stadtautobahn täglich erbringt – und wie leicht sie übersehen wird. Das liegt an einer Eigenschaft, die Autobahnen mit anderen Straßen, Bahnstrecken, Kanälen, Kanalisationen, Stromleitungen, Pipelines und anderen materiellen Infrastrukturen teilen: Sie sind nicht direkt „menschenfreundlich“ oder „naturfreundlich“, sie eignen sich nicht unmittelbar zur Erholung oder zum Verzehr, sie sind oft unansehnlich oder liegen einfach unsichtbar unter der Erde. Aber ohne sie wäre Arbeit und Leben nicht möglich. Sie sind eine „Bedingung der Möglichkeit“. Ihre Bedeutung wird erst deutlich, wenn sie plötzlich nicht mehr funktionieren. Und da liegt das Problem des „Sondervermögens Infrastruktur“. Man kann ja mit Fug und Recht fragen, warum angesichts des voraussehbaren Verfalls der wichtigsten Berliner Autobahnbrücke nicht viel früher Sanierungen begonnen wurden oder zumindest Ausweichpläne und Ersatzstrukturen erarbeitet wurden. Das liegt offenbar daran, dass diesen Dingen nicht die notwendige Priorität eingeräumt wurden. Stattdessen wurden Unsummen an Geld und Arbeitstagen für Dinge ausgegeben, mit denen die Politik „Bürgerfreundlichkeit“ demonstrieren konnte. Stadtautobahnen, Schienentrassen oder Kanalisationen sind nicht so sexy wie „verkehrsberuhigte“ Zonen, Fahrradwege, Grünflächen und tägliche „Events“ aller Art. In früheren Zeiten, besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen die Infrastrukturen viel stärker im Vordergrund der Politik. Der Staat war Infrastrukturstaat, und Ingenieure hat in den Stadtverwaltungen eine Schlüsselrolle. Das hat sich fundamental geändert. Doch jetzt bekommen wir die Folgen dieser Geringschätzung der Infrastrukturen zu spüren.
♦♦♦
Die notwendige Konzentration auf die tragenden Infrastrukturen – Ohne eine Korrektur dieser langen Fehlentwicklung wird es keine nachhaltige Lösung geben. Das bedeutet aber, dass den Infrastrukturen der notwendige Platz im regulären Haushalt von Bund, Ländern und Gemeinden eingeräumt werden muss. Die Lösung durch „Sondervermögen“ umgeht diese Korrektur. Und mehr noch: Wir erleben, wie auf einmal alle möglichen Bildungs-, Sozial-, Grün- und Kultur-Anliegen auf das Geld aus dem Sondervermögen „Infrastruktur“ schielen. Das bedeutet, dass innerhalb dessen, was heute einem sehr weiten und vagen Begriff von Infrastrukturen zugeordnet wird, eine Konzentration auf die materiellen Infrastrukturen erfolgen muss. Nur so gibt es klare Leistungskriterien. Nur hier sind Tragleistungen messbar und die Verhältnismäßigkeit von Bauprojekten bestimmbar. Wenn hingegen in die Rehabilitierung der Infrastrukturen die Aufgabe der „Klimaneutralität“ hineingeschrieben wird (wie jetzt geschehen), wird ein externes Kriterium in die Investitionen eingefügt, das die Kosten erhöht, ohne die Tragfähigkeit zu erhöhen. Die „große Transformation“ ist ruinös für das Leistungsniveau vieler moderner Infrastrukturen. So wird die Rehabilitierung der Infrastrukturen zur Schein-Rehabilitierung.
♦♦♦
Gilt das Schulden-Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch? – Es ist erstaunlich, dass die Verfassungsänderung bei der Schuldenbremse erfolgte, ohne dass noch einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 15.11.2023 zum Nachtragshaushalt der Ampel-Bundesregierung herangezogen wurde. Das Urteil hatte den Nachtragshaushalt für verfassungswidrig erklärt, weil dorthin 50 Mrd. Euro nicht beanspruchter Sonderkredite (Corona) übertragen worden waren. Das Urteil hatte nicht nur die Übertragung zurückgewiesen, sondern auch die Anforderungen klargestellt, die für die Legalität von Sonderkrediten gelten. Das BVerfG präzisierte, was eine Ausnahmesituation im verfassungsrechtlichen Sinn ist. In einem Artikel des Wirtschaftsprofessor Lars Feld („Finanzpolitik nach dem Verfassungsurteil“, in der FAZ vom 21.11.2023) heißt es dazu in Anlehnung an den Wortlaut des Urteils: „In einer Ausnahmesituation, im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, darf sich der Bund höher verschulden, als es die zuvor skizierte Normallage erlaubt.“ Demnach lässt sich nicht jede Beeinträchtigung der Wirtschaftsabläufe als außergewöhnliche Notsituation im Sinne des Artikels 115, Absatz 2 interpretieren. Die Folgen von Krisen, die „lange absehbar waren oder gar von der öffentlichen Hand verursacht worden sind“, dürfen nicht mit Notkrediten gemildert oder behoben werden. Der Autor zog (mit Ausrufezeichen) die Schlussfolgerung:
„Die Klimakrise ist somit keine Krise im Sinne des Art.115 Abs.2 Satz 6 GG!“
Bei den Anforderungen der Karlsruher Richter ging es auch um die „fortdauernde Geeignetheit“ der Krisen-Maßnahmen, die mit den Sonderkrediten finanziert werden sollen. Ich zitiere hier aus der Kurzfassung des Urteils:
„Je länger die diagnostizierte Krise anhält und je umfangreicher der Gesetzgeber notlagenbedingte Kredite in Anspruch genommen hat, desto detaillierter hat er die Gründe für das Fortbestehen der Krise und die aus seiner Sicht fortdauernde Geeignetheit der von ihm geplanten Maßnahmen zur Krisenbewältigung aufzuführen. Er muss insbesondere darlegen, ob die von ihm in der Vergangenheit zur Überwindung der Notlage ergriffenen Maßnahmen tragfähig waren und ob er hieraus Schlüsse für die Geeignetheit künftiger Maßnahmen gezogen hat.“
Bei der Klimapolitik und dem Ziel der Klimaneutralität, das jetzt in den Sonderschulden „Infrastruktur“ wieder auftaucht, geht es demnach nicht nur darum, wie groß das Klimaproblem eingeschätzt wird. Selbst wenn man von einer größeren Klimakrise ausgeht, erledigt sich dadurch nicht die Frage, ob die Strategie und die daraus folgenden Maßnahmen, die mit dem zusätzlichen Geld auf Pump finanziert werden sollen, einen zielführenden (oder überhaupt nennenswerten) Effekt haben. Wenn das BVerfG-Urteil das Kriterium der „Geeignetheit“ hervorhebt, betrifft das also die sogenannte „CO2-Strategie“, das Kernstück der deutschen Klimapolitik. Ebenso geht es natürlich auch um die Sonderschulden „Aufrüstung“ und die fortdauernde Geeignetheit angesichts der Entwicklung in der Ukraine und der Veränderungen in der weltpolitischen Konstellation.
♦♦♦
Was dem Land fehlt, ist die Statik des Staates – Deutschland braucht keinen neuen Aufbruch, keine neue Mobilmachung seiner Bürger. Es fehlt an etwas Festem. An Beständen, die der Allgemeinheit der Bürger gehören, die ihnen sicher zugänglich sind, und die dies Land zum festen Halt für sie machen. Es fehlt an einer dauerhaften, tragfähigen Grundlage, die im ständigen Wechsel der Ereignisse aufrechterhalten werden kann. Ist auf sie Verlass, kann Vertrauen entstehen. Denn Vertrauen braucht die Festigkeit einer objektiven Struktur. Da ist die Leerstelle, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Deutschland – und anderen Ländern – immer größer geworden ist. Die Statik unseres Staatswesens muss wiederhergestellt werden.