Wir sind überzeugt, dass Freiheit ohne Sozialismus Privilegienwirtschaft und Ungerechtigkeit, und Sozialismus ohne Freiheit Sklaverei und Brutalität bedeutet.
Michail Alexandrowitsch Bakunin sagte es vor allem seinem Lieblingsfeind Karl Heinrich Marx.
Im Merksatz des Anarchisten Bakunin stecken tiefe Wahrheiten, an die er damals nicht denken konnte: Die politischen Alternativen werden durch Parteien nicht abgebildet. Es gibt die Staatsgläubigen in allen Parteien zuhauf, aber in keiner Partei unbedingte Anhänger der Freiheit in nennenswerter Zahl.
Eine andere Wahrheit dürfte Bakunin hingegen sehr klar gewesen sein: Sozialismus in allen seinen Spielarten wird immer durch Inbesitznahme der vorgefundenen, (noch) nicht sozialistischen staatlichen Gewalt ausgeübt. Sozialismus baut keine neue Ordnung, sondern übernimmt die Kommandostände der alten.
Eines blieb bis heute trotz der tiefgreifenden Änderungen gleich. Nicht nur die Funktionäre der Parteien, sondern auch Journalisten, Wissenschaftler und die Funktionäre der Gewerkschaften von Arbeit und Kapital reden über die Parteien und ihre „Lager“, etwa das „bürgerliche“ , „linke“ oder „rechte“ so, als würden sich diese noch so unterscheiden wie in den Anfängen der Bonner Republik und vor 1933.
Währenddessen hat unter der veröffentlichten Wahrnehmungsoberfläche ein Wandel innerhalb der Parteien und ihrer Anhängerschaften bis hin zur Verwechselbarkeit stattgefunden. Er verbietet es, in und mit den alten Mustern zu verstehen, zu interpretieren und zu argumentieren: Weil diese Muster nur noch als Kürzel und Überschriften existieren, aber längst nicht mehr in den Inhalten zu finden sind.
Die Umstände der Entlassung eines hohen Militärs, der sagte, die Krim würde nie wieder zur Ukraine gehören, warfen ein Schlaglicht auf die untaugliche Betrachtung von Gegenwart und Zukunft in alten Mustern. Die Formel von der völkerrechtswidrigen Okkupation der Krim zu verwenden, ist mit Verlaub unangebracht, wo doch schon seit 1918 jeder wissen kann, dass ‚Völkerrecht‘ nicht nur kein ‚Recht‘ ist, sondern ein Instrument des anfänglich von den USA dominierten ‚Völkerbundes‘ war, aus dem die von mehrheitlich autoritären Regierungen – China allen voran – dominierten United Nations (UN) wurden. So wie der Völkerbund das ‚Selbstbestimmungsrecht der Völker‘ in die Welt setzte, um sich sogleich selbst nicht daran zu halten, tun die UN alles Mögliche, nur mit ‚Recht‘ haben sie nichts zu tun. (Tomas Spahn hat das gründlich abgehandelt in SGO: Ein übernationaler Verein greift nach der Weltherrschaft.) Eine Selbststimmung der Völker hat seit 1918 nie stattgefunden.
Das ist historisch nichts Neues, im Gegenteil alt und insofern durchaus normal. Mir ist es selbstverständlich lieber, die USA bleiben die internationale Führungsmacht und China wird es nicht. In diesem Duell kann Russland sekundieren, mehr nicht. Lieber wäre es mir, wenn Russland den USA sekundiert statt China. (Im Moment allerdings stellen sich Putin und Xi bei Olympia ostentativ hinter und neben einander.)
Der Westen sollte meiner Meinung nach jedenfalls von der Vorstellung geheilt sein, er wäre das Maß der Dinge. Chinas KP sollte der Westen nicht noch weiter als bisher schon gestatten, das neue Maß der Dinge zu werden. Doch daran, dass dies nicht passiert, können vor allem die Bürger der Mitgliedsstaaten der EU am besten in der eigenen Innenpolitik arbeiten: Erstens, weil die EU außenpolitisch ohnedies nichts auf die Waage bringt, und zweitens weil die konkrete Gefahr der innenpolitischen ‚Xinisierung‘ überall in Westeuropa droht. Wie die Schleifung von Grundrechten in der Uniform des Corona-Regimentes erschreckend zeigt: Bakunins Warnung vor Sklaverei und Brutalität ist hoch aktuell.