Tichys Einblick
Neues aus Europa und der EU

UN-Migrationspakt sprengt Belgiens Regierung, gilets jaunes gefährden Macron

Dort Theresa May und Britannien, das uneinig ist wie schon lange nicht. Da Emmanuel Macron, der nicht weiß, sind die gilets jaunes ein Putsch oder eine Revolution. Hier Angela Merkel, die ihre Kanzlerschaft um den Preis einer nun offen zutage liegenden gespaltenen CDU ins Endspiel gerettet hat. EU?

G. VAN DER HASSELT/AFP/Getty Images

In Belgien tritt die mit Abstand größte Partei (20,3 Prozent), die Nieuw-Vlaamse Alliantie (Neu-Flämische Allianz) – N-VA – aus der „Schwedischen Koalition” aus, weil Ministerpräsident Charles Michel, Mouvement Réformateur (Reformbewegung) – MR – für Belgien dem UN-Migrationspakt in Marrakesch zustimmen wird. Seine Partei errang 2014 nur 9,4 Prozent. Michel verwaltet jetzt eine Minderheitenregierung.

Die nächsten Wahlen in Belgien finden am 26. Mai 2019 zeitgleich mit denen zum EU-Parlament statt. Da wird dann wie schon 2014 auf allen Ebenen mit Ausnahme der Gemeinden und Provinzen gewählt. Recht risikolos ist vorherzusagen, dass die N-VA ihren großen Vorsprung ausbauen wird. Da die N-VA, seit 2010 größte Partei Belgiens, aber die Unabhängigkeit Flanderns von Belgien anstrebt, kann aus dem jetzigen Austritt aus einer Koalition der Widersprüche vor dem Hintergrund einer Krise, die sich EU-weit entfaltet, auch mehr werden.

In Frankreich weiß nicht einmal Daniel Cohn-Bendit, auf den Macron hören soll, was die gilets jaunes sind. So etwas wie die 68-er, sind sie nicht, sagt der damals als „Dany le Rouge” in Paris dabei war. Bernd Riexinger wurde eben in seiner Partei zurückgepfiffen, weil er die gilets jaunes als Rechtsextreme einsortiert hatte. Wie in Frankreich und Belgien weit mehr unklar als klar ist, sieht es im größten Teil EU-Europas aus.

Was mich zu ein paar einfachen Fragen bringt, an denen sich die nahezu komplette classe politique EU-Europas vorbeimogelt, nicht sieht oder nicht sehen will.

Es ist noch nicht so lange her, da war von der Achse Berlin-Paris die Rede und zweitweise nannte die classe politique Deutschland, Großbritannien und Frankreich in Anlehnung an die tatsächlichen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges (USA, Großbritannien und UdSSR), die Großen Drei.

Ich schaue seit dem Brexit, der immer noch keiner ist, auf Theresa May und ein United Kingdom, das uneinig ist wie schon lange nicht. Ich schaue auf das Schrumpfen des von den Medien in den europäischen Himmel als EU-Retter katapultierten Emmanuel Macron, der nicht weiß, sind die gilets jaunes ein Putsch oder eine Revolution. Ich schaue auf Angela Merkel, die ihre Kanzlerschaft erst einmal durch die nominale Abgabe des Parteivorsitzes an Annegret Kramp-Karrenbauer um den Preis einer nun offen zutage liegenden, in der Hälfte gespaltenen CDU ins Endspiel rettet.

Und dann schaue ich auf die Kommission und das Parlament der EU und sehe: Dort versuchen die Oberfunktionäre der classe politique einfach noch möglichst alles über die Bühne zu kriegen, bevor sie vermutlich weitestgehend alle abgelöst werden. Sie scheinen gar nicht zu ahnen, welche Attraktivität poltische Gruppierungen mit einem ganz einfachen Wahlversprechen gewinnen könnten: Nämlich dem, alles was Kommission und Parlament seit dem Existenzsprung von den Europäischen Gemeinschaften (EG) zur Europäischen Union (EU) veranstaltet haben, rückgängig zu machen.

Das tut noch niemand? So weit ich sehen kann, tatsächlich nicht. Noch nicht.


Mehr zum Thema:

Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen.
Mit Beiträgen von Norbert Häring, Krisztina Koenen, Tomas Spahn, Christopher Walter und Alexander Wendt
Tichys Einblick, 112 Seiten, 12,00 €.

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