Die mentale Entfernung zwischen Wien und dem Rest von Österreich ist um nichts kleiner als die zwischen Berlin und den deutschen Bundesländern. Auch bei dieser Landtagswahl in Tirol halfen die Hauptstadt-Auguren entgegen ihrer Absicht nicht den Grünen, sondern den Schwarzen. Nicht nur einen katastrophalen Absturz der ewigen Regierungspartei ÖVP in Tirol sagten sie vorher, sondern ersehnten davon auch gleich noch den Sturz des schwarzen Kanzlers Nehammer in Wien.
34 Prozent für die Tiroler ÖVP statt vor vier Jahren 44 Prozent, also 10 Punkte weniger, lassen sich als Erfolg verkaufen, wenn einem in Umfragen 25 Prozent vorhergesagt wurden. Und dann verlieren die Grünen als Regierungspartner der ÖVP in Tirol auch noch 1,5 Prozentpunkte auf nun 9,2 Prozent – überrundet von der regionalen Liste Fritz mit 9,9 Prozent (plus 4,4). Das Tiroler Ergebnis stützt die ÖVP in Wien und erhöht den kritischen Druck auf die Grünen von innen.
Die FPÖ nimmt um 3,3 Punkte auf 18,8 Prozent zu; eine Koalition mit ihr hatte die ÖVP vor der Wahl ausgeschlossen.
Das Wahrscheinlichste ist eine schwarz-rote Koalition. Anton Mattle, ÖVP, ist Bürgermeister von Galtür im hintersten Paznaun, Georg Dornauer, SPÖ, ist Bürgermeister von Sellrain. Aber Dornauer ist auch ein untypischer SPÖ-Mann. Seine Initiative, die Gemeinden im Sellraintal mit zwei privaten Wasserkraftwerken ab 2024 zu Enegie-Selbstversorgern zu machen, hat er gegen die Politik der schwarz-grünen Landesregierung durchgesetzt.
Es würde mich wundern, wenn der rote Dornauer in den Koalitionsverhandlungen mit dem schwarzen Mattle keinen Plan für einen schnellen Weg zu einem energie-autarken Land Tirol zur Bedingung macht. Das ist angesichts recht ähnlicher Bestrebungen in Südtirol und im Trentino eine höchst spannende Perspektive für die eingeschlafenen politischen Regionalstrukturen rund um die Alpen.
Neue Strukturen in Europa über die EU hinaus stehen mit dem Richtungswechsel in Italien und anderswo ohnedies auf der Tagesordnung. Mal schaun, wie sich eines ins andere fügt.