Alexander Wendt schrieb heute in seinen „Sieben Lehren aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt“: „Ein Bundesland, das mehrheitlich mitte-rechts wählt, bekommt eine Regierung, in der mindestens eine linke Partei sitzt. So wird es auch in Sachsen-Anhalt geschehen. Unter den aktuellen Bedingungen ist die Existenz der AfD für linke Parteien Gold wert.“
Merkels Politberater Matthias Jung, Chef der ZDF-Forschungsgruppe Wahlen, veröffentlichte 2015 seine strategische Leitlinie bei der Hanns Seidel Stiftung:
„Eine Etablierung der AfD bietet für die Union sogar eine doppelte Chance: Zum einen wird ihre Fokussierung auf die politische Mitte glaubwürdiger, wenn rechtspopulistische Positionen außerhalb der Union ihre Heimat finden. Und zum anderen wird es schwerer für Rot-(Rot-)Grün, zu parlamentarischen Mehrheiten zu kommen.“ (Anmerkung: Aus Jungs Rot-(Rot-)Grün 2015 wurde inzwischen Grün–Rot.)
Jung täuschte sich und damit die ganze Union. Die Etablierung der AfD wurde nicht zum Befreiungsschlag der Union vom Makel der sogenannten Rechtslastigkeit, sondern brachte vielmehr die Union in die babylonische Gefangenschaft der Allianz von Grün–Rot und assoziierten Medien („Rechts“ von Grün–Rot-Rot bleibt die Union ja unveränderbar). Aber gleichzeitig wurde das Tabu errichtet: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Das garantiert Grün–Rot, was Alexander Wendt für die Ebene der Bundesländer formulierte, auch auf Bundesebene – „eine Regierung, in der mindestens eine linke Partei sitzt“.
Was die asymmetrische Mobilisierung von Jung nicht im Blick hatte, weil Jung dabei nicht strategisch dachte, sondern nur taktisch, ist, dass am Ende nicht die Union von der fortgesetzten Übernahme erst roter, dann grüner Positionen profitiert, sondern sich dieser Prozess erstens umkehrt und zweitens die Union selbst grünrotisiert. Ob im nächsten Stadium die Kanzlerperson der Union zugerechnet wird oder Grün–Rot, ist bei sonst gleichbleibender Fortschreibung des Bestehend irrelevant.
Nein, ich habe die FDP dabei nicht vergessen, sondern nicht erwähnt, weil sie jeden nächsten Schritt mitmacht, wenn sie nur mit von der Partie ist. Wird sie für die nächste Partie nicht gebraucht, macht sie es wie bisher: Oppositionelles antäuschen, aber immer mitmachen, bevor sie ausgegrenzt wird. Dass der FDP in Sachsen-Anhalt der Windfall Profit der AfD-Ersatz-Wahl zufiel wie schon bei der letzten Bundestagswahl, sei der Vollständigkeit wegen notiert.
Nicht nur ist „die Existenz der AfD für linke Parteien Gold wert“ (Wendt), sondern auch Silber für FDP und Freie Wähler.
Tomas Spahn sieht in „Magdeburger Koalitionspoker – die Bundesperspektive entscheidet“, „aktuell die Zeichen in Sachsen-Anhalt auf Schwarz-gelb-grün. Union und Liberale können damit ein klares Zeichen für eine bürgerliche Zusammenarbeit auf Bundesebene geben.“
Schwarz-gelb-grün in Sachsen-Anhalt und auch im Bund halte ich durchaus für realistisch, eine bürgerliche Zusammenarbeit da wie dort nicht. Von wo soll bei dieser CDU und dieser FDP etwas Bürgerliches kommen und gar noch den Grünen abgelistet werden?