Die folgende Meldung animierte mich, einen meiner ältesten Beiträge auf TE aus 2015 daran anschließend noch einmal zu zeigen.
Deutschlands Abhängigkeit von Rohstoffimporten ließe sich durch mehr Recycling offenbar signifikant senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Ifeu-Instituts im Auftrag der Nichtregierungsorganisation Powershift, über die der „Spiegel“ berichtet. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Metalle Kupfer, Aluminium, Eisen und Stahl sowie Nickel. 94 Prozent des „gesamten metallischen Rohstoffkonsums“ in Deutschland entfalle auf diese Basismetalle, so die Autoren.
Bislang gilt Rohstoffrecycling häufig als zu aufwendig und zu teuer. Durch Pandemien oder Naturkatastrophen infolge des Klimawandels sei aber künftig immer wieder mit Lieferunterbrechungen aus rohstoffreichen Ländern zu rechnen. Zudem erfordere der Klimawandel, dass bis zum Jahr 2030 „Peak Mining“ erreicht werde, also der Höhepunkt des treibhausgasintensiven Abbaus primärer Rohstoffe. Anders seien die weltweiten Klimaziele nicht zu erreichen. Die Wiederverwendung von Rohstoffen werde dadurch zunehmend wichtig.
Deutschlands Potenzial ist laut der Studie enorm, kann jedoch nur genutzt werden, wenn ein Ausbau des Recyclingsektors erfolgt. Der Recyclinganteil von Eisen etwa ließe sich demnach bis 2050 mehr als verdoppeln. Wurde 2010 rund ein Drittel des hierzulande verwendeten Eisens aus sogenannten Sekundärrohstoffen gewonnen, könnten es in einigen Jahren schon 75 Prozent sein. Bei Aluminium ließe sich die Quote von 54 Prozent im Jahr 2010 auf 67 Prozent bis 2050 steigern, bei Kupfer immerhin noch von 56 auf 59 Prozent.
Nur 37 Prozent stufen sich selbst als „sorgfältiger“, 60 Prozent als „inkonsequenter“ Abfalltrenner ein. Die Befragten schätzen, dass Altglas zu 75 Prozent recycelt wird, Papier und Pappe zu 74, Metallverpackungen zu 56 und Kunststoffverpackungen zu 48 Prozent. Eigentlich sollen nur „Leichtverpackungen“ vor allem aus Kunststoff in den gelben Sack und die gelbe Tonne. Kronkorken gehören ebenso dazu wie Getränke- und Konserven-Dosen, Aluminiumfolie, Silberfolien von Schokolade, Aluminiumdeckel von Plastikbechern, Verpackungen von Butter und Kaugummi, Verpackungen aus Kunststoff und Aluminium von Tabletten, Kaffeetüten usw. Uns ist längst nicht bewusst, was wir alles so wegwerfen. Feine Unterschiede machen die meisten nicht. Daher landen auch ausgediente Plastik-Enten und Zahnbürsten und wer weiß was noch in den gelben Behältnissen. Im Bürokratendeutsch sind das Fehlwürfe. Aber selbst den Deutschen, Weltmeister im Abfalltrennen, unterlaufen sie. Nicht weil es zu mühsam wäre, sondern weil die Unterschiede zu feinteilig sind. In Süddeutschland nehmen die Bürger sogar hin, dass sie die gelben Säcke zu Sammelstellen fahren müssen.
Beim Verwerter wird das gelbe Gut maschinell vorsortiert und dann von Menschen fein getrennt. Auch wenn sich die dort Tätigen mit Atemmasken und Spezialkleidung schützen, sind sie nicht zu beneiden.
Was wir Abfall nennen, sind in Wahrheit Rohstoffe. 30 Prozent des gelben Gutes können wieder in der Produktion verwendet werden. Aus altem Styropor werden Handy-Gehäuse, aus Yoghurt-Bechern Blumenkübel. Metalle sind besonders gut zu recyceln. Aber das aufwändige Sortieren ändert nichts daran, dass 70 Prozent des gelben Gutes doch verbrannt wird. Müllverbrennung: Das Wort verbinden viele mit Gestank, Vernichten und Umweltverschmutzung. Dass dabei Strom und Wärme erzeugt wird, also Energie, die in Haushalten zum Einsatz kommt, die rund um dezentrale Kraftwerke liegen, wissen längst nicht alle. Dass Kamine und Kachelöfen in Wohnhäusern 20-mal mehr Emissionen bedeuten als moderne Verbrennungsanlagen, ist wenig bekannt. Noch weniger, dass thermisches Recycling in der Regel CO2 einspart.
Zementwerke verwenden nicht Verwertbares als Ersatzbrennstoff. Deshalb können sie 40 Prozent weniger Primärbrennstoffe einkaufen. Für das Verbrennen der Gewerbeabfälle von Altreifen, Klärschlamm und Altholz werden sie bezahlt. Dass die Filtervorschriften bei ihnen weniger streng sind als in anderen Kraftwerken oder gar in Müllverbrennungsanlagen, senkt ihre Kosten noch einmal. Die Zementbranche hat wohl eine sehr gute Lobby. Kaum ein staatliches Regelwerk ist unübersichtlicher und verwirrender als die Umweltgesetzgebung und ihre Verwaltungsvorschriften. In der Ernährung nimmt der Druck der Öffentlichkeit beständig zu, genau zu wissen, wo was herkommt und wie dort mit dem, was wir später essen, umgegangen wurde. Um das Feld Recycling und Kreislaufwirtschaft ist es dagegen immer stiller geworden.
Wer kümmert sich schon darum, dass Metalle beim mechanischen und händischen Vorsortieren nicht von Papier- und Kunststoffteilen zu trennen sind. Worunter ihr Rohstoff-Wert und -Preis leidet. Wer weiß schon, dass ein erheblicher Teil, manche sagen, der größere Teil des auf dem gelben Weg gesammelten Kunststoffes nicht in die Produktion geht, sondern exportiert wird – vor allem nach China. Eine Bilanz, was die Transportwege innerhalb Deutschlands, aber vor allem ins weit entfernte Ausland ökologisch und ökonomisch bedeuten, gibt es nicht. Positiv kann sie nicht ausfallen. Über die Sinnhaftigkeit von Bananen und Spargel aus Südamerika wird diskutiert, über den Müllversand nicht.
Beim thermischen Recycling ist Verbrennung und Energiegewinnung nur der erste Schritt. Denn dabei bleibt Schadstoff-freie Schlacke übrig: 30 von 100 kg, davon an die 10 kg Metallanteil ohne Papier- und Kunststoffreste. Ausgereifte Verfahren zerlegen die Metallschlacke in alle Metallsorten – von Gold und Silber über Eisen bis zu Aluminium. Vor allem bei letzterem liegt dann ein Vorprodukt für neues Aluminium vor, das mit einem Bruchteil der Energie im Vergleich zur Erstherstellung auskommt. Die restliche Schlacke kann im Straßenbau verwendet werden oder im Deponiebau. Lausche ich dem unbestrittenen Guru und Professor für Abfallwirtschaft Karl Thomé-Kozmiensky, finde ich keine guten Argumente für das heutige Verfahren. Aber auch die Positionen des Freiburger Öko-Instituts haben sich verändert.
Die Frage ist mehr als begründet, ob gelbe Tonne und gelber Sack unterm Strich ökologisch und ökonomisch nicht mehr graue Salbe sind als alles andere – wenn nicht in der Öko-Gesamtbilanz sogar negativ. Die grüne Begründung für den gelben Weg könnte am Ende der ökologisch und ökonomisch hohe Preis einer bürokratischen Fehlsteuerung der Recycling-Industrie sein – eine unvertretbare Wohlfühlprämie. Eine Wertstoff-Tonne, in die dann neben Kunststoffverpackungen auch kleine Elektrogeräte kämen, änderte nichts am Befund.
Der direkte Weg ins thermische Recycling ist ganz wahrscheinlich der grünere. Auf Papier-, Glas-, Bio- und die graue Tonne würde sich dann das Trennprofil für die Bürger reduzieren. In diese graue darf dann auch die Quietschente aus Plastik. Einen grünen Punkt bekäme die gelbe Ente allerdings trotzdem nicht.
Ergänzung: Wo Zuwanderer Müll nicht trennen, geht alles in eine Tonne. Das kann dann gleich direkt zum thermischen Recycling gefahren werden. Und übrigens trennen nach allgemeiner Beobachtung die meisten unter 40, die schon länger hier leben, auch keinen Müll.