Das Wahlrechtsreform genannte Trauerspiel im Bundestag hat eines glasklar und unmissverständlich bestätigt: In einem sind sich alle Parteien einig, sie sind das Maß aller Dinge, nicht die Bürger und nicht die von den Bürgern gewählten Abgeordneten.
Ich zitiere auszugsweise Verfassungsrechtler Vosgerau (Hervorhebung von mir):
In der Rechtsgeschichte ist jede Wahlrechtsreform in Deutschland betrieben worden, um eine oder mehrere Parteien zu bevorteilen oder zu benachteiligen. So ist zum Beispiel die heute so wichtige Fünf-Prozent-Klausel von der FDP durchgesetzt worden. Das Ziel der FDP war, die anderen, noch kleineren Parteien aus dem Bundestag zu drängen …
Die Grundidee des neuen Wahlmodells finde ich gar nicht schlecht. Das Modell wurde aber nicht von der Ampelkoalition erfunden. Es handelt sich um ein Modell, das die AfD-Fraktion dem Deutschen Bundestag bereits im Oktober 2020 vorgelegt hat. Die AfD-Fraktion hat damals die Reformvorschläge eines sehr bekannten Verfassungsrechtlers der Humboldt-Universität, Hans Meyer, übernommen. Dieses Modell sieht vor, dass die Zahl der Bundestagsabgeordneten auf die gesetzlich angeordneten 598 beschränkt bleibt. Das wird erreicht, indem nicht jeder Abgeordnete, der die meisten Erststimmen in seinem Wahlkreis gewonnen hat, automatisch Bundestagsabgeordneter wird. Stattdessen wird ein auf den ersten Blick direkt gewählter Abgeordneter zunächst nur Wahlkreis-Kandidat für den Bundestag. Sein Wahlkreis-Mandat bekommt dieser Abgeordnete dann aber nur, wenn auch das Zweitstimmenergebnis seiner Partei dies rechtfertigt.
Dass ich den ganzen Vorschlag und seine veränderte Form der Verwirklichung negativ bewerte, gebe ich nur zu Protokoll. Mit den Details des nun Beschlossenen befasse ich mich nicht. Dem einen oder anderen Leser wird bekannt sein, was ich immer wieder zum Parteienstaat geschrieben habe. Kurz gefasst: Die Befreiung der Bürger aus den Klauen des Parteien-Kartells ist nur durch die Beseitigung des Parteienprivilegs möglich. Parteien mag unterhalten und gründen, wer will – wie andere Vereine auch. Aber Parteien dürfen nicht aus Steuern oder anderen Zwangsabgaben finanziert werden, nur Personen dürfen kandidieren, keine Parteilisten, Abgeordnete müssen ihr Mandat ehrenamtlich ausüben, und so weiter.
Roland Tichy sagt mir in Gesprächen zu Recht immer wieder: Das werden die Parteien, die das beschließen müssten, nie tun. Daran zweifle ich selbstverständlich nicht, das Bild von den Fröschen, die ihren Sumpf nicht trocken legen werden, ist allgemein bekannt.
Etliche TE-Leser, die regelmäßig Kommentare beitragen, werfen TE vor, sich nicht für die Wahl der AfD einzusetzen, anderen Lesern werfen sie vor, durch Nichtwahl die alten Parteien indirekt zu wählen. Mit ihrer Haltung in der Frage Parteien versus direkt gewählte Abgeordnete reiht sich die AfD unübersehbar ins Parteienkartell ein, auch wenn der alte Parteienstaat sie bisher nicht aufgenommen hat – was er ruhig tun könnte, ohne von ihr gestört zu werden. (Dass Journalisten sich mit niemandem gemein machen dürfen, merke ich hier nur der Vollständigkeit halber an.)
Ich halte fest: Die AfD ist für das Parteien-Privileg, die AfD ist nicht gegen den Parteienstaat, sie will ganz im Gegenteil nur endlich ganz drinnen mit dabei sein im Parteienstaat. Sie will gar keine Alternative sein, sondern nur eine Variante mehr.
Der Parteienstaat, ich wiederhole es, ist nicht reformierbar. Sein bisher größter Treppenwitz: Jene Partei, die angetreten war mit dem Anspruch, nicht so zu sein wie die alten Parteien, ja geradezu das Gegenteil derselben, jedenfalls etwas ganz und gar anderes, ist nun die Inkarnation der hemmungslosen Rücksichtslosigkeit des Parteienstaats, der grenzenlosen Selbstbedienung mit dem Geld der 15 Millionen Nettosteuerzahler, die es noch gibt. Die sich Grüne nennen, übertreffen alles, was sich vor ihnen alle anderen Parteien an Inakzeptablem herausgenommen hatten. Der interessante Unterschied: Die Grünen in der zweiten und dritten Reihe ihrer Machthierarchien versuchen – anders als die der anderen Parteien – gleich gar nicht, ihre wahren Absichten der totalen Machtausweitung überhaupt noch hinter irgendwelchen Nebelworten zu verbergen.
Wer in dieser real existierenden Berliner Republik an Wahlen anders teilnimmt als durch die Abgabe einer ungültigen Stimme, so drehe ich jetzt das oben genannte Argument von TE-Lesern gegen die Nichtwahl um, wählt den Parteienstaat – und damit vor allem seine neuen Jakobiner, die Grünen.