Tichys Einblick
Wahlen ändern die Gewählten nicht

Welche Partei kanzlert, ist egal: jede Regierung agiert „grün“-woke

Weil Schwarze, Rote und Gelbe dem "grün"-woken Zeitgeist nicht nur nacheifern, sondern sich in ihm mehr bewähren wollen als die "Grün"-Woken selbst, findet eine alte Behauptung von Fritz Goergen, dass das Kartell deutscher Parteienstaat nicht reformierbar ist, immer neue Bestätigung. Welche Partei kanzlert, ist egal: jede Regierung agiert "grün"-woke.

Reichstag Innenhof

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Wolfgang Herles schreibt in seiner neuesten Kolumne: „Besonders ärgerlich ist, dass nun auch noch dezidiert konservative Medien auf Merz eindreschen … Merz wird von rechts und links gleichzeitig in die Zange genommen … Merz als unhaltbar abzuschreiben, verliert das Ziel aus den Augen, die Ampel so schnell wie möglich loszuwerden …

Was aber nützt es, Parteien und ihre Lautsprecher auszuwechseln, wenn sie doch alle dasselbe tun und tönen, nämlich das, was der „grün“-woke Zeitgeist will? Grün setze ich in Anführungszeichen, weil es mit Grün im Sinne einer Politik, die sorgsam mit Umwelt und Natur (in Wahrheit Kultur) umginge, nichts zu tun hat, nein schlimmer, zerstörerisch gegen Umwelt, Natur und Kultur handelt.

Welche Partei kanzlert, ist egal: jede Regierungskonstellation im real existierenden deutschen Parteienstaat agiert „grün“-woke, solange der aus den USA importierte Wokismus dort nicht zuerst sein Ende findet. Den Hoffnungen, dass eine Reihe europäischer Gesellschaften sich in Westeuropa vom Wokismus abwenden, haben die Wahlen in Spanien eben einen empfindlichen Dämpfer versetzt. Wie der neue Regierende Bürgermeister von der CDU in Berlin strengt sich der Wahlgewinner in Spanien von der konservativen PP an, noch woker zu sein als die „Grün“-Woken in Berlin und die Sozialisten in Spanien. Dass sich in Mittel- und Osteuropa die Gesellschaften dem Wokismus nicht zuwenden, diese Hoffnung bleibt.

Zur CDU schreibt Mario Thurnes über Das Entscheidende, das sich unter Merkel geändert hat: „Die Funktionärsebene hat sich von der Mitgliederebene abgekoppelt. Die Union hat den Wunsch der linken Parteien mitgetragen und die Zahl der „wissenschaftlichen Mitarbeiter“, Fraktionsreferenten und politischen Stellen in der Verwaltung ausufern lassen. So konnte der Typus des Berufspolitikers auch in der Union sprießen, der außer Kreißsaal, Hörsaal und Plenarsaal kein Leben kennt, der in dieser Glocke denkt und entscheidet.“

Thurnes‘ Thema in diesem Artikel ist die CDU. Was er über deren strukturellen Umbruch sagt, gilt allerdings für alle Parteien. Ich habe das in vielen Beiträgen auf TE zum Kartell deutscher Parteienstaat beschrieben, einst bei von Arnim in Speyer vorgetragen (Beiträge auf der 8. Speyerer Demokratietagung, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 35–42.) Das SED-Gewächs Merkel war wie geschaffen, die Fehlentwicklung des bundesdeutschen Parteienstaates auf die Spitze zu treiben, die Auswüchse des Funktionärwesens als System verfestigen zu helfen. Dabei wird oft übersehen, dass Merkel nichts anderes tat als die „Grünen“ von Anfang an, diese nur nicht mit so viel Erfolg, wie das einer großen Partei wie der CDU möglich war: ihre Leute gnadenlos in Hierarchien immer weiter von oben nach unten durch zu positionieren. Nach Merkels erfolgreicher geistig-politischen Entkernung der CDU brauchen die „Grün“-Woken sie nicht mehr, sondern können die „Große Transformation“ selbst anführen, da ihnen die Restroten und Restgelben willig folgen und die Frontfiguren der Merkelschwarzen darum wetteifern, noch „grün“-woker zu sein als diese selbst.

Die Frontfiguren sind dabei nur die Spitze der Funktionärspyramide des Kartells deutscher Parteienstaat. Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte, Ministerien, Hochschulen, Medien und so weiter sind durchsetzt von „Grün“-Wokisten. Zu ihrer Verstärkung wurden und werden irreführend Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) genannte Hilfstruppen eingesetzt, die noch unverschämter gegen das geschriebene Recht verstoßen können als die offiziellen „Grün“-Wokisten, die das Grundgesetz und geschriebene Recht dort einfach umdeuten oder ignorieren, wo es ihnen im Wege steht.

Die Möglichkeit, dass da jemand „Oben“ ausbüxt gegen die woke Zeitgeist-Linie, ist Null. Womit aktuell der Fall Merz abschließend eingeordnet ist. Selbst wenn ihn jemand wie Herles – anders als ich – für weniger unfähig hält als Scholz und Merkel, ist das irrelevant. Schon auf dem Weg zum Kanzlerstuhl und erst recht auf demselben würde Merz „grün“-woker agieren als Habeck und Baerbock selbst. Warum? Weil ihn die Wüsts und Söders mitsamt CDU-Funktionärsklasse dazu genauso zwängen wie der „grün“-wokisierte Staatsapparat. Wenn es denn dieses Zwangs bedürfte. Aber ich sehe die ganze Zeit, was Merz tut – den muss niemand zwingen, der tut das von selbst.

Herles schreibt: Wer jetzt Merz stürzt, macht sich zum Instrument derer, die dieses Land in den Abgrund stürzen. Die selbstzerstörerischen Tendenzen im konservativen Lager sind so überflüssig wie unübersehbar. Zuerst müssen die Unionsparteien Wahlen gewinnen.

Ja Himmel, wenn Wahlen den Gewählten, also Merz änderten, dann potenzierten sie doch nur seine „grün“-woken Eigenschaften, die jetzt zu besichtigen sind. Was an die Regierungsspitze gerückte Schwarze tun, ist bei Wüst in NRW und nun bei Wagner in Berlin zu beobachten: „grün“-woker als die „Grün“-Woken.

Berufspolitiker heißen so, weil sie im Beruf Politik Karriere machen wollen, nicht weil sie inhaltliche politische Ziele im Sinn hätten. Wenn jemand einwendet, die „Grün“-Woken verfolgten doch politische Ziele, meine präventive Antwort: Dass Politiker (und Journalisten) die Interessen starker Lobbys öfter vertreten als alles andere, ist nicht neu. Aber noch niemand hat das so brutal und hemmungslos offen getan wie die „Grün“-Woken. Ich habe damals bei von Arnim in Speyer dessen Fragestellung für meinen Vortrag, ob die Parteien korrupte Organisationen sind, einleitend mit ja beantwortet und angefügt, das sei ihre Aufgabe. Niemand anders als die „Grün“-Woken bestätigen das so unübersehbar jeden Tag. Und weil Schwarze, Rote und Gelbe dem „grün“-woken Zeitgeist nicht nur nacheifern, sondern sich in ihm mehr bewähren wollen als die „Grün“-Woken selbst, findet meine alte Behauptung, dass das Kartell deutscher Parteienstaat nicht reformierbar ist, immer neue Bestätigung.

Es ist das Dilemma der sogenannten Liberal-Konservativen, dass sie das einerseits selbst so ähnlich sehen wie ich, andererseits aber unentwegt von der Ablösung der „Grün“-Woken durch „bürgerliche Bündnisse“ reden. Fänden die real existierenden Schwarzen und Gelben mit oder ohne AfD zusammen, würden aus den tief „grün“-woke durchdrungenen schwarzen und gelben Berufspolitikern doch keine Liberalen und Konservativen – oder „Bürgerliche“. Ein „konservatives Lager“ gibt es schon lange nicht mehr, das hat sich in die Gartenlaube wie im Biedermeier des Vormärz zurückgezogen, wohl aber existiert eine „Nationale Front“ – eine „grün“-woke. Mehr als Haarrisse hat diese noch nicht.

Es ist so, ob und wem es gefällt oder nicht: Welche Partei kanzlert, ist egal, jede Regierungskonstellation im real existierenden deutschen Parteienstaat agiert „grün“-woke, solange der aus den USA importierte Wokismus dort nicht zuerst sein Ende findet. Bis dahin heißt es, sagen, was ist, jeden Tag – und ohne nachzulassen.

Zum Dilemma der sogenannten Liberal-Konservativen – ich bin keiner – gehört auch, dass sie nach den früheren Regeln spielen, an die sich die „Grün“-Woken und ihre schwarzrotgelben Hilfswilligen samt Zeitgeist-Medien nicht halten. Aber das ist eine andere Geschichte.

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