Tichys Einblick
Wenn keine bunten Fahnen wehen

Ohne Maas und Fahne

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Maaslosigkeiten ihren Gipfel bald so total erreichen, um in sich selbst zusammenzufallen. Denn die natürliche Entwicklung eines baufälligen Gebäudes ist sein Einsturz.

http://www.zellerzeitung.de

Bernd Zeller

Zu behaupten, Heiko Maas würde nur Frauen zu Olympia gratulieren, wäre nicht korrekt. Denn er hat auch Timo Boll gratuliert, allerdings nur dafür, dass er den Teilnehmern aus Deutschland die Fahne vorausträgt: Offensichtlich so, dass es dem Justizminister nicht zu maaslos erschien.

Erfolge bei den Spielen würdigte Maas bei den Goldmedaillen für Frauen-Fußball

und im Beach-Volleyball der Frauen.

Wir wissen nicht, ob Bernd Zeller in seiner Karikatur (Titelbild) dem Grund für des Justiministers selektive Maaslosigkeit der Bevorzugung des weiblichen Geschlechts und damit der Diskriminierung des männlichen richtig auf der Spur ist. Könnte aber sein. Denn bisher gelten Männer als anfälliger für das Schwenken von Fahnen denn Frauen. Obwohl mir meine Mutter erzählte, dass es im nicht ganz Tausendjährigen Reich da keine Unterschiede gegeben hätte. Im Gegenteil: Die Weiber (ihre Formulierung) hätten dem mit dem Schnauzbart noch viel frenetischer zugejubelt als die Männer. Von den letzteren trugen ja jede Menge ihre praktisch kleine Spezialflagge direkt unter der Nase.

Für die Fahnenphobie spricht ein Retweet des Saarländers aus der Werkstatt der Bekämpfung des – ja was? – „Nationalen“?

Da staune selbst ich, der zum Kommerzsport gar keine Beziehung hat, es sei denn die der kopfschüttelnden Verachtung. Die Verbände, die unter der Vortäuschung, Sport zu fördern, Milliarden verdienen, lassen sich von Maaslos & Co. einspannen, um den Deutschen das Fahnenschwenken im Stadion auszutreiben?

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bin noch nie im Fußball-Stadion gewesen, den Platz in meinem Heimatdorf mit zwei Holzbrettern als Tribüne kann man so nicht nennen. Mit dem Fahnenschwenken hatte ich es nie. Fahnen habe ich zeitlebens nur zwei am Fahnenmast gehisst: die der Roten Falken (Jugendorganisation der SPÖ) in einem Ferienlager an einem Kärntner See und die des österreichischen Bundesheeres während meines Präsenzdienstes (Wehrdienst) bei der reitenden Gebirgsmarine. Beides hat mich emotional nicht berührt. Aber der Kärnter See war Klasse und jeder Berg großartig, den ich bei der glorreichen österreichischen Armee kennenlernte.

Was zur Zeit an „Ent-Nationalisierung“ (besseres Wort fiel mir nicht ein) durch die deutsche Medienlandschaft betrieben und getrieben wird, erinnert mich an den Umgang der österreichischen Politik mit dem Reizwort Deutsch in meiner Schulzeit in den 1950-er Jahren: in meinen Zeugnissen nachzulesen. Erst hieß das Unterrichtsfach „Deutsch“, dann „Deutsche Unterrichtssprache“, dann „Unterrichtssprache“ und dann wieder „Deutsch“. Der Bundesminister von der ÖVP, unter dessen Ägide das stattfand, hieß Hurdes, weshalb der Volksmund dieser kabarettreifen Sprachverwandlung den passenden Namen verlieh: „Hurdestanisch“. (Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner setzten Hurdes in einem anderen Zusammenhang ein Denkmal: „Der Papa wird’s schon richten“  – und damit sein politisches Ende.)

Hurdestanisch und Sportanisch

Jeder wird sich fragen, was wollten Hurdes und die anderen, ohne die er dieses Deutsch-Theater nicht hätte aufführen können. Sehr einfach: Alles was mit „Deutsch“ zu tun hatte, sollte aus der Zweiten Österreichischen Republik verschwinden, die Österreicher sollten sich nicht mehr als Teil des deutschen Volkes verstehen, sondern als eigenständige Nation. Das sollte auch die (von den Siegermächten verbriefte) Lüge aufrecht erhalten, Österreich wäre das erste Opfer Hitlers gewesen und die Österreicher hätten im Unterschied zu den „Reichsdeutschen“ (aussterbender österreichischer Sprachgebrauch) mit den Gräueltaten der Nazis nichts zu tun gehabt.

Doch genau an diesem Punkt kippte die Geschichte. Bis zum Ehrlichwerden der  Geschichtsbetrachtung zur österreichischen Rolle in der Nazidiktatur sollte es noch dauern, bis sich die Österreicher als eigene Nation fühlten, auch.  Heute ist das selbstverständlich, obwohl weiter Deutsch in den Schulen unterrichtet wird. In unseren Tagen reklamiert die FPÖ österreichischen Patriotismus als ihre Spezialität.

Der Versuch von Hurdes & Co., das Deutsche hinweg zu pädagogisieren, war gescheitert. Exakt das Gleiche sage ich den lächerlichen Geschehnissen der Gegenwart voraus: Am Punkt X kippt es. Ihm sind wir näher, als Maas & Co. ahnen. Hurdes verschwand in der Versenkung, das wartet auch auf die Apologeten der deutschen „Ent-Nationalisierung“. Wenn es heute ein Volk auf der Erde gibt, zu dessen Fehlern nationalistisches Getue nicht gehört, ist es das deutsche Volk.

Übrigens brauchte es damals in Österreich keine Partei für die Einkehr von Normalität. Die braucht es in der Bundesrepublik Deutschland heute auch nicht. Solche Dinge regelt das Volk in seiner Mund-zu-Mund-Kommunikation, welche von der veröffentlichten Meinung lange nicht wahrgenommen wird, bis die lange öffentlich lautlose Meinung die veröffentlichte wegschwemmt wie ein unerwartetes Hochwasser.

Ob und wie viele schwarz-rot-goldene Fahnen Sportbegeisterte bei welchen Großereignissen auch immer schwenken oder nicht, ist mir auch weiterhin herzlich egal. Die es tun, müssen auch in Zukunft auf mich verzichten. Sie werden es wie bisher nicht merken, wenn ein Steirer mit deutschem Pass, der erst in Deutschland Österreicher wurde, beim Schwenken von Fahnen nie dabei ist. Weil mir Massenansammlungen und kollektive Kundgebungen noch nie lagen.

Aber die Nationalflagge schwenken, wo immer auf der Welt, als Pflicht vorzuschreiben oder durch Volkserziehungs-Kampagnen auszutreiben, ist beides freier Menschen nicht würdig.

Doch wie gesagt, macht euch keine Sorgen. So ein Mist erledigt sich von selbst.

Die mobile Version verlassen