Das alte Corona-Quartett der österreichischen Bundesregierung gibt es nicht mehr. Vorbei die Zeiten, in denen Kanzler Kurz (ÖVP), Vizekanzler Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Anschober (Grüne) und Innenminister Nehammer (ÖVP) wöchentlich vor die Presse traten, um die „lieben Österreicher und Österreicherinnen“ (Kurz) und „lieben Österreicher und Österreicherinnen und Menschen, die in Österreich wohnen“ (Kogler) in den jeweils aktuellen Set an Corona-Maßnahmen einzustimmen.
Gestern um 18 Uhr trat ein Corona-Quintett vor die Presse: Kanzler und Gesundheitsminister, die Landeshauptleute von Wien und Steiermark und der Experte von der MedUni Wien. An den ganztägigen Beratungen waren neben den wichtigsten Machtträgern, den Landeshaupleuten aller neun Bundesländer, auch alle Oppositionsparteien und Experten aus Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft beteiligt.
Österreich sperrt das Corona-Gatter ein bisserl auf. Das Ergebnis stellen die Kleine Zeitung und andere anschaulich dar, was aufmachen darf:
- Schulen
- Handel
- Körpernahe Dienstleister
- Museen, Galerien und Zoos
In den Schulen wird alle zwei Tage getestet, bei den Körpernahen Dienstleistern muss ein aktueller Negativ-Test vorgewiesen werden, Handel, Galerien, Museen und Zoos müssen 20 Quadratmeter Raum je Besucher sicherstellen.
Österreich sperrt das Corona-Gatter jetzt also ein bisserl auf. Nicht ohne die unüberhörbaren Drohungen von Kurz und Anschober, das könne auch wieder in die andere Richtung gehen.
Damit bin ich bei der falschen Bewertungsgrundlage der Corona-Lage. Mit ihr sitzen die Regierenden in Wien wie in Berlin in der Falle, die sie meiner Meinung nach nicht aus finsteren Machtgründen gebaut haben, sondern durch unprofessionelles und fahrlässiges Handeln hineingeraten sind, und meinen, ohne Gesichtsverlust nicht mehr rauszukommen. Die Vorhersage fällt mir leicht. Ich beobachte Politik zu lange und zu intensiv, um auch nur einen Moment zu zweifeln. Die Classe Politique wird in ganz Europa die Corona-Sackgasse verlassen, das Gesicht verlieren und sich in dem vergeblichen Versuch verkämpfen, die eigene Schuld anderen anzuhängen.
Anschober hat offensichtlich keine Leute um sich herum, die ihn aufmerksam machen: Alle paar Wochen seit Beginn der Corona-Maßnahmen erklärt er die jeweils folgenden Wochen für ganz schwierige und entscheidende, so auch gestern wieder. Wer soll ihm das noch abnehmen nach der etwas zehnten Aufführung?
In der gestrigen Präsentation des bisserl Aufsperrens wurde Kurz an einer Stelle besonders eindringlich, beim Verhalten der Zeitgenossen im privaten Raum. Neu gilt, dass sich nun zwei Haushalte mit insgesamt vier Erwachsenen zuhause treffen dürfen. Besser wäre allerdings, so Kurz, sie täten es aber nicht oder nicht oft. Kurz schilderte recht plastisch und zutreffend: Unsere Vorsichtsmaßnahmen mit Abstand und FFP-2-Maske im öffentlichen Raum ändern sich schnell und radikal im privaten.
Kurz sprach nicht aus, was ich so fasse. Ihr könnt all unsere Maßnahmen in allen Bereichen des Lebens wirkungslos machen, wenn ihr nicht am besten allein zuhause bleibt. Polemisch kan ich auch sagen. Bringen unsere Maßnahmen die „Corona-Fallzahlen“ nicht auf den „Inzidenzwert“ 50 oder steigt der sogar von zur Zeit um die 100 höher, weil ihr im Privaten die nötige Disziplin vermissen lasst – dann verschärfen wir die Maßnahmen in allen anderen Bereichen des Lebens.
Dass an die Öffnung der Gastronomie vor März nicht zu denken ist, verlautete im gestrigen Corona-Quintett auch. Aber bevor darüber und überhaupt das Corona-Quintett oder Vergleichbares in zwei Wochen wieder vor die Presse tritt, gestatte ich mir eine Frage und eine Ahnung.
Was sagt uns die Classe Politique in Österreich und Deutschland und so weiter, wenn das massenhafte Impfen an der falschen Messlatte Positiv-Getestete keinen Erfolg anzeigt? Oder machen unwirksame und teilwirksame Impfstoffe den Weg frei für die Classe Politique, als Schuldige Virologen und Impfindustrie zu benennen?
Für die Freunde der Freiheit habe ich diese Fußnote: In Österreich sind die Chancen für Vernunft in der Politik etwas größer, weil die Entfernung zwischen den Regierten und Regierenden kleiner ist. Es ist nicht viel, aber in diesen Zeiten ist schon jedes weniger Unfreiheit viel.