Gebt Menschen Macht über Menschen und sie werden sie missbrauchen. Weil das so ist, haben sich in rechtsstaatlichen Demokratien verschiedene Formen von Gewaltenteilung herausgebildet.
Das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat ist stets dort am fruchtbarsten für die Gesellschaft, wo sich der Staat auf eine Ordnungspolitik beschränkt, die den (möglichst) freien Wettbewerb gegen Monopole und Kartelle ermöglicht, und sich Unternehmen selbst nicht erlauben, wirtschaftliche Macht als Mittel der Politik einzusetzen.
Dass die Politik immer wieder der Versuchung erliegt, in das Wirtschaftsgeschehen unkundig einzugreifen und/oder bestimmte Branchen oder Unternehmen gegen alle Grundsätze der Herrschaft des (gleichen) Rechts (für alle) zu privilegieren, erleben wir regelmäßig. Dass Unternehmen ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, kommt vor bis hinein in Lächerlichkeiten der Werbung wie das Anzeigenboykott der Lufthansa gegen die Süddeutsche Zeitung.
Dass jemand aus der Agenturszene beschließt, die Welt der Deutschen anstelle der Politik zu retten, weil die Parteien das nicht könnten, ist eine neue Qualität des Niedergangs der politischen Kultur, an der mich nur wundert, von wem ich im Netz öffentlich hämische und klammheimliche Freude lese.
G.H. schreibt:
„Die Idee, wie politische Willensbildung funktioniert, hat sich gerade in den letzten Jahren radikal verändert. Dass Parteien als politische Monopolisten über große Medien Wähler von ihren Argumenten in einem freien Meinungswettbewerb überzeugen, wirkt mittlerweile fast hoffnungslos veraltet.“
Nicht überlesen sollten wir, wenn schon der Autor nicht gemerkt zu haben scheint, was er da schrieb: „Parteien als politische Monopolisten über große Medien“. Wo bleibt der Aufschrei von „großen Medien“?
G.H. schreibt auch:
„Und bisher sieht es nicht so aus, als ob die etablierten Institutionen ein wirklich überzeugendes Rezept gegen die Rattenfänger vorlegen können. Vielmehr scheint es, dass wir – Bürger, Agenturen, Industrieunternehmen – unsere Institutionen gegen den Ansturm der Neuen Rechten verteidigen müssen.“
Dass Bürger – möglichst zahlreich – für ihre politischen Überzeugungen eintreten und sich engagieren sollen, ist common sense. Dass G.H. „die etablierten Institutionen“ für wirkungslos und/oder hilflos hält, damit ist er nicht allein. Aber dass Agenturen und Industrieunternehmen ihre wirtschaftliche Macht politisch einsetzen sollen, ist der Aufruf zum Machtmissbrauch. Wer das tut, steht außerhalb der politischen Kultur von rechtsstaatlichen Demokratien.
Unprofessionalität
Unternehmen haben Werbeabteilungen, um für ihre Produkte oder Dienstleistungen Kunden zu gewinnen und zu pflegen. Sie beauftragen einschlägige Agenturen, um ihre Werbung bei Medien zu platzieren, deren Nutzerstruktur von Lesern, Hörern und Zuschauern für ihre Produkte und Dienste am besten geeignet erscheint.
Um nur bloß nichts falsch zu machen, hat in einer ersten Schreckreaktion die mittlere und untere Ebene in Agenturen und Unternehmen offensichtlich dem Konformitätsdruck nachgegeben, den G.H. im schon bereiteten Klima der allgemeinen öffentlichen politischen Hysterie leicht auslösen konnte.
Nun treten wir in die Phase der Wahrnehmung des angerichteten Schadens auf den Führungsebenen der Unternehmen ein. Die Rufschädigung für Agenturen ist groß, die Zornesreaktionen von Lesern sind zahlreich, welche die Unternehmen strafen, die Kunden von Scholz & Friends sind, ohne dass sie irgendetwas mit G.H. und den Folgen zu tun hätten, vom eilfertigen Gehorsam einzelner Mitarbeiter abgesehen.
Dass Scholz & Friends sich nun von G.H. abzusetzen scheint, muss gar nichts bedeuten. Was mir wirklich zu denken gibt, ist, von wem ich im Netz öffentlich hämische und klammheimliche Freude über den entstandenen wirtschaftlichen Schaden bei Achgut und Tichys Einblick lesen musste. Denn diese Einstellungen bleiben – auch wenn bald niemand mehr wissen wird, wer G.H. ist.