In Zeiten, wenn kein Vorhaben groß genug sein kann, Neue Weltordnung, The Great Reset, Klimasteuerung und so weiter, ist es wohltuend normal bis unterhaltsam zu sehen, wie unvergänglich Altes, längst nur noch Geschichte geglaubtes ist.
Österreich ohne Vorarlberg und Außerfern, Südtirol, Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz gehören alle zur deutschen Sprachgruppe Bairisch. Seit 1805 Napoleon Tirol unter bayrische Herrschaft stellte, ist viel Zeit vergangen. Doch Ressentiments sind unverändert da, wie sich immer wieder zeigt, auch jetzt, wenn der Franke Söder als bayrischer Ministerpräsident an der Spitze der Politiker steht, die Tirol, Österreich und ganz Europa zwingen wollen, die Schi-Saison ausfallen zu lassen. Söders Äußerung, „Halb Europa ist im Frühjahr von Ischgl aus mit infiziert worden“, ist weder wahr noch angebracht von einem, der den Ischgl-Fehler im Berchtesgadener Land Monate später nachgemacht hat.
Wenn es die Infektionszahlen erlauben, werden wir uns das Skifahren auch von Bayern nicht nehmen lassen, sagte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, und Bundeskanzler Sebastian Kurz fügte hinzu, es gebe zwar Politikbereiche, in denen die EU koordinativ tätig werden sollte, was sie aber sicher nicht machen könne, sei zu regeln, „wann Fußball gespielt werden darf, wo man Laufen gehen darf und wann man Skilaufen gehen darf“.
Mittlerweile haben die Ski-Lift-Betreiber im Westen Österreichs beschlossen, trotz absehbar größter Verluste 30 bis 50 Prozent der Lifte in Betrieb zu nehmen, den Einheimischen zuliebe, auch wenn Touristen aus anderen Ländern ausbleiben. Ob die österreichische Bundespolitik die Wintersaison ohne Après-Ski ermöglicht, wird sich zeigen. Die Schweizer haben jedenfalls ihre Schiberge offen und die Gastronomie allgemein auch.
„Bis mindestens Ende des Jahres müssen auch Reisende, die für weniger als 48 Stunden zu Zwecken des Skifahrens oder anderer Freizeitaktivitäten aus Deutschland nach Österreich fahren, nach ihrer Rückkehr in Quarantäne“, meldet die Kronenzeitung von Söder.
Rainer Nowak, Herausgeber und Chefredakteur der österreichischen Tageszeitung Die Presse, selbst Großstadtbewohner aus Tirol, weiß davon zu berichten, dass „vor allem auch in Ostösterreich … viele Publizisten … jedweden Versuch der Tourismuswirtschaft, die Wintersaison zu retten,“ ablehnen. Nowak weiter:
„Was dabei überrascht ist der gehässige Tonfall gegenüber dem Wintertourismus generell. Das Klischee der korrupten Seilbahnwirtschaft und selbstherrlichen Hoteliers, die lokale Politik und Leute beherrschen, ist weitverbreitet. Skifahren wird da generell als reaktionäre und überflüssige Tätigkeit eingeschätzt, mit der geldgierige Alpen-Oligarchen die armen Städter mittels hoher Kosten für Zimmer und Skiliftkarten ausbeuten. Schon in der Schule werde man demnach zum Skifahren in eisiger Kälte, Dauerbelästigung durch männliche Skilehrer und Virenaustausch in stickigen Gondeln gezwungen.“
„Entweder waren diese Kaffeehaus-Sportler schon lange nicht mehr irgendwo normal (also nicht in Ischgl) auf Skiurlaub oder die Negativ-Spirale in der gegenseitigen Einschätzung von Motiven geht einfach bei fast allen immer weiter nach unten.
Oder sie können einfach nicht Skifahren.“
Ich bin in der Sache nicht mehr Partei, weil nach einem schweren Autounfall die schöne Schifahrzeit für meine bessere Hälfte und mich vorbei war. Ich will es natürlich nicht ins Antibayrische einordnen, dass eine Münchnerin, die am Steuer ihres Wohnmobils einschlief, mit demselben unseren PKW frontal rammte. Die Böschung rechts war zu steil, um wirkungsvoll ausweichen zu können. Seitdem feiern wir diesen Jahrestag als zweiten Geburtstag.
Im Gymnasium bei mir in der Obersteiermark wie damals überall in Österreich gehörte der Schikurs zum alljährlichen Unterrichtsprogramm, lokal auf nahen Wiesen und einmal jährlich eine Woche auf der Schlossalm in Hofgastein. Die Schikurspflicht gibt es in Österreich seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Insgesamt, so sagen Untersuchungen, fahren 40 bis 60 Prozent Schi, in den Bergbundesländern an die 80. Kundige erzählen mir von diesem Trend:
- Pistenfahren stagniert auf hohem Niveau.
- Tourengeher werden mehr, oft auch am Rande der Pisten.
- Ruhige, Ballermann-freie (Familien)Schigebiete gewinnen an Konjunktur.
- Touristische Bergdörfer mit einfachem bis bescheidenem Komfort sind in.
- Ferien auf dem Bauernhof bremsen das Bergbauernsterben.
Übrigens war das schon in meinen letzten Schifahrerjahren so: Die gar nicht oder nur schlecht Schi fuhren, stellten das Gros des Ballermann-Publikums. Sollte eine Folge der Coronazeit sein, dass weniger geballermannt wird, würde das nicht nur mich sehr freuen. Aber wie ich die Spezies Mensch in ihren Herdeneigenschaften kenne, wird das – wenn überhaupt – nicht lange halten.