Tichys Einblick
Wendezeit

Die Welt nach Corona wird wie vor Corona und doch nicht

Nach Corona wird es nicht sein wie 2019, sondern mehr wie 1989, 1945 und 1919. Die alte Ordnung hat versagt, eine neue ist gefragt.

Screenprint: Johns Hopkins, 30.3.2020

Natürlich sind die Jüngsten am meisten geprägt von der Welt, in der wir in den industrialisierten Ländern des Westens leben. Das gilt auch für die Jüngsten in den anderen Teilen der Welt, aber die sind anders. In Asien nutzen die jungen Leute nicht nur alles an technischen und zivilisatorischen Möglichkeiten wie ihre Gleichaltrigen im Westen, sondern sind ihnen in IT und Naturwissenschaften insgesamt weit überlegen. Doch die politisch-kulturelle Einstellung der Westler teilen sie nicht.

Den Zentralnerv der Westjugend, aber auch den ihrer Elterngeneration treffen die Beschränkungen der Westregierungen in der sogenannten Coronakrise deshalb hart, weil sie den Lebenskern beider lahmlegen: die Party am laufenden Band – neuhochdeutsch: life is a party, party is life. Konventionell formuliert: Ist keine Party von FFF über Shisha Bar bis Isar- und Spreestrand, nehmen das die Leute von heute nicht lange hin. Dass die Wirtschaft so radikal runtergefahren wird, ist der Generation Party nur dort nicht egal, wo das schlecht für die Party ist.

Generation Party

Ein Satz im Jugendslang ist schon lange nicht mehr aktuell, obwohl er mit einer kleinen Änderung gut in die Gegenwart passen würde. Betraten vor Jahren Mittelalte Lokale der Youngsters, hieß es, jetzt kommen die hier schon zum Sterben her. Heute würde passen: Die können doch zum Sterben dort hin gehen, wo sie unsere Party nicht stören.

Aktuell sterben Alte, weil ihnen Corona bei den Krankheiten, die sie ohnehin schon haben, den Rest gibt. Es sterben auch Junge, wenn sie ebenfalls mit Erkrankungen vorbelastet sind. Das Reden darüber, mit welchen schweren Spätfolgen wie viele zu tun haben werden, die diesen Coronavirus überstehen, hat noch nicht richtig begonnen.

Wie lange die Westregierungen ihren Quarantänekurs beibehalten können, hängt weder vom Zustand der Wirtschaft ab noch von der Zahl der Corona zugerechneten Toten, sondern davon, wie lange die Generation Party das noch (teilweise) mitmacht. Wenn die Regierungen auf Isolierung der sogenannten Risikogruppen Alte und Co umschwenken und für alle anderen die Party wieder frei geben, können sie alle Einschränkungen von Recht und Freiheit, die es nun gibt, für andere Zwecke benutzen. Was „wg. Corona” installiert wurde, kann nahtlos „wg. Klima”, „wg. Sozial”, „wg. Migration” und so weiter und so weiter genutzt werden.

„wg. Corona” passt für wg. Fälle

Dann muss auch niemand mehr über die Tatsache reden, dass es sich bei der Krise um keine des Virus Sars-CoV-2 und keine der Krankheit Covid-19 handelt, sondern um eine Politikkrise des ganzen Westens: wie beim Euro, der Massenmigration und der verrottenden Infrastruktur. Im kindischen Verlass auf permanentes Schönwetter, bei dem alles immer so bleibt, wie es doch war, als Generation Party von ihren Eltern und Lehrern dahin verwöhnt und verhätschelt wurden, wo sie nun mental ist.

Die Classe Politique des Westens hat es versäumt, die Gesundheitseinrichtungen personell und materiell so auszustatten, dass sie jederzeit in Kürzestzeit auf die Kapazität von Epidemien und Pandemien hochgefahren werden können, die alle aus der älteren und jüngeren Vergangenheit kannten und kennen mussten.

Wäre für diese Kapazitäten gesorgt worden, würde heute mit den jetzt dem Virus  zugerechneten Toten so umgegangen wie mit Sterbenden auch sonst. In den Schlagzeilen der Massenmedien käme das Thema gar nicht vor. Erst weiter hinten in den Nachrichten würde eine dieses Jahr besonders hohe Zahl an Erkrankten und Toten vermeldet.

Nichtvorsorger als Krisenmanager

Diese Vorsorge haben die Verantwortlichen überall im Westen nicht getroffen, sondern ignoriert. Der polit-mediale Komplex sorgt bisher weitgehend dafür, dass die Verantwortlichen nicht als Verantwortliche dastehen, sondern als Krisenmanager, denen man vertraut. Das ist unübersehbar, schaut man auf die demoskopisch steigenden Zustimmungszahlen für Merkel und Trump, die in den europäischen Medien doch als die Gute und der Böse dargestellt werden, offensichtlich aber von der selben Sorte Obrigkeitsgläubigkeit profitieren.

Trump sagte vor kurzem: „we cannot let the cure be worse than the problem itself.” Wie konsequent der amerikanische Präsident danach handeln wird und kann, wird sich zeigen. Dass alle auf diesen Kurs müssen, ist eine Überlebensfrage in allen Ländern. Wie die alten Nationalstaaten jeder für sich ihren Weg gehen, planen ihre Regierungen längst, wenige mit offenem Visier ihren Bürgern gegenüber – wie in Österreich – , die meisten autoritär – im Westen nicht minder als in Asien und Afrika.

Irgendwann ist die Pandemie Alltag und irgendwann vorbei, weil der neue Virus zwar nicht fort ist, es aber Impfungen und Medikamente gibt. Was dann nicht vorbei ist, sind die politisch-kulturellen Risiken und Nebenwirkungen.

Nach Corona wird es nicht sein wie 2019, sondern wie 1989, 1949 und 1919. Die alte Ordnung hat versagt, eine neue ist gefragt.

Dämmern wird das den meisten nur langsam und der Generation Party quer liegen wie eine Gräte. Aber das Dasein bestimmt das Sein – nicht umgekehrt.

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