Tichys Einblick
Perspektive

Die Grünen als Rote allein zuhaus‘

Die veröffentlichte Meinung erschöpft sich wie üblich in der Betrachtung der Benutzeroberfläche: bis zur Hessenwahl unvermeidlich und danach bis zum CDU-Parteitag. In der Festplatte darunter sind tektonische Verschiebungen im Gange. In Europa zu beiden Seiten des Antlantiks.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Konrad Adenauer sagte mal zu Spitzenpolitikern der SPD: Warum wollen Sie denn in die Bundesregierung? Sie haben doch die großen Städte. Dass die SPD dort stark war, lag daran, dass in und um die Städte die Arbeiterschaft, bald Arbeiter und Angestellte, in Massen arbeiteten und lebten. Im Verlauf der Jahrzehnte verlor die SPD die Städte parallel zum Rückgang der Arbeiterzahlen durch die Automatisierung der Industrie. Weil Heiner Geißler den Kanzlerwahlverein in eine gut organisierte Partei verwandelte, gewann diese auch Boden in der Facharbeiterschaft.

Mittlerweile etablieren sich die Grünen perspektivisch in den größeren Städten und ersetzen im Westen die SPD Stück für Stück ganz. Für viele, nicht nur junge Leute, sind die Grünen die urbanen Bürgerlichen, die zu den gut bis hoch Verdienenden zählen, denen es materiell an nichts mangelt. Don Alphonso wies darauf im noch nicht abgeschlossenen Auszählverfahren in Bayern hin. Die Grünen in den urbanen städtischen Zonen, die Nichtgrünen in den urbanen ländlichen – denn wirkliches Land gibt es ja nur noch in eher zufällig übrig gebliebenen Reservaten der Natur, von denen nicht nur Grüne nicht wissen, dass es sich um Kulturlandschaften handelt.

— Don Alphonso (@_donalphonso) October 14, 2018

Parteipolitisch und nach alten Lagermustern haben die Grünen zusammen mit den anderen in ihrem Lager nicht gewonnen, sondern leicht verloren.

Die politische Richtungsrechnung für Bayern in Prozentpunkten sieht bei Lichte so aus: 61,5 gegen 33,0. 61,5 als Summe von CSU, FW, AfD und der kleineren Hälfte der FDP. 33,0 die Summe von Grüne, SPD, Linke und der größeren Hälfte der FDP. Diese Parteien- und Lagerbetrachtung alter Art wird noch eine Weile mental und medial eine Rolle spielen. Auch wenn sie im Kern überholt ist.

Die Zahlen in Bayern signalisieren die Umschichtung der Anhänger der SPD im Westen zu den Grünen. Die SPD im roten Berlin von 27 Prozentpunkten Ende 2014 auf nun demoskopisch 16, die Linke damals bei 13 und nun 22: das signalisiert die Umschichtung der Anhänger der SPD im Osten zur Linken. Der gemeinsame Nenner ist die Auflösung der SPD durch Umschichtung zu den Grünen und zur Linken.

Heute rief wieder mal ein alter Bekannter an, der in der DDR keine unprominente Rolle gespielt hat. Er teilt meine Beobachtung und konstatiert kühl: Die Grünen glauben, sie werden jetzt die neue Partei, die immer recht hat, dabei wickeln sie nur die alte SPD ab. Abbruchunternehmen sind – auf Zeit – auch ein gutes Geschäft. Meinte er noch, er wüsste es aus der Zeit nach 1990.

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