Dass von den üblichen Lautsprechern der EU auch nach dem B(rexit)-Day nichts anderes zu hören ist als bisher, wundert niemanden, der den Ungeist der Brüsseler Käseglocke kennt. Völlig gleichgültig, welche ihrer Pläne schief gehen, machen die Funktionäre der Nichtregierungs-Organisation EU ihren nächsten Plan, der auch nichts wird.
Manfred Weber, CSU, zählt nicht zu den politischen Leuchten, weshalb sein Wort nach dem B-Day unabsichtlich ehrlicher ausfällt im Unterschied zu denen, die sich für die Strippenzieher halten: „Wenn der Brexit gefühlt ein Erfolg wird, ist er der Anfang vom Ende der EU.“ Der Mann hat recht. Nicht mit dem, was er daraus folgert, sondern mit dem weiteren Gang der Dinge in der EU und ganz Europa.
Boris Johnson beginnt nun eine Politik des United Kingdom, bei der jeder einzelne Erfolg zugleich eine Niederlage der EU ist. Weil jeder UK-Erfolg den Irrweg einer EU sichtbar machen wird, die immer weiter auf immer mehr Zentralmacht und immer weniger Freiheit der Bürger der bisher verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten aus ist – also auf das, dessentwegen das UK ausgetreten ist. Aus der Sackgasse einer solchen EU führen nur zwei Wege hinaus: individueller Austritt oder gemeinsame Umkehr.
Kaum war B-Day, fängt der Spiegel an, über den Weg dahin anders zu schreiben, viele werden ihm folgen, Meinungsnomaden gab es unter Journalisten, Politikern, Managern und anderen Angehörigen der Classe Politique schon immer zuhauf. Im nachhinein nennt der Spiegel den Non-Brexit eine Illusion, der die EU bis zuletzt nachhing: „Wenn man gegenüber den Briten nur hart und kompromisslos und einig bliebe, dann – wer weiß – ließe sich der ganze Brexit vielleicht doch noch rückgängig machen.”
Zum weiteren Gang der Dinge fragt Jörg Schindler im Spiegel: „Wird Johnson, all seinen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, die enge Anbindung an die EU suchen? Oder den Lockrufen des anderen großen Blonden jenseits des Atlantiks folgen?”
Weder noch, Herr Schindler. Boris Johnson hat Großbritannien nicht aus der EU geführt, um die Unfreiheit des Miglieds gegen die Unfreiheit des Assoziierten (wie der Schweiz) einzutauschen: fast alle Pflichten und keine Rechte. Und im Gegensatz zu Macron, Merkel und ihren Vasallen tritt Johnson dem „anderen großen Blonden” Trump auf Augenhöhe gegenüber: Ihre gemeinsamen Interessen – persönlich wie für ihr Land – sind viel größer, als sie mit einer EU, wie sie heute ist, je sein könnten.
Dass die EU ihren Kurs ändern muss, kann nach dem Brexit und seinen direkten wie indirekten Folgen nur noch der Unaufmerksame leugnen: In Verbindung mit den unübersehbaren Zeichen des Zeitgeistwechsels in den USA (mit und ohne Trump) und den nicht überschaubaren aktuellen Entwicklungen in China nach der Virus-Katastrophe, die politisch lange nachhallen dürfte, wird der Kurswechsel in der EU nur noch unausweichlicher.
Die dem EU-Slogan von der ever-closer-union nicht folgenden Politiker in den 27 Nationalstaaten werden stetig mehr und bewegen sich bisher im abgestuften Spektrum zwischen dem kriegerischen Viktor Orbán und dem diplomatischen Sebastian Kurz, was die folgenden Tweets illustrieren. Jede Erfolgsmeldung für Boris Johnson wird ein neuer Ansporn – nicht nur für die beiden.