Tichys Einblick
Ramelow zu BSW: "Oligarchie oder Kalifat?"

Das BSW Spielmacher im Osten?

Bodo Ramelow in der Rolle des Demokratie-Lehrers merkt nicht, wie er sich selbst lächerlich macht. Ist der Berufspolitiker lange genug Berufspolitiker, sieht er von seiner Berufswolke herab keine Erde mehr. Er hat nur Angst um seinen Wolkenplatz. Das BSW Spielmacher im Osten?

dts

Dass er Thüringens Ministerpräsident nur entgegen demokratischer Grundprinzipien ist, weiß Bodo Ramelow, Die Linke, offenkundig nicht. Er wirft dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vor, mit demokratischen Grundprinzipien zu brechen. „Mit der auf eine Person zugespitzten Organisation wird die Parteiendemokratie ad absurdum geführt“, sagte Ramelow im „Stern“. Der BSW-Landesverband Thüringen dürfe keine Mitglieder aufnehmen, aber eine Liste einreichen.

„40 Mitglieder entscheiden, bestimmen und wählen“, sagte Ramelow. „Und alle anderen aus dem Wartestand können später dann mal ihre Mitgliedsrechte ausüben, wenn es nichts mehr zu verteilen gibt.“ Ramelow weiter: „Hier öffnet sich eine Organisation, die das Parteien-Privileg in Anspruch nimmt, gezielt nicht für ihre Anhänger.“ Entschieden werde „wie früher“ zentral in Berlin. In Richtung von Wagenknecht, die einst die Linke-Fraktion im Bundestag führte, fragte er: „Ist das eine Oligarchie oder gar ein Kalifat?“

In Wahrheit spricht aus Ramelow nichts als die nackte Angst. Denn wird er als nächster Ministerpräsident Thüringens nicht gewählt, sondern ein anderer, steht keine Angela Kalifa Merkel wie im Februar 2020 bereit, die von irgendwo in der Welt aus diktiert, das müsse „unverzüglich rückgängig gemacht werden“.

Das BSW ist demoskopisch in einigen ostdeutschen Bundesländern zum Wahlfaktor geworden. Ramelow ist Spitzenkandidat der SED-PDS-Die Linke zur Landtagswahl in Thüringen am 1. September. Die designierte BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf war bis 2012 Mitglied seiner Landtagsfraktion und amtierte danach für Die Linke als Oberbürgermeisterin von Eisenach. CDU und AfD hätten demoskopisch zusammen 50 Prozent. Von der Merkel’schen „Brandmauer“ ist genug übrig, um diese Mehrheit nicht zur Wirkung kommen zu lassen. Aber CDU und BSW können einen CDU-Mann zum Ministerpräsidenten machen, weil im geheimen Wahlgang niemand beweisen kann, wer die den beiden Fraktionen fehlenden Stimmen zur Mehrheit lieferte.

Zur Erinnerung: Damals im Februar 2020

Kalifa (Ramelow-Sprech) Angela Dorothea Merkel diktierte 2020, als in Thüringen in einem korrekten Wahlvorgang FDP-Bewerber Thomas L. Kemmerich gewählt war, am Tag danach aus dem Ausland:

„Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies absehbar war in der Konstellation, wie im dritten Wahlgang gewählt wurde, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb auch das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden muss.“

Anders als 2020 steht 2024 niemand bereit, der die Rolle der Kalifa übernehmen könnte. SPD und Grüne kämpfen im Osten um ihre eigene parlamentarische Existenz und die CDU würde sich in Thüringen und anderswo selbst versenken, machte sie von der Möglichkeit des BSW als Tarnkappe für das Umgehen der „Brandmauer“ nicht Gebrauch.

Wie es in anderen Ostländern aussieht

Am 9. Juni sind EU-Wahlen, am 1. September Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, am 22. September in Brandenburg. 2026 werden die Landtage in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Dass die EU-Wahlen in allen EU-Staaten im Bewusstsein der Wähler keine Europawahlen sind, sondern Probeabstimmungen für echte nationale Wahlen, scheinen alle zu wissen außer Parteien und Berufspolitikern.

Für Mecklenburg-Vorpommern gibt es das aktuellste Demoskometer sowohl für den Landtag …

… als auch für die Bundestagswahl:

Hier zeichnet sich das BSW als Schuhlöffel für CDU und SPD ab. Es sei denn, Schwarz-Rot-Grün fände zusammen. Bis zur Landtagswahl ist hier aber noch so viel Zeit, dass viel passieren kann. Aber mit dem BSW als Spielmacher muss gerechnet werden.

Das letzte Demoskometer für Sachsen vom März zeigt, dass dort das gleiche Spiel wie oben für Thüringen geschildert möglich ist.

In Brandenburg gleicht das Szenario dem Mecklenburg-Vorpommerns: das BSW als Schuhlöffel für CDU und SPD oder Rot-Schwarz-Grün.

Das derzeitige Bild in Sachsen-Anhalt gleicht dem in Sachsen und Thüringen. Auch hier könnte das BSW Spielmacher werden.

Nach der Bundestagswahl gibt es von heute aus gesehen keine Mehrheit für die Ampel, keine für eine Schwampel, keine für Schwarz-Rot, aber Schwarz-Rot kann sich aussuchen, ob sie die Grünen oder das BSW ins Boot holt. Selbst im Bund kann das BSW Spielmacher statt Grüne und FDP werden.

Das Demoskometer zur deutschen EU-Wahl bildet die Parteienlandschaft genauer ab als die Sonntagsfrage zur Bundestagswahl, weil die Befragten hier nicht in deutschen Koalitionen denken (müssen). Diese Momentaufnahme halte ich für ein Abbild der „sicheren“ Wähleranteile unter denen, die überhaupt wählen. Würden Wahlergebnisse in der real existierenden Berliner Republik über die politische Richtung entscheiden, wären die Grünen nicht maßgebend für die Richtung.

Aber das Szenario wäre natürlich sträflich unvollständig ohne die tatsächlich spielentscheidende Frage: Geht die große Transformation der woken Globale auch ohne Grüne in der Regierung weiter, weil nicht Parlamente die Richtung bestimmen, sondern der polit-mediale Komplex?

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