Tichys Einblick
GBUREKS GELDWOCHE: DIESMAL ÜBER ANLAGERISIKEN UND ANLAGECHANCEN

Geld in falschen Händen und die Suche nach dem nächsten Hype

Aus der Reihenfolge in der Hauptüberschrift mögen Sie entnehmen, dass ich den Risiken mehr Gewicht beimesse als den Chancen. Das ist aktuell tatsächlich der Fall. Doch wie wir sehen werden, besteht zwischen beiden eine enge Beziehung, die am Ende doch noch zu Ihrem finanziellen Vorteil gereichen kann.

Nach einer im März veröffentlichten Studie der Verbraucherzentralen besitzen 77 Prozent der befragten ratsuchenden Anleger ein Konto mit Einlagenlaufzeiten bis zu einem Jahr. Schon danach rangieren mit 45 Prozent die Besitzer von traditionellen, fast ausschließlich auf Geldwerten basierenden privaten Renten- und Kapitalversicherungen. Dahinter kommen abgeschlagen die Eigentümer von selbst genutzten Immobilien, von Bausparverträgen, fondsgebundenen Renten- und Kapitalversicherungen sowie von Aktienfonds und Aktien – bis auf Immobilieneigentümer und bis auf direkte Aktionäre also Anleger in kollektiven Sparformen.




Neun von zehn Befragten geben auf die Frage nach der Funktionsweise von Finanzprodukten und nach ihren sonstigen Produktkenntnissen an, von Lebensversicherungen, Fonds festverzinslichen Wertpapieren und Aktien keine Ahnung zu haben. Das heißt, ein Großteil der Deutschen investiert Geld offenbar in eine Art Blindpool. Das ist die Erkenntnis daraus, dass sie ihr Geld ahnungslos komplexen Produkten anvertrauen, mit denen einiges schief gehen kann: Weil die Produkte zu teuer sind, weil sie die Flexibilität der Anleger einengen und weil sie Risiken bergen, die von Anlegern erst im Nachhinein erkannt werden können.

Finanzprodukte mit schlimmen Konstruktionsfehlern

Teuer und wenig flexibel, das trifft – einschließlich der jeweiligen Riester-Renten-Varianten – in erster Linie auf Kapital- und fondsgebundene Lebensversicherungen zu, immer häufiger auch auf Fonds. Für Anbieter rechnen sich diese Produkte von Beginn an, für Anleger nur mit einigem Glück, und das erst später. Der Konstruktionsfehler der Produkte besteht darin, dass Anbieter die Risikostreuung – oder treffender: was sie dafür vorgeben – bereits in sie einbauen; nur merken Anleger das nicht sofort. Vier klassische Beispiele: Fonds, fondsgebundene Lebensversicherungen, fondsbasierte Vermögensverwaltungen und komplexe Zertifikate.

Es kann einfach keine Finanzprodukte mit allumfassender Risikostreuung und passend für alle Anleger geben. Sie mögen in den Köpfen einiger Theoretiker existieren, in der Realität sucht man sie vergebens. Jeder vernünftige Anleger geht für sich bestimmte individuelle Geldrisiken ein und versucht mit Finanzprodukten mehr oder weniger methodisch oder einfach nur auf dem geraden Weg über das Bauchgefühl dagegenzuhalten: mit Haftpflichtversicherungen gegen selbst verursachte Unfälle aller Art, mit ausreichend Geld auf dem Konto gegen die Privatinsolvenz, mit Stoploss-Aufträgen gegen einbrechende Aktienkurse oder mit dem rechtzeitigen Vermögensaufbau gegen die Altersarmut.

Die wahre Risikostreuung

Hinter der Risikostreuung steckt indes noch viel mehr. Nehmen wir das Beispiel von der selbst genutzten Immobilie: Für deren Eigentümer bedeutet sie in der Regel ein Klumpenrisiko – es sei denn, der Wert des sonstigen Vermögens ist mindestens ebenso hoch. Oder das Beispiel eines Aktiendepots: Hier geht es um die Streuung von Aktien aus verschiedenen Branchen, Ländern und Währungsräumen, um Dividenden- und/oder Wachstumsaktien, nicht zu vergessen das richtige Timing, dessen Beherrschung ein ganz wesentlicher Faktor zur Begrenzung des Risikos ist.
Womit wir beim Know-how in puncto Finanzen wären. Das richtige Timing ist ja nicht allein im Hinblick auf Erfolge mit Aktien wichtig, sondern beispielsweise auch für die Altersvorsorge: Wenn es gilt, das angesparte Vermögen mit zunehmendem Alter in immer ruhigere Bahnen zu lenken, statt mit ihm zu spekulieren. Dann heißt es: Dividenden- statt Wachstumsaktien, Telekom statt Xing, Münchener Rück statt Rocket Internet. Know-how bedeutet mehr als Sachwissen, das man sich zwar so früh wie möglich in der Praxis aneignen sollte, das aber nur einen von mehreren wichtigen Teilbeiträgen zur Begrenzung des Anlagerisikos leistet.

Das ganz persönliche Risiko definieren!

Es gibt ja noch andere wichtige Teile, bestehend aus Aktivitäten: Finanzen planen, Steuern minimieren, soviel wie möglich in die Breite und in die Tiefe recherchieren, mit allem rechnen, Gefühle wie Gier und Angst bei der Geldanlage soweit wie möglich ausschalten, gravierende Entscheidungen vor dem Ausführen überschlafen, Prognosen und Tipps anderer bestenfalls als Anregung zu eigenen Gedanken wahrnehmen und private Kredite höchstens zur Finanzierung vermieteter Immobilien aufnehmen.

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Akribie Fondsmanager, Analysten, Professoren und ihre Studenten mit Formeln zur angeblichen Messung der Anlagerisiken jonglieren. Dann ist schnell von Alpha und Beta, von impliziter Volatilität und Asset Allocation, Rating und Sharpe Ratio die Rede. Irgendwo dazwischen schwebt das Risiko als Kennzahl, mit der kein Anleger, auch kein institutioneller, wirklich etwas anfangen kann. Offenbar leben die Theoretiker gedanklich in einer eigenen Zahlenwelt, die mit der Realität, falls überhaupt, nur am Rande zu tun hat. Für private Anleger Grund genug, sich voll darauf zu konzentrieren, ihr ganz persönliches Risiko zu definieren und das Jonglieren mit Zahlen zur vermeintlichen Berechnung von Risiken anderen zu überlassen. Bis hierher handelt es sich um einen Auszug aus meinem neuen Ebook „Von der Kunst finanziell zu überleben“. Details finden Sie über den folgenden Link: https://www.epubli.de/shop/buch/45597

Deutsche kontra Mallorca-Immobilien

Doch nun zum Schwerpunkt Chancen. Sie bestehen im Wesentlichen darin, preiswert zu kaufen und teuer zu verkaufen. Also ähnlich vorzugehen wie Unternehmer oder Spekulanten. Aber was heißt preiswert, was heißt teuer? Ein einfaches Beispiel: Mitte der 90er Jahre hatte der Hype um Immobilien in den neuen Bundesländern einschließlich West-Berlin den Höhepunkt erreicht, und die Krise am Immobilienmarkt auf Mallorca war allseits erkennbar. Der Hype resultierte aus Sonderabschreibungen, die sogar die Preise von Schrottimmobilien nach oben trieben, während die Krise auf der Mittelmeerinsel einer Mischung aus politischen Wirren, Fehlplanungen, korrupter Bürokratie, nachlassendem Interesse potenzieller Käufer aus den wichtigsten Nachfrageländern Deutschland und Großbritannien sowie der Tatsache zuzuschreiben war, dass die damalige schwache spanische Währung Peseta Erwartungen nährte, durch ihren weiteren Verfall würden Immobilien noch preiswerter zu haben sein.

Eine einzige Besichtigungstour durch Berlin oder Leipzig einerseits und durch mallorquinische Villenviertel mit „se vende“-Schildern (sinngemäß: zu verkaufen) andererseits hätte genügt, um antizyklisch denkende Anleger zum Verkauf ihrer Ost-Immobilien und zum Kauf einer Villa auf der Lieblingsinsel der Deutschen zu animieren. Und heute? Fast schon wieder neuer Hype im Osten (wie auch im Westen), während nach der spanischen Wahl vom Sonntag erst einmal Abwarten und Beobachten angesagt ist. Zumal es jetzt darauf ankommt, in welchem Umfang spanische Steuergesetze weiterhin zulasten von Nicht-Spaniern gehen werden. Jedenfalls befinden sich derzeit genug Kaufinteressenten in den Startlöchern, vor allem aus konjunkturell begünstigten Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Schweden und erst recht aus der Schweiz wegen Null- und Negativzinsen.

Aktien kontra Gold und Silber

Wer es mit dem weniger großen Geldbeutel hält, ist gut beraten, die Aktienkurse und erst recht die Preise von Gold und Silber zu verfolgen. Denn zum einen stoßen Aktien immer mehr an ihre Obergrenzen; zum anderen bilden Gold und Silber einen Boden, aus dem sie umso kräftiger in die Höhe zu schießen versprechen, je länger sie auf dem Boden verharren. Anlagestrategen streiten darüber, ob Aktien den beiden Edelmetallen die Schau stehlen, weil sie nicht allein Substanz, sondern auch Ertrag verkörpern. Ich sehe das ganz nüchtern: Es gibt Zeiten mit positiver Korrelation, wie von 2009 bis 2011, und es gibt Zeiten mit negativer Korrelation, wie von 2011 bis heute. In den vergangenen Jahrzehnten war es ebenfalls mal so und mal so. Darin kann man keine allgemein gültige Gesetzmäßigkeit erkennen.

Der interessanteste aktuelle Aspekt besteht nicht aus einem konstruierten Gegensatz zwischen Aktien und Edelmetallen, sondern aus der Gewichtung der Argumente: Man kauft Aktien mit den Zielen Substanz und Ertrag; darin spiegeln sich Erwartungen wider, die mal in die eine, mal in die andere Richtung gehen. Je höher die Kurse steigen, desto mehr werden Substanz und Ertrag überbewertet. Von welchem Punkt an, wird erst deutlich, nachdem die Kurse kräftig gefallen sind. Dagegen werden Gold und Silber allein mit dem Ziel Substanz gekauft. Aber warum, wenn damit doch kein Ertrag verbunden ist? Ganz einfach, weil es sich primär um eine Spekulation auf die abnehmende Kaufkraft dessen handelt, was man gemeinhin als Papiergeld bezeichnet. Dann kommt es weniger bis gar nicht auf die Höhe des Ertrags an, der ja unter dem Papiergeldschwund mitleidet, sondern auf die Geschwindigkeit, mit der das Papiergeld durch Inflation an Wert einbüßt. Fazit: Wir steuern geradewegs auf eine solche Konstellation zu. Sie spricht in erster Linie für Gold und Silber.




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