Wie gewonnen, so zerronnen: Am vergangenen Donnerstag jubelten Börsianer über die Absicht der EZB, den Geldhahn immer weiter aufzudrehen, und schickten den Dax nach oben. Doch schon am Freitag waren die schönen Kursgewinne wieder dahin.
Dieses Beispiel verdeutlicht mehr als jede Fachsimpelei über Geldmengen und Nullzinsen, Inflationsraten und Aktienkurse, dass die EZB mit ihrer „Quantitative Easing“ genannten Politik am Ende ist. Die Folgen sind absehbar:
- Sparer müssen weiter zusehen, wie ihre laufenden Konten von Zinsschwindsucht befallen werden. Sie retten sich in Tagesgeldkonten von Direktbanken, etwa in die der Autokonzerne VW und Renault. Neuerdings ist sogar Opel dabei. Doch bereits nach kurzer Zeit müssen sie feststellen, dass konkurrierende Institute in der Tagesgeldzins-Hitparade nach oben rücken, und legen ihr Geld kurzfristig dort an. Das ist, auch in Anbetracht der jeweils auszufüllenden Formulare zur Kontoeröffnung, Stress pur.
- Wer eine Kapitallebensversicherung oder private Rentenversicherung besitzt, sollte bis auf Weiteres mit schrumpfenden Ablaufleistungen rechnen. Wenn es allein dabei bliebe! Aber nein, allein 2014 wurden Lebensversicherungen im Wert von annähernd 15 Milliarden Euro storniert. Und um einen lustig klingenden, wenngleich bitterernst zu nehmenden Spruch von Felix Hufeld zu zitieren, Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin: „Sollten die Zinsen weiter so niedrig bleiben, werden wir auch mehr Unternehmen in die aufsichtliche Manndeckung nehmen müssen.“ Das lässt nichts Gutes ahnen.
Mahnendes Beispiel: Lufthansa
- Pensionsrückstellungen der Unternehmen – sie gehören zum Fremdkapital – wachsen, weil sie niedriger abgezinst werden als in den vergangenen Jahren. Betroffen sind neben deutschen Konzernen auch viele Mittelständler. Besonders schlecht ergeht es der Lufthansa, die wegen der geplanten Kürzung der Altersvorsorge ihrer Angestellten seit vielen Monaten von Streiks geschüttelt wird.
- Wegen höherer Pensionsrückstellungen wird so mancher Dax- und MDax-Konzern gezwungen sein, das Eigenkapital zu erhöhen, um die Relation von Eigen- und Fremdkapital aufrecht zu erhalten. Bleibt die Kapitalerhöhung aus, hagelt es schlechtere Noten von Ratingagenturen, was die Aufnahme neuen Kapitals arg verteuern kann. Besonders hart betroffen werden manche Mittelständler sein, die sich dem Thema noch gar nicht richtig genähert haben.
- Kapitalerhöhungen werden an der Börse üblicherweise mit Kursrückgängen quittiert, weil es auf einmal mehr Aktien gibt. Dieser Effekt führt nicht nur zur allgemeinen Verstimmung, sondern für viele Manager von Aktienfonds auch zur Erkenntnis, dass es höchste Zeit wird, die in den vergangenen Jahren aufgelaufenen Kursgewinne zu realisieren. Dann dürfte mit der vermeintlichen Alternativlosigkeit von Aktien erst einmal Schluss sein.
Von Mondpreisen und Kleinkrediten
- Unternehmensanleihen, die höhere Zinsen abzuwerfen versprechen als etwa Bundesanleihen oder Pfandbriefe und deshalb gerade einen Sonderboom erleben, bergen zunehmend ein Ausfallrisiko. Die Bewertung durch Ratingagenturen ist in diesem Anleihensektor naturgemäß nur schwach ausgeprägt.
- Immobilien wechseln ihre Eigentümer immer häufiger zu Mondpreisen, weil Käufer sie wegen des niedrigen Kreditzinsniveaus hoch fremdfinanzieren und mit der Fortsetzung des Sonderbooms im Wohnungsbau rechnen. Spätestens bei der nächsten Umschuldung wird es für solcher Käufer finanziell eng; schlimmstenfalls droht sogar die Privatinsolvenz einschließlich Zwangsversteigerung.
- Das scheinbar lukrative Zinsniveau verführt potenzielle Schuldner, die knapp bei Kasse sind, zur Aufnahme von Kleinkrediten. Davon profitieren unter dem Strich vor allem die darauf spezialisierten Institute, wie die Targo-Bank oder die vor Kurzem in den SDax aufgenommene Fintech-Spezialistin Ferratum. Läuft bei den Schuldnern finanziell zu viel schief, meldet sich ein Inkassobüro, um das geschuldete Geld einzutreiben.
Gift für deutsche Aktienkurse
- Das hier beschriebene Szenario lässt sich natürlich noch erweitern. Zum Beispiel um eine wichtige globale Komponente: Die chinesische Zentralbank senkte ihren Leitzins seit Ende 2014 nicht weniger als fünf Mal, und Chinas Währung Yuan fiel in dieser Zeit entsprechend gegenüber Dollar und Euro, wenn auch nicht so tief wie Japans Yen. Eine Folge ist, dass die amerikanische Zentralbank Fed wohl vom ursprünglichen Vorhaben Abstand nimmt, ihren Leitzins schon in Kürze zu erhöhen.
- Eine andere Folge ist aus deutscher Sicht viel ernster zu nehmen: Die Yuan-Abwertung einschließlich der japanischen Harakiri-Geldpolitik nützt chinesischen einschließlich japanischen Exporteuren und schadet den deutschen. Das ist zusätzliches Gift für die hiesigen Aktienkurse. Dem ersten Börsenschock vom August, als die Verhältnisse in China massive Kursstürze in Europa, aber auch in Amerika auslösten, dürfte sich also bald der nächste anschließen.
- Und die Folgen für private Anleger? Thomas Mayer, Vordenker der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, hat dazu vor einigen Monaten einen bemerkenswerten Satz geprägt: „Das Ende unserer Papierwährungen ist nur noch eine Finanzkrise entfernt.“ Zieht man ein paar Fakten heran, leuchtet Mayers Argument ein: Anleihen, sprich Schulden bzw. Papiergeld, machen weltweit etwa 140 Billionen Dollar aus, Aktien zirka 60 Billionen Dollar. Dagegen kommen private und offizielle Goldreserven, d.h. die Antipoden der Papierwährungen, zusammen nur auf rund 2,4 Billionen Dollar. Sobald die nächste Finanzkrise droht, ist folglich neben einer auf die persönlichen Anlageziele abgestimmten Vermögensstreuung ein dicker Batzen Gold in Form von Anlagemünzen und Barren nicht zu verachten.