Deutsche Banken und Sparkassen einschließlich ihrer Sparer dürften in absehbarer Zukunft von einem internationalen Quintett drangsaliert werden – kein gutes Omen für die Überlebenschancen der gerade erst in Kraft getretenen neuen Einlagensicherung.
Bei all dem öffentlichkeitswirksamen Wirbel um Griechenland ist fast in Vergessenheit geraten, dass Europa sich am 3. Juli der Transferunion ein erhebliches Stück genähert hat: mit dem an diesem Tag in Kraft getretenen Einlagensicherungsgesetz, kurz EinSiG. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin lobt es in höchsten Tönen, wie „die maximale Harmonisierung der europäischen Einlagensicherungssysteme, die Stärkung des Vertrauens der Einleger in deren Leistungsfähigkeit und ein beschleunigtes und vereinfachtes Entschädigungsverfahren“.
Da staunt der Laie, doch der Fachmann wundert sich: Dem Gesetz zufolge, das im Übrigen für Sparer äußerst positiv ist, sollen alle Mitgliedsländer der EU verpflichtet werden, von Banken oder Sparkassen finanzierte Einlagensicherungsfonds einzurichten, damit Kundeneinlagen im Entschädigungsfall garantiert sind. Diese nationalen Fonds haben die Aufgabe, innerhalb von zehn Jahren 0,8 Prozent der in einem Land gesicherten Einlagen zu sammeln. Kurzum, es handelt sich nicht um die maximale, sondern erst um eine minimale Teilharmonisierung. Reicht sie? Um welche absoluten Beträge geht es überhaupt? Bricht ein solches Sicherungssystem nicht schon beim ersten Bankrun in sich zusammen? Sie reicht nicht, die absoluten Beträge stehen in den Sternen, und über den Zusammenbruch darf zumindest spekuliert werden.
Amis hetzen gegen Deutschland
Das EinSiG ist offenkundig nichts als ein Schritt in Richtung maximale Harmonisierung. Private Banken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken können mit ihm leben und haben sich schon entsprechend geäußert. Also kein Grund zur Aufregung? Von wegen, dafür wird Europa von einem viel zu ehrgeizigen Quintett drangsaliert, das zur eigenen Rechtfertigung fast schon im Wochentakt neue Ideen ausbrütet: Kommission, Rat, Eurogruppe, EZB und Parlament (über die richtige Reihenfolge kann man streiten). Und dieses Quintett hat bereits vorgeschlagen, die nationalen Einlagensicherungssysteme zu vergemeinschaften. Die Börsen-Zeitung kommentiert süffisant: „Die paar Milliarden, die deutsche Banken und Sparkassen aus den von ihren Kunden angesparten Geldern für die jeweiligen Feuerwehrfonds abgezweigt haben, wären in Hellas und andernorts ruck, zuck verfrühstückt.“
Nur Panikmache? Nochmals von wegen. Denn das Quintett weiß den Internationalen Währungsfonds (IWF) hinter sich, außerdem einige amerikanische Volkswirte, die jetzt im Zuge der Griechenland-Krise auf das Übelste gegen Deutschland hetzen. Worum es geht, wird am besten deutlich, wenn man zwei Jahre zurückgeht. Damals wandte sich die Bundesbank in ihrem Monatsbericht vehement gegen eine gemeinsame europäische Einlagensicherung. Diese hätte „einen redistributiven Charakter, was substanzielle finanz- und wirtschaftspolitische Eingriffs- und Kontrollrechte der europäischen Ebene und einen entsprechenden Souveränitätsverzicht der Mitgliedstaaten voraussetzt.“ Dagegen argumentierte der IWF, ohne vollständig vergemeinschaftete Risiken gebe es keine vollständige Entkopplung von Staats- und Bankenkrisen. Deshalb sei er für eine Bankenunion, zu der dann auch eine paneuropäische Einlagensicherung gehöre.
Werden sich die Zahlenfälscher durchsetzen?
Können wir uns also aus Anlass der durch das EinSiG entschärften Einlagensicherung in aller Ruhe zurücklehnen und alles Weitere auf uns zukommen lassen? Kaum vorstellbar. Denn was die erwähnte Entkopplung betrifft, droht erheblicher Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der gemeinsamen Einlagensicherung, weil es um Altlasten in den Bankbilanzen geht. Das läuft auf die entscheidende Frage hinaus: Sollen angeschlagene Banken erst unter dem nationalen Dach ihre Schularbeiten machen, indem sie Altlasten beseitigen, oder soll erst das paneuropäische Monster ins Leben gerufen werden, um solche Banken europaweit zu sanieren? Nach dem bisherigen Verhalten einiger europäischer Banken und Staaten zu urteilen, dürften die Zahlenfälscher unter ihnen eindeutig für die zweite Alternative plädieren.
Werden sie sich durchsetzen? Die Antwort hängt davon ab, ob die jetzt teilharmonisierte Einlagensicherung beim nächsten Banken-Problemfall erfolgreich oder erfolglos handeln wird. Gönnen wir ihr den Erfolg. Doch der ist alles andere als sicher. Womit wir auf Umwegen wieder in Griechenland gelandet sind. Dazu nur ein Satz, entnommen dem „Bild“-Interview mit Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret vom 1. Juni: „Die griechischen Banken hängen von der Lage der Staatsfinanzen ihres Landes ab.“ Nicht allein die griechischen. Und sobald der Problemfall eingetreten sein wird, dürften IWF & Co. erneut nach einer paneuropäischen Lösung rufen. Das EinSiG wird dann in Paneuropa aufgehen.
Ein Gesetz fast zu schön, um wahr zu sein
Noch einige Anmerkungen zu seinen Wohltaten: Spareinlagen, Tages- und Festgeld und vergleichbare Kundeneinlagen sind bis 100.000 Euro pro Person und Institut abgesichert, nach dem Verkauf einer privat genutzten Immobilie, nach Heirat, Scheidung, Renteneintritt, Ruhestand oder Kündigung sogar bis 500.000 Euro. Der Schutz gilt nun auch für Einlagen in Währungen aus Ländern, die nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum gehören. Vom 1. Juni 2016 an müssen Kunden von Banken und Sparkassen innerhalb von sieben Arbeitstagen entschädigt werden. Das soll grundsätzlich ohne Antrag möglich sein, es sei denn, es geht um Beträge über 100.000 Euro bzw. in den genannten Sonderfällen über 500.000 Euro. Kunden von Instituten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums mit Zweigstellen in Deutschland brauchen sich jetzt nicht mehr an ausländische Systeme der Einlagensicherung zu wenden, sondern erhalten ihr Geld von der deutschen Einlagensicherung. Banken und Sparkassen müssen Kunden bei der Kontoeröffnung und regelmäßig ein Mal jährlich über ihre Rechte aufklären.
Alles in allem: ein Gesetz fast zu schön, um wahr zu sein, aber wie beschrieben wahrscheinlich mit begrenzter Lebensdauer. Der Aufwand, den es für Banken und Sparkassen mit sich zu bringen droht, wird so wie immer in solchen Fällen abgegolten: Indem die Institute ihre zusätzlichen Kosten wieder hereinholen, indem sie bei den Gebühren erfinderisch werden, bei den Kreditzinsen kräftig zugreifen und/oder für die Einlagen ihrer Kunden einfach nur niedrigere Guthabenzinsen zahlen. Derzeit rollt ja schon wieder eine Zinswelle zulasten der Kunden durchs Land. Dennoch sollte sie diese nicht abschrecken, besonders beim Tagesgeld die genannten Beträge von 100.000 Euro bzw. in Sonderfällen 500.000 Euro auszuschöpfen. Und gleich noch eine Warnung: Die von Banken stark beworbenen Zertifikate, Aktienanleihen und ähnlichen Derivate sind von der Einlagensicherung nicht geschützte Bankanleihen. Geht die Bank, die sie emittiert hat, pleite, ist das Kundengeld verloren.