Tichys Einblick
Je toleranter, desto bumm. – Warum?!

Anonyme Zyniker

Wissenschaftstheorie lehrt uns, zwischen Korrelation und Kausalität zu unterscheiden. Wenn Gänse vorm Erdbeben nervös werden, heißt es nicht, dass die Nervosität der Gänse das Erdbeben ausgelöst hat.

Mein Name ist Dushan Wegner und ich bin Zyniker. Eher nicht im altehrwürdigen Sinne, wo der Zyniker ein bedürfnisloser Philosoph war, der angeblich Wein und Umgangsformen zugleich verachtete. Eher im neuen, modernen Sinn. Zynisch ist, sagt man, wer durch seinen Spott die Gefühle seiner Mitmenschen missachtet – oder zu missachten scheint. Liebe Beileidsprofis, ich verachte Ihre Heuchelei. Für jene also, die Ihnen Ihr Geschwafel abnehmen, sehe ich wie ein Zyniker aus, und das akzeptiere ich und widerspreche nicht.

Windsurfen

Mir geht es gut. Heute habe ich zwar wenig geschrieben (der perfekte Nordwest-Wind machte Windsurfen notwendig), aber insgesamt kommt mein neues Buch (ein Roman) gesund voran. Meine Tochter ist hervorragend in Powerpoint-Präsentationen (was wir früher »Referate« nannten), Chinesisch und Schwimmen, mein Sohn ist besonders gut in Mathe und Kunst (ganz der Papa, das waren meine Leistungsfächer). Meine Gattin Elisabeth berät mich und wird zu einer zweiten Gertrud Stein. Auch darin bin ich zu beneiden. Sagte ich, dass es mir gut geht? Zu tief gestapelt. Mein Leben ist traumhaft.

Realität

In Manchester wurden gestern über 20 Menschen, darunter Kinder, brutalst aus dem Leben gerissen. Sie wurden bei einem Konzert getötet, zu dem ich meine Kinder prinzipiell auch hingeschickt hätte. Ariana Grande? Warum nicht? Klar, früher hat sie doofe Sachen gesagt, aber, come on, relax. Diese Musik ist doch der Quatsch, zu dem meine Tochter mit ihren Freundinnen tanzt. – Nur erlaube ich mir und meinen Kindern schon lange nicht mehr, in »toleranten« Ländern solche Großveranstaltungen zu besuchen.

Es wird getrauert. Ich mache schon lange nicht mehr mit beim öffentlichen Beileidstheater. Ich habe nur noch Spott und Zynismus für die geheuchelten Beileidsbekundungen der PR-, Politik- und Presseprofis. Ich glaube Ihnen nicht. Sie setzen Stanzen ab, und tun doch nichts, um wirklich wirksam etwas am Problem zu ändern. Sie haben Angst vor Islamophobie. Ich habe Angst um die Zukunft meiner Kinder – und um die Zukunft aller Kinder Europas. Ich sorge mich morgens, mittags, abends und zu oft auch nachts um die Zukunft meiner Tochter und meines Sohnes. Politiker sorgen sich darum, ob die Banken ihre Politik auch »marktkonform« genug finden – und ob ideologische Presseprofis sie nicht vielleicht »islamophob« nennen könnten.

Bild: Kristian Nygård, http://www.facebook.com/Optipess

Man wirft den US-Republikanern vor, sie interessierten sich für Kinder nur, bis diese geboren sind. Der Embryo ist ihnen heilig. Ist das Kind aber erst auf der Welt, soll es schauen, wo es bleibt. Einem Kind auf die Beine zu helfen, würde nur das Schmarotzertum unterstützen.

Ich werfe manchem kinderlosen Zyniker in der Politik und mancher Leitmedien-Redaktion vor, sich für Kinder erst dann zu interessieren, wenn diese tot, verschleppt oder missbraucht sind. Dann gibt es die dicken Schlagzeilen und die ganz große Show. Kurz vor Weihnachten natürlich, Stichwort »Spenden«, interessieren sie sich auch für Kinder, wenn diese in fernen Ländern mit großen Augen und Bäuchen verhungern. Kindchenschema verkauft sich. Zu viel in Politik, Berichterstattung und TV-Programm lässt auf eine tiefsitzende Verachtung nicht-instrumentalisierbarer Kinder schließen. (Randnotiz: Wer Werbe-Geld vom Familienministerium annimmt und deren Werbung schaltet, könnte überprüfen, wie »unabhängig« und »ehrlich« er ist.)

Zynismus

Wissenschaftstheorie lehrt uns, zwischen Korrelation und Kausalität zu unterscheiden.

Wenn Gänse vorm Erdbeben nervös werden, heißt es nicht, dass die Nervosität der Gänse das Erdbeben ausgelöst hat.

Mir fällt eine andere Korrelation auf. Die Menge der Länder, die von Merkel und ihren medialen Apologeten wegen mangelnder Toleranz gerügt wurden, und die Menge der Länder, die immer wieder unter Terror und importierter Gewalt leiden, haben eine auffallend kleine Schnittmenge.

Oder, zynisch ausgedrückt: Je toleranter, desto bumm. – Warum?!

Was macht es Terroristen einfacher, in »toleranten« Staaten des Westens ihr Werk auszuführen? Was scheint sie gerade zu motivieren, in »toleranten« Staaten zu morden?

Kein Witzchen und kein Online-Trauer-Generator, den ich halbironisch erstelle, kann so zynisch sein wie der Zynismus jener Politiker, die ihre Augen vor Fakten und Zusammenhängen verschließen.

Ich operiere nur mit Worten. Und Sie dürfen mich einen Zyniker nennen. Ich werde jedoch, seien wir ehrlich, dem praktischen Zynismus von Merkel & Co. niemals das Wasser reichen können.

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