Noch steht es nicht fest, zu weit ist es hin bis zur Nationalratswahl und Bundestagswahl. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Sebastian Kurz in Österreich schaffen kann, was Martin Schulz in Deutschland von vielen Medien fast schon attestiert wird: den Regierungschef abzulösen.
DER STANDARD WOCHENENDE berichtet auf der Titelseite – „Umfrage: Kurz liegt in Kanzlerfrage deutlich vor Kern“. Eine aktuelle Umfrage von Peter Hajek für den privaten Fernsehsender ATV hat ergeben:„Die ÖVP unter Kurz erreicht 32 Prozent, die SPÖ unter Kern 26 Prozent.“ Und bei der fiktiven Direktwahl des Kanzlers liegt Kurz mit 34 vor Kern mit 27 Prozent.
Schulz ist kein neues Gesicht, auch wenn erstaunlich viele Journalisten das so hinstellen, er ist als politisches Gesicht älter als Merkel. Der österreichische Kanzler Kern von der SPÖ ist politisch ein jüngeres Gesicht als der an Lebensjahren wesentlich jüngere Außenminister von der ÖVP, Sebastian Kurz. Denn Kurz hat sehr früh angefangen in der Politik. Dass aber der gewesene Chef der Staatsbahn Kern sich aus den eingefahrenen Geleisen der österreichischen Sozialdemokraten löst, nimmt wohl niemand mehr an. Kurz hingegen steht für eine Reihe von Reformen, die seinem Land und auch dder EU gut täten. Kurz steht für eine Politikänderung nach vorne, Schulz für keine oder nach hinten.
Der gemeinhin „linksliberal“ (ich weiß immer weniger, was das sein soll) genannte STANDARD bringt ein ganzseitiges Interview mit FPÖ-Bundesobmann Strache – „Stellt die FPÖ den Kanzler, heißt dieser Strache“.
Dazu passt ein ebenfalls ganzseitiges Interview mit Norbert Hofer in Die Presse am Sonntag: „Kurz und Kern nicht gefährlich für FPÖ“. Was so pointiert in beiden Zeitungen gesagt werden muss, ist eben alles andere als sicher. Durch die Antworten schimmert, da baut sich eine „wirtschaftsliberale“ Alternative zum amtierenden Parteichef Strache auf. Hofers Besuch beim neuen Bundespräsidenten van der Bellen signalisierte in den TV-Bildern, die Gegenkandidaten können miteinander.
„Alles Schulz, oder was?“ fragt Die Presse auf ihrer Titelseite und beantwortet sie erfreulich nüchtern: „Im zwölften Jahr der Kanzlerschaft Merkels wächst offenbar die Sehnsucht nach Veränderung. Auch in den Redaktionsstuben. Jedenfalls befeuerten die deutschen Medien den Hype um Schulz bereitwillig: endlich wieder Aussicht auf eine spannende Bundestagswahl. Bis zum 24. September indes könnte sich der ohnehin kaum nachvollziebare Zauber, der dem Wahlkampfanfang des Martin Schulz innewohnt, verflüchtigt haben.“
Wohl gesprochen, finde ich. Sebastian Kurz trägt, Martin Schulz täuscht. Aber das ist selbstverständlich nur meine ganz persönliche Sicht.