Am Samstagmorgen telefonierte ich mit einem Freund, der gerade den Spiegel gekauft hatte und sich, was er bisher noch nie getan hatte, begeistert über die Titelgeschichte äußerte. Wenig später am Zeitschriftenkiosk an der Ecke – die Post mit dem Abo-Exemplar war mal wieder, wie so häufig Samstags, nicht gekommen –erfuhr ich, dass der Spiegel bereits ausverkauft sei. Die Verkäuferin erklärte verdutzt, dass ihr so etwas noch nie passiert sei. Ich finde, dies ist ein gutes Zeichen für alle großen Magazine.
Wenn die Chefredakteure sich mit Themen befassen, die die Leute wirklich interessieren und das Thema zudem noch in der Headline rüberbringen, finden sie offensichtlich auch heute noch eine breite Leserschaft. Insofern gelang Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer in dieser Woche ein Scoop, der sich auszahlt: Fußball interessiert jeden und über die Geheimabsprachen und versteckten Vereinbarungen möchten viele Fußballfans Genaueres erfahren.
Das SPIEGEL-Team um Rafael Buschmann schreibt im aktuellen Heft eine gut ausrecherchierte und unterhaltsame Geschichte. Dass Cristiano Ronaldo und Mesud Özil ihre Probleme mit dem Finanzamt haben, wurde bereits publik. Bisher ist nur der internationale Fußball im Visier. Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung, in der es über die Spielerberater, bizarre Vertragsklauseln und das Geschäft mit Talenten gehen soll. Dann wird auch die Bundesliga nicht mehr außen vorbleiben.
Über den Titel hinaus ist der aktuelle SPIEGEL gut lesbar und informativ. Die Meldung des Tages ist für mich, dass die Bundesregierung ein Auffanglager für Flüchtlinge in Tunesien einrichten lassen will. In jedem Fall ist eine solche Lösung besser, als dem Autokraten Erdogan Milliarden Euro in den Rachen zu schieben.
Im Interview „Die Leute wählen lieber Hoffnung“ mit Sven Böll und Michael Sauga erklärt der Wahlkampexperten Frank Stauss, warum er mit seiner Agentur Butter zwar den Wahlkampf für Hannelore Kraft in NRW führen wird, für den Bundestagswahlkampf mit seiner Truppe aber nicht zur Verfügung steht.
Keinen Gefallen haben sich Hans Magnus Enzensberger und Redaktion mit dem Nachruf „Kuh wie Kuba“ des Autor auf Fidel Castro getan. Nur weil Enzensberger 1968 nach eigenen Angaben ein Jahr lang mit Hilfsarbeiten und –jobs im kubanischen Verlagswesen und auf den Zuckerrohrfeldern gearbeitet hat, ist das noch kein Ausweis für literarische oder journalistische Qualität. Höhepunkt der überschätzten Bedeutung ist die Aussage: „Ich sage es in aller Bescheidenheit: Für uns beide war Kuba zu klein.“ Castro hatte 1971 ihm und anderen Schriftstellern „Hausverbot“ auf der Insel erteilt. Das Stück trieft vor Selbstmitleid und führt Plattitüden an. Verschmähte Liebe. Schade, dass die Redaktion nicht den eigenen Qualitäten vertraut. „Lasst Kondome fliegen“ von Jens Glüsing und „Sunny side up“ von Alexander Osang sind Lesestücke, die den Ereignissen auf Kuba sehr viel gerechter werden.
Vor einigen Tagen hatte mir ein Freund „Allein unter Amerikanern“ von Tuvia Tenebom geschenkt. Ich dachte, ich bin auf fast alles vorbereitet, was die Political Correctness in den USA betrifft. „Das PC-Monster“ von Philipp Oehmke zeigte mir, dass es offenbar immer noch eine Steigerung gibt. In den USA spürt man jetzt sogar in Theaterstücken Erregungspotenzial auf. So gibt es Feingeister, die durch jahrtausendealte Theaterstücke wie Sophokles‘ Antigone angeblich suizidgefährdet sein sollen und daher vor dem Besuch „trigger warnings“ erhalten wollen. So eröffnet sich ein ganz neues Betätigungsfeld für unsere allersensibelsten Mitbürger, die in Literatur, Filmen und vielleicht auch Bildern nach versteckten mikroaggressiven Elementen suchen. Bereits Geschädigte werden in „safe spaces“ wieder aufgebaut.
Am Schluss hilft nur noch eins: Jeder, jede, jedes …. erhält seinen, ihren … eigenen safe space, in dem selbst die kleinste Mikroaggression ausgeschlossen wird, weil man sich nur noch in seiner eigenen kleinen und für unbedenklich erachteten Welt bewegt.