Ja, die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Das wird keiner bestreiten wollen. Das hängt auch mit den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen zusammen, aber nicht nur. Ja, die Missbrauchsfälle sind schändlich. Jeder einzelne sexuelle Missbrauch ist schändlich, ganz gleich, von wem er begangen wird. Aber ist der Spiegel das Medium, um daran aufgehängt den Zustand der katholischen Kirche zu beschreiben? Nein. Das zeigt wieder einmal die Titelgeschichte „Das Schweigen der Hirten“. Martin Blasberg, Walter Mayr, Valentyna Polunina und Christoph Scheuermann schaffen es nicht, die der katholischen Kirche endemische Verflechtung von Glaube, Gehorsam, Organisation und Kirchenrecht zu entschlüsseln. Kirchenmänner haben sich mit ihrer Weihe bestimmten Regeln ihrer Organisation unterworfen. Das Opfer, das sie dadurch bringen, wird entgolten mit einem weitreichenden Schutz durch die eigene Gemeinschaft. Dazu kommen Misstrauen, Neid und Intrigen überall dort, wo es um Macht geht. Und im Vatikan und an den Bischofssitzen geht es genauso um Macht wie an der Spitze von Staaten, Unternehmen und Organisationen.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass das Papstbild vieler, vor allem solcher, die nicht Mitglied der katholischen Kirche sind, geprägt ist von idealisierenden Darstellungen wie im Spielfilm „In den Schuhen des Fischers“. Daraus wird dann ein moralisches Gerüst abgeleitet, das mit der Realität nicht zu tun hat.
Moralisierung, wie sie die Spiegel-Redaktion bei religiösen Themen ein ums andere Mal betreibt, ist das falsche Ansatz. Und: Wie glaubwürdig ist ein Nachrichtenmagazin, wenn es die Missbrauchsopfer zum emotionalen Instrument des eigenen Feldzugs macht? Wie glaubwürdig ist eine Berichterstattung, die nur so wimmelt von Floskeln wie: „Gut möglich, dass …“, „Getuschelt wird, …“, „Grummeln im Bauch“, „Noch verwirrender ist, …“?
Es ist gut, dass die Krise der katholischen Kirche von innen heraus auch als solche begriffen wird. Denn nur so sind Veränderungen möglich. Welche das sein werden? So desillusionierend die Erkenntnis sein mag: Der Wurm muss nicht der Spiegel-Redaktion schmecken.
Schauen wir aufs politische Geschehen. Der Causa Maaßen widmet die Redaktion sieben Seiten („Innere Unsicherheit“). Im Zentrum: Der Autoritätsverlust von Andreas Nahles. Wohl noch nie hat sich das Spitzenpersonal der SPD derart vorführen und über den Tisch ziehen lassen. Und die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass das Wochenend-Meeting im Kanzleramt das nicht heilen wird.
Wenn Andrea Nahles derart versagt und die SPD droht, bei den nächsten Wahlen hinter die AfD zurückzufallen, dann muss der immer mitteilsame Ex-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel im Spiegel die SPD-Fahne hochhalten. Gut, dass der gerade ein Buch veröffentlicht hat über die Rolle Deutschlands in der Weltpolitik und darüber mit Mathieu von Rohr und Britta Sandberg ein Spiegel-Gespräch führen durfte. Etwas verwirrend ist das Überschriftenzitat „Ihr habt uns 70 Jahre lang zu Peaceniks erzogen, und jetzt wundert Ihr euch“, das sich auf ein Gespräch Gabriels während seiner Zeit als Außenminister mit Ex-US-Außenminister Rex Tillerson bezieht.
Ein offener Schlagabtausch über die deutsche Parteienlandschaft ist das Interview „Warum müssen die Zufriedenen wählen gehen?“ zwischen Wahlforscher Matthias Jung und den Redakteuren René Pfister und Markus Feldenkirchen.
Der Aufmacher der Wirtschaftsseiten zum Thema Mobilitätswende. „Rasender Stillstand“ hätte ein großes Thema werden können, ist aber leider nicht mehr als eine Bestandsaufnahme. Und die empfohlenen Heilmittel: Auto, Laster und Flugzeug teurer zu machen und dafür mehr auf das Verkehrsmittel Zug zu setzen, ist schon unwürdig banal. Chance vertan. Da ist jede Regionalinitiative zum Thema Mobilität weiter.
In der Hausmitteilung wird besonders hingewiesen auf den Beitrag „Krieg im Blut“. Doch was auf Seite 5 als „archäologische Sensation“ angepriesen wird, wird auf den Wissenschaftsseiten zur Sensationsberichterstattung à la Spiegel. Die Berliner Ausstellung „Bewegte Zeiten“, die seit Freitag im Gropius Bau 1.000 archäologische Funde aus den vergangenen 20 Jahren zeigt, als Aufhänger nehmend, reduziert Guido Kleinhubbert 600.000 Jahre Menschheitsgeschichte im deutschen Raum marktschreierisch auf eine Geschichte von Kriegen. Das ist ein Aspekt der Berliner Ausstellung, aber nur einer neben „Mobilität“, „Austausch“, „Innovation“. Wer sich für die Menschheitsgeschichte auf dem Gebiet Deutschlands interessiert, dem sei die Ausstellung empfohlen, nicht der Spiegel-Beitrag.