„In Deutschland rumort es“. Auf diesen Nenner bringt der Leiter des Kölner Rheingold-Instituts, Stephan Grünewald, das Befinden der Wähler zur politischen Lage. Für seine Tiefenanalyse hatten sich 50 Wahlbürger auf die Coach des Psychologen begeben. Die Wichtigsten Ergebnisse: Ein wunder Punkt ist, dass im Wahlkampf das Thema Immigrationskrise „galant ausgespart“ wird, obwohl es die Bürger bewegt wie kein anderes. Es gäbe keine Antworten auf Ängste, keine auf Fragen, wie man Willkommenskultur leben könne. Die Bürger fühlten sich alleine gelassen. Sie hätten gehofft, dass die Politik einen Plan entwickeln würde.
Und welche Erkenntnisse hat Grünewald über die Einschätzungen zu den Parteien und deren Spitzenpersonal gefunden? Die Kanzlerin sei „die Einzige, auf die wir uns verlassen können, also müssen wir uns gut mit ihr stellen.“ Denn nur sie könne die Wüteriche Trump, Erdogan und Putin bändigen. Herausforderer Martin Schulz, nach seiner Nominierung als „zurückgekehrter Vater erlebt, der endlich die Vätervakanz in der deutschen Politik ausfüllt“, konnte die Erwartungshaltungen nicht einlösen. „Er gilt als lieber Onkel“. Die AfD könnte besser abschneiden, wenn sie eine Leitfigur hätte. Für die Grünen werde es „eine knappe Nummer“. Sie würden als „überheblich“ angesehen, „weil ihr Kampf gegen die Natur sich häufig gegen die menschliche Natur richtet.“ Tiefenpsychologisch gesehen ist Rot-Rot-Grün überhaupt keine Option. Das neue Dreamteam lautet nach Grünewald: Merkel und Lindner. Und demnach gibt es bei der Wahl einen schwarz-gelben Sieg. Alles sehr eingängige Botschaften. Keine, auf die Sie nicht selbst gekommen wären. Der SPIEGEL ist also sein Geld wert, wenn er das schreibt, was man weiß?
Jeder hierzulande weiß: Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten (Sepp Herberger) und Bayern München schießt seine wichtigsten Tore in der Nachspielzeit. Wo sind die Macherqualitäten? Wo ist der Biss des Linksverteidigers, der so gerne Profifußballer geworden wäre? Wo ist die professionelle Abgebrühtheit, der Siegeswille in den letzten Sekunden?
Schulz setzt auf mehr Gerechtigkeit, indem er Hand an die Spitzensteuersätze legen will. Da die SPD die Reform der Erbschaftsteuer durchgewunken hat, ist das politisch wichtigste Instrument zur Korrektur der Vermögensverteilung vorerst nicht mehr anwendbar, zumal die Betroffenen recht geschwind reagiert haben, so dass die derzeit günstigen Regelungen bereits flugs rechtssicher festgeschrieben wurden.
Erstaunlicherweise zeigt Sigmar Gabriel, Außenminister und Ex-Parteivorsitzender der SPD, jetzt, wo die Last des Siegenmüssens andere Schultern drückt, Kampfgeist. Er erinnert an den alten Schröderspruch: „Hinten sind die Enten fett“. Tierische Begegnungen hatte er zuletzt bei seinem Besuch bei Emmanuel Macron. Bei dieser Gelegenheit durfte der Außenminister im Elysée-Palast den Hund des Präsidenten streicheln („Ein sehr netter Hund“).
Aber wir wissen ja: Der SPIEGEL schreibt Worum es geht. Wer es kann. Und hat keine Angst vor der Wahrheit.