Spiegel-Redakteurin Veronika Hackenbroch hat eine Mission: die Welt vom Irrglauben an alles Heilende jenseits von Schulmedizin und Pharmaindustrie zu befreien. Unter dem Titel „Die Macht der Heiler“ breitet sie ihre hinlänglich bekannte Abneigung gegen zum Teil seit Tausenden von Jahren bewährte und zunehmend beliebte Mittel und Heilverfahren aus. Da trifft es die Akupunktur genauso wie Ayurveda, Bachblütentherapie, die Homöopathie, Schröpfen, Schüssler-Salze oder Yoga. Die vermeintlich alles vernichtende Vokabel ist Unwissenschaftlichkeit. Und wie schon in früheren Artikeln gibt es drastische Fälle (in diesem Fall zwei), bei dem die Homöopathie nichts bewirkt hat, und die geläuterte Ärztin Natalie Grams als Kronzeugin. Aber genauso wie es falsche Heilversprechen und Behandlungsfehler in der Anwendung von Naturheilverfahren gibt, gibt es sie auf der wissenschaftlichen Seite: Behandlungsfehler, Falschmedikamentierungen durch Ärzte, fallweise nicht ausreichende Hinweise auf Beipackzetteln auf mögliche gesundheitsschädigende Wechselwirkungen von bestimmten Wirkstoffen. Da reichten schon die justiziabel dokumentierten Fälle aus, um Wissenschaft und Schulmedizin zu hinterfragen, von der weitaus größeren Zahl der nicht justiziablen ganz zu schweigen. Dazu kommt die als mangelhaft empfundene Kommunikation zwischen Arzt und Patient, ein immer noch weit verbreitetes Götter-in-Weiß-Gehabe, das Eigeninformation und Fragen von Patienten als Störung, wenn nicht gar Anmaßung empfindet und entsprechend reagiert. Und da sind Fachärzte, die mal zu viel tun, wenn Untersuchungen privat abgerechnet werden können, und ein andermal zu wenig, weil das begrenzte Budget es leider, leider nicht hergibt, und Patienten von sich aus zum Yogakurs schicken.
Pech für Hackenbroch und Pauly, dass der Focus in dieser Woche mit dem Titel „Die Medizin der Welt“ genau die andere Seite betrachtet. Dietrich Grönemeyer wirbt in seinem neuen Buch, das Focus in Auszügen abdruckt, und einem Interview, das Bernhard Borgeest führte („Medizin wird zunehmend seelenlos“), für eine Synthese der Heilkünste. Grönemeyer beklagt: „Beinahe kaltherzig mutet dagegen das gesundheitspolitische Credo unserer Tage an: Gesund ist, wer funktioniert, ohne dass die Maschinerie ins Stottern gerät. Ein geradezu mechanistisches Gesundheitsverständnis, Ausdruck menschlicher Verarmung auf höchstem technischen Niveau“. Er will altes (nach Hackenbroch und Pauly unwissenschaftliches) Wissen mit neuem Wissen verknüpfen. Denn „die Humanmedizin ist in Gefahr, ihre Humanität zu verlieren.“ Das vom Spiegel verspöttelte Ayurveda ist für Grönemeyer „Medizin auf Augenhöhe“. Wer Mensch und Seele heilen will, muss an die Seele glauben. Ja, richtig: eine Seele kann man nicht sehen, nicht wiegen, nicht in Statistiken erfassen. Und trotzdem würde keiner ernsthaft behaupten, dass es sie nicht gibt.
In „Verrat am Volk“ zeigen sich Jan Friedmann und Ralf Neukirch überzeugt, dass Markus Söder nicht zögern werde, bei einem eventuellen Verlust der absoluten CSU-Mehrheit in Bayern Horst Seehofer die Schuld in die Schuhe zuzuschieben. Ja, wem denn sonst?
In „Einer für alle“ erzählt Uwe Buse von dem deutschen Unternehmer Dirk Gratzel, der jetzt für seine bisherigen Umweltsünden Buße tun und am Ende seines Lebens eine positive Ökobilanz vorweisen will. Die Idee ist löblich, doch es fehlt der Glaube ans Gelingen. Zu groß ist der Fußabdruck eines 50-Jährigen, der bis zu seinem Entschluss ein Leben auf der Überholspur geführt hat. Und es wird auch deutlich: Man muss es sich leisten können, sein Leben einzuschränken. Als Blaupause taugt der Selbstversuch nicht.
Zum Schluss: Ganz stark finde ich an diesem Wochenende das Interview in der FAZ mit Christian Kullmann, dem Vorstandsvorsitzenden von Evonik: informativ, prägnant, klug.