Mal ehrlich: Über die Mücken des Typs Aedes aegypti, gemeinhin Tigermücke genannt, regte sich bei uns keiner auf, würden nicht in einem Monat in Rio des Janeiro die Olympischen Spiele eröffnet. Wenn in tropischen Regionen Krankheiten ausbrechen, schaut die übrige Welt gemeinhin zu, schickt je nach Aufschrei Hilfsorganisationen und Freiwillige, man selbst hält sich fern und nach einiger Zeit legt sich die Aufregung. Die betroffenen Regionen haben gelernt, damit umzugehen. Das aus Polynesien stammende Insekt steht angeblich kurz vor der Welteroberung. Und jetzt das Weltsportereignis, und damit die Diskussion, ob man das überhaupt so machen darf. Die WHO hat Anfang Februar den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die Brasilianer bleiben laut den Alarm trommelnden SPIEGEL-Redakteuren Marian Blasberg und anderen stur und beharren auf ihren Spielen. Bei der werden sich laut SPIEGEL-Prognose Myriaden von Tigermücken auf die teilnehmenden Athleten stürzen, sie mit Zika-Virus infizieren und mit den Athleten die Tropenkrankheit in deren Heimatländer exportieren. Noch fehlt ein zuverlässiger Impfschutz.
Erste Sportler haben die Teilnahme mit Verweis auf das Insekt abgesagt, allen voran die besten Golfspieler der Welt, für die die regulären Spiele ihrer jeweiligen „Tour“ und damit die geldbringende Platzierung in der Weltrangliste doch wichtiger ist. Sie brauchen keine Goldmedaille, um Sponsoren zu finden.
Auch in Deutschland wurden die ersten Mücken der Spezies Aedes aegypti in Freiburg beim Einmarsch ins Badische ertappt. Selbst auf den deutschen Winter, so die neue Erkenntnis der Mückenforscher, ist also kein Verlass mehr. Bisher fielen Mücken dieses Typs beim Übergang über die Alpen dem Frost zum Opfer. Fazit: Die Klimakiller müssen jetzt selbst die Suppe auslöffeln.
Zeichen für neues Wirtschaften ist die inzwischen überall hin vordringende Digitalisierung. „Alles wird gut – vielleicht“ titelt Markus Dettmer in seinem Bericht über die unter Leitung des Economix Research & Consulting, München, im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums erstellte Studie „Arbeitsmarkt 2030. Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Digitalen Zeitalter. Prognose 2016.“ Wirtschaftswachstum und Beschäftigung können von der Digitalisierung profitieren. Dabei wird aber die Qualifikationsstruktur verändert. Ob der Schluss, dass mehr Akademisierung gefordert sein wird und weniger duale Ausbildung, so zutrifft, mag dahingestellt sein. Er verkennt das Niveau, das die duale Ausbildung in den meisten Gebieten erreicht hat. Der Umgang mit Digitalisierung wird in vielen Ausbildungsberufen heute schon verlangt, eher als an Hochschulen und Universitäten. Insofern zeigt sich ein hohes Maß an Alte-Welt-Denken, wenn Ministerin Andrea Nahles fordert, die Weiterbildung in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit zu verlegen.
Sollen die Beschäftigten dafür bestraft werden, dass die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung nach der Prognose rund 430.000 Arbeitsplätze abbauen wird? Unternehmen und private Institutionen sind dort, wo es benötigt wird, den öffentlichen Verwaltungen in Sachen Digitalisierung heute schon meilenweit voraus. Sie wissen selbst am besten, welche Anforderungen ihre Mitarbeiter in den nächsten Jahren benötigen. Sinnvoller wäre es, die Schulen entsprechend auszustatten und die Lehrpläne auf eine neue Zeit anzupassen, wenn es sein muss, auch zulasten tradierter Inhalte.
Die Gefahren der Digitalisierung zeigt der Beitrag „Smart, aber angreifbar“ von Marcel Rosenbach. Obwohl die Steuerungen von Wasserwerken, Biogasanlagen und „smarten“ Gebäuden hochsensibel sind, findet man mit wenig Aufwand Schaltpläne im Internet oder kann sich von Gebäuden in die Systeme einloggen. Cyberattacken sind keine Science Fiction. Bisher sind es „nur“ Hacker, die die Betreiber in bester Chaos-Computer-Club-Manier über Sicherheitslücken in den Systemen aufklären wollen. Das gelingt nicht immer: Für manchen Betreiber scheinen solche Hinweise eher lästig. Es ist also noch viel zu tun auf dem Weg zu einer digitalen Gesellschaft.
Alte Wirtschaftswelt zeigt Simon Hage mit „Kampf im Pudding-Paradies“ und glänzt mit Interna aus der Oetker-Familie.
Ganz alte Muster zeigte Sigmar Gabriel mit seiner Ministererlaubnis zur Fusion von EDEKA und Tengelmann – und mit seiner Reaktion auf einen Spruch des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das vergangene Woche im Eilverfahren die Übernahmeerlaubnis außer Kraft setzte. Der SPIEGEL-Bericht von Alexander Neubacher und Simone Salden legt nicht nur nahe, dass die Fakten, die das Gericht zu ihrem Urteil brachten, entgegen Gabriels Aussage zutreffen. Er lässt vor allem auch den Schluss zu, dass Ver.di-Chef Frank Bsirske im Hintergrund die Fäden gezogen hat, um einen stärkeren Einfluss auf Edeka zu bekommen. Das gesamte Vorgehen hat also mit dem von Gabriel angeführten Gemeinwohl wenig zu tun. Es ist Klientelpolitik. Hinter vorgehaltener Hand wird, so die Autoren, erzählt, „Edeka“ könne eine ganz neue Bedeutung für den Wirtschaftsminister erhalten: Ende der Karriere.
Alte Schule auch in Bayreuth, kurz vor der Eröffnung der Festspiele, die Montag in einer Woche mit „Parsival“ eröffnet werden, ausgerechnet mit der Oper, über die es zum Zerwürfnis kam, wie Joachim Kronsbein in „Der geht ab“ berichtet. Für schlechte Stimmung sorgt Musikdirektor Christian Thielemann, der sich so sehr in die Arbeit von Andris Nelsons einmischte, bis dieser das Handtuch warf. Für Bayreuth angefragt zu werden, ist immer auch eine Ehre. Bisher. Wer nach Bayreuth als Dirigent, als Regisseur gerufen wird, ist kein Anfänger. Es ist ein Unterschied, ob sich der Wagner-Clan gegenseitig befehdet oder Musiker bevormundet werden. Wenn die Festspiele den Beteiligten keinen Spaß mehr machen, werden viele die im Vergleich zu anderen Produktionen geringen Honorare nicht mehr locken können.
Ein Beitrag über die alte neue Welt: Donald Trump bereitet sich auf den Nominierungsparteitag vor und zeigt dabei bekannte und neue Charakterzüge. In jedem Fall lesenswert: „In Trumps innerem Kreis“ von Holger Stark.
„Deutschland ist ein Dorf“. Volker Weidermann hat Juli Zeh in Brandenburg getroffen. Mit „Unterleuten“, so der Literaturchef des SPIEGEL, habe sie den „Roman der Stunde geschrieben: über die große Gereiztheit, über Politikverachtung und Resignation“. Beide sind uneingeschränkt lesenswert – die Hommage und das Buch.