Es war einmal … Wie wäre die Welt doch so schön, wenn man auch als Nachrichtenmagazin mal unjournalistisch eintauchen könnte in die Welt der Fabelwesen, Hexen, Zauberer, sprechenden Tiere, Riesen und Zwerge. Letzteres bringt es auf den Punkt. Der mit den Jahren weiter gewachsene fußballerische Scheinriese, „Die Mannschaft“, ist auf Normalgröße geschrumpft. Aber ist das alles wirklich so wichtig? Fußball ist ein Spiel, bei dem es um sehr hohe Einsätze und Gewinnchancen geht. Eine ganze Industrie aus Sport, Fitness, Freizeit, Gastronomie und Werbung hat sich darum gebildet. Wie immer, wenn es um hohe Gewinnchancen geht, ist auch das Risiko hoch. Allerdings ist diese Industrie nicht die Schlüsselindustrie für die deutsche Wirtschaft. Das sind andere. In der Titelgeschichte „Schland unter“ wird der Aspekt Wirtschaft auch gar nicht ernsthaft beleuchtet außer zehn Zeilen Verweis auf den beurlaubten Audi-Boss Rupert Stadler und die Gewinnwarnung von Daimer, die nichts – wie vom Spiegel durch die Ergänzung „Hauptsponsor der Nationalmannschaft“ suggeriert – mit dem Ausscheiden der Nationalmannschaft zu tun hat, sondern mit einer Rückrufaktion und den neuen Standards für Abgastests.
Trifft der Titel wirklich mitten ins deutsche Herz? Wohl kaum noch. Den goldenen Traum aus Deutschland als Doppelweltmeister, zusammenwachsendem und prosperierendem Europa, weiter anhaltendem Wirtschaftswachstum unter einer weisen Regentin, die mit eisernen Nerven, Sitzfleisch und unbeugsamem Willen trotz allen Anfeindungen alle Fäden in der Hand behält und bei der die Themen Emigration, Brexit und Handelskrieg mit den USA mit glücklicher Hand erfolgreich überstanden werden, hat es doch nie wirklich gegeben. Der Traum, dass mit Mutti alles am Ende gut wird, ist dem Nachtmahr gewichen.
Angela Merkel und Joachim Löw, sitzen seit 2014 selbstgefällig auf einem hohen Podest und hoffen darauf, dass trotz unsinniger Entscheidungen irgendwann ein Deus ex Machina eingreift und die Situation in ihrem Sinne löst.
Klaus Brinkbäumer diagnostiziert im Leitartikel „Geht schon so weiter, irgendwie“ die deutsche Krankheit in Fußball und Politik trefflich als einen sturen Glauben an Bewährtes, den mangelnden Willen zu Veränderungen, das Fehlen von Innovationslust und Abenteuergier, wie es Brinkbäumer nennt.
Es ist Zeit für einen Neuanfang, damit die Horrorshow die Medien von Flensburg bis Friedrichshafen nicht weiter in unangebrachte Hysterie verfallen lässt. Seehofer muss trotz wahlpolitischer Bedenken die Reißleine ziehen für einen Befreiungsschlag in der bundesdeutschen Politik. Dirk Kurbjuweit liefert dazu in seinem Kommentar „Entschwestern, bitte“ gute Argumente. Die CSU findet nördlich des Mains gewiss ihre Wählerschaft, die es leid ist, weiter Geld in Fässer ohne Böden zu stopfen und eine von Deutschland alimentierte europäische Arbeitslosenversicherung und einen ausgeweiteten ESM nicht mittragen wollen.
Und die SPD? Finanzminister und potenzieller Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der sich beim Baukindergeld verzockt hat („Prämie fürs Land“), meldet sich just heute zusammen mit seiner zuletzt untergetauchten Parteivorsitzenden Andrea Nahles über Spiegel Online mit einem eigenen Fünf-Punkte-Plan zur europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik zu Wort.
Apropos Migration: Im der aktuellen Ausgabe erreicht Jakob Augstein mit seiner Kolumne „Im Zweifel links“ einen neuen Tiefpunkt im deutschen Journalismus. Unter der Überschrift „Wir Zivilisationsbrüchigen“ geht er mit jedem ins Gericht, der auch nur in gewisser Weise mit Wort und Tat erkennen lässt, dass es in der Migrationspolitik so nicht weitergehen kann. Es geht um die Gegensätze Rationalität und Emotionalität, um gezeigtes, vorhandenes und nicht vorhandenes Mitleid. Zitat aus der Kolumne: „Nach dem Abkommen mit der Türkei sagte der damalige Innenminister Thomas de Maiziére. ‚Auch wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist richtig‘. ‚Aushalten‘ sagte er. Dabei waren es nicht die Deutschen, die etwas ‚aushalten‘ mussten. Es waren die Flüchtlinge. … Aushalten ist offenbar eine heroische Sache. Es ähnelt dem ‚Durchhalten‘ aus Heinrich Himmlers Posener Reden. ‚Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht…“ Wer Augstein heißt, hat beim Spiegel offensichtlich Narrenfreiheit beim Schreiben. Aber darf, wer Augstein heißt, NS-Gräueltaten so relativieren? Wer derart den Maßstab verliert, hat jeglichen Anspruch, moralische Instanz zu sein, verwirkt.
Susanne Koelbl machte sich auf in ein Land, das wie kaum ein anderes mit Märchenhaftigkeit konnotiert ist: nach Saudi Arabien. In „12 Wochen Riad“ beschreibt die Redakteurin, dass scheinbare Liberalisierungen wie der Führerschein für Frauen oder Popkonzerte verdecken, dass das Königreich auf dem Weg in einen totalitären Überwachungsstaat ist, in dem Königstreuen märchenhafte Chancen geboten werden und Kritiker das Schlimmste befürchten müssen.
Immer einen klaren Kopf in der #MeToo-Debatte behalten hat die Philosophin Svenja Flaßpöhler. Nie ließ sie sich von irgendeiner Seite vereinnahmen, erst recht nicht von Feministinnen, die sie als Nestbeschmutzerin abtaten, wenn sie nicht ins selbe Horn stoßen wollte. Lesenswert das Gespräch zwischen der Chefredakteurin des Philosophie Magazins und Spiegel-Redakteurin Claudia Voigt („In der ‚MeToo-Debatte herrscht Vergeltungslogik“).
Der Biologe Torben Schiffer von der Universität Würzburg hat mich erheblich verunsichert. Bisher dachte ich, Glyphosat und die Varroamilbe würden unsere Bienen killen. Und jetzt das: „Schimmel schwächt unsere Honigbienen“, sagt er und beklagt die Zustände in den menschengemachten Bienenstöcken.