„Amerikas letzte Hoffnung“ titelt die SPIEGEL-Redaktion und tappt in die Falle, indem sie Wohl und Wehe der Nation am Anschlag von Orlando aufhängt. So wenig man den blinden Hass nachvollziehen kann, der zu einer solchen Tat führt, so wenig tut man gut daran, die Emotionen des Landes auf Gut und Böse, auf Reflexion und Wut, auf Verlässlichkeit und Unberechenbarkeit zu reduzieren. Man spürt beim Lesen, dass Autor Hilger Stark sich seine Sicht der Dinge früh zurechtgelegt hatte. Er trägt fleißig Fakten um Fakten zusammen, die ins Weltbild passen. Der Beitrag ist dort schwach, wo es darum geht, die Sicht anderer zuzulassen. Gerade einmal zwei Gesprächspartner auf acht Seiten Titelgeschichte dienen als Kronzeugen, beide langjährige Vertraute von Clinton, Stimmen aus New York und Washington. Und ist das ein Hoffnungsträger, der – wie die Clintons – in wenigen Jahren laut Martin Hesse und Paul Middelhoff in „Ein teures Paar“ 150 Millionen Dollar von der Deutschen Bank, Goldman Sachs &Co. kassiert hat?
Der CNN-Sicherheitsexperte Peter Bergen erklärt anschließend in dem Essay „Von einsamen Wölfen“, warum in Orlando ein Einzeltäter plötzlich zum Massenmörder wurde, Amerikaner ihr eigenes Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, angreifen.
Christiane Hoffmann schreibt im Leitartikel „Brutale Zeiten“ über die Enttabuisierung von Gewalt. Schade, dass sie versucht, zu viele Stränge zusammenzubinden und sich darin verwickelt. Dennoch lesenswert.
Jetzt wissen wir: Die Berichte über die gefährlichen Cyber-Hacker des IS waren eine Ente der Abteilung Desinformation. Jetzt erfahren wir, dass der russische Geheimdienst mit einer angeblich 4.000 Mann starken Hackertruppe nicht nur den französischen Sender TV5 Monde ausschaltete, sondern auch die US-Streitkräfte, das US-Außenministerium und die Saudis ärgerte.
Sigmar Gabriel klagt in seinem Gastbeitrag „Im Schafspelz“ über die fehlende Unterstützung der linken Sache durch Intellektuelle, erklärt Peter Sloterdijk zum rechten Ideologielieferanten, der sich in verschwurbelte Rhetorik flüchte und weint der alten CDU hinterher, die es in der Vergangenheit geschafft habe, die reaktionären Elemente zu domestizieren, jetzt mit Angela Merkel aber die Bindung in dieses Milieu verloren habe. Es sei keine neue Rechte, die sich den Weg bahne, sondern eine alte Rechte, die Rache nehme an einer liberalen und weltoffenen Republik. Was Deutschland brauche, sei ein Bündnis aller progressiven Kräfte. Mit der Forderung, die Mitte-Links-Parteien müssten über ihren eigenen Schatten springen, dem Hinweis darauf, dass Bernie Sanders sich Hilary Clinton anschließen müsse, um der Sache zu dienen, macht Gabriel implizit den Weg frei für rot-rot-grüne Bündnisse.
Informativ kompakt ist der Beitrag „Kein Profil, kein Job“ von Simon Hage und Martin U. Müller über die Businessnetzwerke Xing und LinkedIn, inzwischen ein Muss für jeden, der im Job etwas vorhat. Heerscharen von Personalern und Headhuntern tummeln sich dort und sichten Kandidaten. Wie wertvoll die Datenspur ist, die die Nutzer dort hinterlassen, zeigen die 26 Milliarden Dollar, mit denen Microsoft LinkedIn kaufen will. Erschreckend zu lesen, dass inzwischen Unternehmen auch anhand der LinkedIn-Daten diagnostizieren, wann welche Mitarbeiter voraussichtlich gekündigt werden.
Zum Schluss: Lesen Sie die Rede, die der Schriftsteller und Publizist Navid Kermani am vergangenen Dienstag bei der Trauerfeier von Rupert Neudeck, dem Mitgründer der Cap Anamur, gehalten hat. „Er hörte auf sein Gefühl“, eine denkwürdige und berührende Abschiedsrede auf einen, der für andere lebte und eine unglaubliche, ja kindliche Freude dabei empfand, für den Helfen keine Last war, der das tat, was die allermeisten von uns nicht können: Er (er)trug das Leid.