Facebook ist das Thema der Woche und wird mit Leitartikel und der von San-Francisco-Korrespondent Thomas Schulz geschriebenen Titelgeschichte („Der Aufschrei“) ausführlich bedient. Eingebettet gibt es Nutzwert von Isabella Reichert („Hilfe gegen das Ausspähen“) und Stimmen aus der Werbe- und der Medienbranche von Martin U. Müller („Unsympathischer Monopolist“).
Dass es dem Politikberatungsunternehmen Cambridge Analytica möglich war, für den Trump-Wahlkampf 50 Millionen Nutzerdaten abzugreifen, ist skandalös. Aber wundert es uns? Ich frage mich vor allem: Wäre er Aufschrei auch gekommen, wenn das alles nicht noch ausgerechnet mit Trump und dessen Wahlkampf zusammenhing?
Facebook hat seine Unschuld schon bei der Geburt verloren – durch den Ideenklau. Spätestens seit der Vorbereitung auf den Gang an die Börse wurde das Unternehmen dann auch zu einem Raffzahn, der für Geld alles verkauft, was es versilbern kann: und das sind nun einmal die Nutzerdaten. Schließlich muss der Shareholder Value maximiert werden. Viele lassen sich bis heute von dem jungenhaften Aussehen und dem Studentenimage Mark Zuckerbergs täuschen. Auch der Spiegel. Chefredakteur Klaus Brinkbäumer wird in der Hausmitteilung folgendermaßen zitiert: „Mit unserem Layout wollen wir ausgewählten Texten noch mehr Gewicht und Leidenschaft auch für die Bildsprache ausdrücken“. Bei den politischen Beiträgen wird damit richtiggehend Stimmung gemacht: eine missmutig dreinblickende Angela Merkel, weil der Spiegel „Das Schisma“ zwischen CDU und CSU wittert, eine düstere Schwarz-Weiß-Aufnahme von Rücken, gebeugtem Nacken und Hinterkopf von Martin Schulz zum letzten Kanzlerkandidatenversteher-Akt von Markus Feldenkirchen („Vom Ende einer Geschichte“). Bei der Titelgeschichte misslingt es auf ganzer Linie. Da präsentiert das Blatt Zuckerberg so, wie er in der Öffentlichkeit gesehen werden will, als liebevoller Familienmensch mit Frau und Kindern, als Student 2006 an in Stanford. Der Subtext dazu: Der ist harmlos, der will doch nur spielen. Der ist noch jung, der darf noch Fehler machen. Immerhin muss er ja eine Familie ernähren.
Ich habe immer schon eine natürliche Abneigung gegen selbsternannte Weltverbesserer gehabt. Zuckerberg will mit Facebook die Welt offener machen und sieht das als soziale Mission. Warum perpetuieren Medien, auch der Spiegel, dieses Geschwafel. Warum berichten sie darüber, wenn Multi-Milliardäre nach eigenem Gutdünken hier mal eine Schule sponsern und dort Geld hingeben. Das ist keine gesellschaftliche Verantwortung, das ist nicht sozial, das ist Gutsherrenart.
Marcel Rosenberg hat im Leitartikel „Repariert die Netzwerke!“ einen etwas kritischeren Blick auf Facebook.
„Unnötiger Luxus“ ereifert sich Christian Reiermann, weil Bundesfinanzminister Olaf Scholz den Investmentbanker Jörg Kukies in sein Finanzministerium beruft. Der Spiegel-Mann meint genau zu wissen, dass Scholz den gar nicht braucht. Dafür bräuchte er jemanden mit mehr Kompetenz in der EU-Administration, meint Reiermann. Hintergrundrecherche oder Instrumentalisierung? Es liest sich ganz so, als habe er sich da aus dem Ministerium was zuflüstern lassen von jemandem, der seine eigene Agenda verfolgt, aber nicht genannt sein will.
Vorige Woche hat die EU die geplante Übernahme von Monsanto durch Bayer genehmigt. Jens Glüsing, Roland Nelles und Michaela Schießl zeigen in „Monster-Hochzeit“, wie die Welternährung abhängig wird von einigen wenigen Agrochemie-Unternehmen. Ich hätte mir diesen Themenkomplex ausführlicher gewünscht.
VW-Chef Matthias Müller darf sich im Spiegel-Gespräch über deutsche Neiddebatten, sein Misstrauen gegenüber der Politik und Kulturwandel ausbreiten („Unsere Gehälter sind gerechtfertigt“). Mir kommt dazu nur eine Assoziation: Teflon – nichts bleibt an einem hängen. Entlarvend sind zwei Sätze Müllers, seine Erwiderung auf eine Aussage von Bundesverkehrsminister Scheuer zu den Vorstandsgehältern bei VW. „Als Politiker ist Herr Scheuer halt PR-Profi. Ich bin sicher, dass wir gut miteinander auskommen werden.“ Alles PR. Nicht nur bei Facebook. Auch bei VW.
Da widme ich mich lieber einer Frage aus dem echten Leben. Warum feiert man eigentlich seinen Geburtstag? Der Philosoph und Medienwissenschaftler Stefan Heidenreich hat das untersucht, Katja Thimm blättert die Geschichte des sich selbst Feierns auf („Teures Tamtam“).
Gelernt habe ich auch, warum die Seeleute den Vogel Tölpel mit dem Namen Tölpel versahen und warum der Name sich bewahrheitet: „Die Leiden des Jungen Nigel“, ein Liebesdrama aus Neuseeland. Dort erblickte ein Tölpel – Nigel wurde er genannt und brachte es bis zu Stellung als Maskottchen – in der Höhe schwebend, von oben herab auf der Insel Mana in der Tasmansee eine wunderbare Tölpelmaid. Doch die war aus Beton und vor 15 Jahren von Ornithologen als Lockvogel mit 79 anderen Attrappen aufgestellt worden, um die karge Insel für Seevögel attraktiver zu machen. Nigel kam und baute der Angebeteten ein Nest. Die Paarungsversuche mussten scheitern. Irgendwann landeten weitere drei Tölpel auf dem Felsen. Aber da war es schon zu spät: Nigel verstarb, angeblich an gebrochenem Herzen.