Der SPIEGEL ist in dieser Woche irrelevant und überflüssig. Warum Chefredakteur Klaus Brinkbäumer dieses Thema „Das trügerische Gedächtnis. Warum unser Gehirn Erinnerungen fälscht“ auf den Titel gehoben hat, ist mir trotz und nicht zuletzt wegen der einführenden Worte in der Hausmitteilung unverständlich. Er verspricht mehr, als der Beitrag „Das eingebildete Leben“ von Manfred Dworschak halten kann.
Reicht das am Wochenende? Denn gemeinsam mit der FAZ am Sonntag und der WamS fischt man ja jetzt in der etwas überfüllten Sonntags-Badewanne um die wärmsten Füße und schönsten Schaum beim Leser.
Was ist drin im Gedächtnis?
Lässt Brinkbäumer den Autor im letzten Satz der Hausmitteilung zu diesem Stück noch ankündigen: „So entstehen Anekdoten und Legenden, auf denen unser Sozialleben beruht“, so habe ich als Leser gerade diese Dimension am meisten vermisst. Die Verkürzung des Themas auf suggerierte oder tatsächliche falsche Geständnisse, ist für eine Titelgeschichte zu kurz gesprungen. Interessant wird es dann, wenn die gesellschaftlichen und geschichtlichen Folgen durch Manipulation der Erinnerung diskutiert und mit Beispielen unterlegt werden: Gerüchte, die als Wahrheiten verbreitet und aufgebläht, den allgemeinen Konsens gefährden, besonders dann, wenn sie feindliche Stimmungen hervorbringen, die das Zeug dazu haben, als Pogrome zu eskalieren. Es bleibt also wenig im Gedächtnis – auch vom sonstigen Heft.
Der Spiegel Nr. 1 in dieser diese Woche ist keine Wundertüte, allenfalls ein Sammelsurium an Beiträgen. Die Kolumnen lesen sich lustlos und routiniert, das gesamte Heft bleibt seltsam farblos und uninspiriert.
Der Spiegelspitze fehlt ein ordnender Kopf, der die Redaktion animiert, den Lesern mit Esprit und Charme die Themen näherzubringen und sie neugierig zu machen – auf Zusammenhänge, auf gesellschaftliche Implikationen, auf ungewöhnliche Wege.
Die Nummer 1/2 des SPIEGEL ist kein guter Start ins Jahr 2016.
Guter Start für Aust bei WamS
Bemerkenswert, dass der frühere SPIEGEL-Chefredakteur Stefan Aust jetzt sein Amt als neuernannter Chef der WELT-Gruppe übernimmt. In der Welt am Sonntag schreibt er einen Kommentar, der als Nachricht über die mögliche Schließung der dänischen Grenze getarnt ist, und mit einem Brief an die Leserinnen und Leser. Darin greift er das Thema auf, dass doch eigentlich Sozialdemokraten wissen müssten, dass der von ihnen so mühsam erkämpfte Sozialstaat Grenzen braucht.
Insgesamt wirkt die Welt am Sonntag frischer, aktueller und näher dran – gleichzeitig aber wieder magazinig genug, um sich von der täglichen Ausgabe zu unterscheiden.
Im Konkurrenzvergleich schlägt die WamS den SPIEGEL in Sachen Aktualität und Relevanz. Das ist für den Wochenendmarkt ein schlechtes Zeichen für den SPIEGEL. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum das neue Welt-Logo so seltsam hässlich bleibt und die Wahl der Schriften für Vorspann und Headlines so gar nicht miteinander harmonieren wollten. Optisch ist die neue Welt eine Rache des Vorgängers am neuen Chefredakteur.