Nach einer Woche, in der weitere Kontakte enger Trump-Gefährten zu Vertretern der russischen Administration bekannt geworden sind, liegt es nahe, das Verhältnis zwischen Russland und USA näher zu beleuchten. Die Titelgeschichte „Die russische Frage“ ist stark, wo sie die geschichtliche Linie beleuchtet. Der SPIEGEL bleibt bei seiner Linie, dass das Böse aus dem Westen kommt und der Osten irgendwie naturgemäß lieb ist, eine Linie, die Augstein in der Aufrüstungsdebatte erfunden hatte. Die Story bewegt sich im Bereich der Spekulation bei der Frage, wie die Präsidenten wirklich zueinander stehen. „Die russische Frage“ ist momentan mindestens genauso ein europäisches Thema wie ein transatlantisches. Wie kann sich Europa als eigenständige Kraft positionieren? Was geschieht, wenn die USA auf die Idee kommen, dass es nicht ihre Aufgabe ist, Europa zu verteidigen, schon gar, wenn Europa sich selbst nicht verteidigen will? Und irgendwie geht unter, dass Trump demokratisch gewählt wurde, auch wenn der SPIEGEL das nicht so gern akzeptiert – Putin dagegen ein lupenreiner Autokrat ist.
Ergänzt wird die Titelgeschichte durch das spannende Interview „Wie schwach sie sind“, das Klaus Brinkbäumer und Christian Esch mit dem russischen Außenpolitiker Konstantin Kossatschow geführt haben. Für die Russen ist Trump die große Unbekannte in der Machtbalance und eher unberechenbar. Lesenswert ist das Interview auch mit Blick auf die unterschiedlichen Haltungen von Interviewern und Interviewtem. In Moskau wird eben nicht jede Randbemerkung aufgeblasen und zur Basis von Weltuntergangsszenarien stilisiert. Moskau hat einen langen Atem und vertraut darauf, dass auch die Trump-Regierung erkennen wird, dass ein Umschwenken auf unilaterale Abkommen (statt multilateraler) unsinnig wäre.
Erstaunlich ist, dass weder in der Titelgeschichte noch im Interview die Rolle Chinas im Gleichgewicht der Mächte überhaupt gestreift wird.
Jan Fleischhauer begibt sich in „Lassen sie mich da raus“ auf die Suche nach den sieben Prozent Trump-Anhängern in Deutschland. Er findet sie wenig überraschend bei der AfD. Ein unterhaltsamer und geistreicher Beitrag in der ansonsten in den Medien üblicherweise spießigen und ausufernden Trump-Diffamierungs-Kampagne.
Das Abschiedsinterview „Mit Putin haben wir viel gelächelt“ mit dem aus dem Amt scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck erinnert mich wieder einmal daran, dass es durchaus ein Verdienst ist, einen Bundespräsidenten in einer Form zu wählen, die jenseits jedes affekt- und effekthaschenden Politbetriebs liegt. Ein „Bürgerpräsident“ wird nicht dadurch ein Bürgerpräsident, dass er (oder sie) von allen Wahlberechtigten mit Mehrheit gewählt wird. Es geht vielmehr darum, dass der Bundespräsident – als Bürger unter Bürgern verortet und den primus inter pares lebend – frei von Klientel- und Wahlvolkverpflichtungen handeln und sprechen kann.
Nach den beiden unglücklich agierenden Vorgängern Horst Köhler und Christian Wulff hat Gauck dem Amt die Würde zurückgegeben. Man muss seinen pastoralen Habitus nicht mögen, man muss ihm aber zugestehen, dass er in seinen „Bürgerpredigten“ immer substanziell Kluges zu sagen hatte und wenigstens versucht, Freiheit als Wert wieder zu betonen – in einer Zeit, in der Versorgt-Werden das Ziel der Selbstentmündigten ist. Verfehlt hat er aber den Umgang mit Menschen, die der Flüchtlingspolitik kritisch gegenüberstanden. Sein Bild von „Dunkeldeutschland“ hat das Land gespalten, viele Menschen ausgegrenzt und die Ostdeutschen wieder unter Generalverdacht gestellt. Frank-Walter Steinmeier tritt trotzdem in große Fußstapfen.