Viele meiner ausländischen Freunde befremdet es, dass wieder einmal die Deutschen die Welt an ihrem Wesen genesen lassen wollen. Oder genauer gesagt: Diesmal das Weltklima. Der alte, unheilvolle Größenwahn steckt vielen hierzulande noch tief im Kopf – vor allem in Politik und Medien. Nur diesmal in grünem Gewand. Selbstreflexion fehlt vielen völlig – kritische Hinweise werden mit dem Eifer und absolutistischem Anspruch zurückgewiesen, die an Ketzerbekämpfung erinnern. Jeglicher Versuch eines nüchternen, logischen Diskurses scheint bei vielen so sinnvoll, wie ein Versuch, einem Iman die Existenz Allahs ausreden zu wollen.
Aber nicht nur ausländische Freunde schütteln den Kopf und machen sich Sorgen. Ein deutscher Freund, früher hochrangiger Beamter und SPD-Mitglied, schrieb mir: „Wir sind einmal wieder dabei, der Welt zu zeigen, dass wir — besser — sind. Die letzten beiden Male mit dem Militär, davon das zweite Mal ausserdem noch mit der angeblich höherwertigen Rasse – das hat alles nicht geklappt. Dieses Mal eben mit dem grünen Wahn. Es gibt kein Volk in der Welt, daß sich derart an diesem Wahn berauscht wie das unsrige. Alles ist zu einem Teil ein Erbe der Romantik und mit tieferer Wurzel sogar mit Verbindungen zur Reformation, ohne dass diese dafür mitverantwortlich zu machen wäre. Das Ergebnis ist jedenfalls, daß wir zu einem vernünftigen und in sich ruhenden politischen Leben vermutlich garnicht fähig sind. Kommen dann die Merkels und die Thunbergs, dann brennen die Sicherungen wieder durch. Es hilft uns nur, um uns von uns selber zu retten, das möglichst weite Aufgehen in der EU. Die anderen wissen das freilich und lassen uns dafür zahlen.“
Zumindest insgeheim scheint Angela Merkel das zu ahnen, auch wenn sie mit Inbrunst auf der Klimawelle reitet (wobei dahingestellt bleibe, ob sie dies aus ihrem hinlänglichen bekannten Opportunismus heraus tut, oder, weil sie mit einem Öko-Sozialismus liebäugelt, oder wegen beidem). „Wir machen das nicht aus ideologischen Gründen“, erklärte die Kanzlerin zum Klimagipfel. Eine Verneinung, die für den aufmerksamen Beobachter genau das bestätigt, was sie eigentlich abstreiten soll.
Wie ideologisch der Klima-Wahn ist und wie weit er geht, zeigt etwa der Spiegel, der sich mit der Zeit um den inoffiziellen Titel des „Zentralorgans der Klimaretter“ streitet – wobei es vielleicht nur noch eine Frage der Zeit ist, bis als Untertitel auf dem Cover eine Losung stehen wird, wie das einst bei der kommunistischen Staatspresse üblich war: „Klimakämpfer aller Länder, vereinigt Euch.“
„Jeden Tag quält sich unsere Autorin mit der Frage, ob sie umweltbewusst genug lebt. Vom Klimapaket erhoffte sie sich Antworten. Die Ergebnisse nimmt sie der Bundesregierung ganz persönlich übel“, heißt es im Einstieg zu einem Kommentar von Elke Schmitter in dem Hamburger Blatt in einer Serie „Schwerpunkt Klimakrise“. Die ganze Absurdität des deutschen Klimawahns in zwei Sätzen!
Wenn sich eine Journalistin jeden Tag mit der Frage quält, ob sie umweltbewusst genug lebt, liegt der Schluss nahe, dass wir es hier entweder mit Wohlstands-Übersättigung oder Masochismus zu tun haben. Oder dass sie schlicht heuchelt. Und welche Antworten soll ein Maßnahmenpaket des Staates geben?
Bei der ZEIT ist der Meinungskorridor inzwischen so eng, dass bei in einem „Streitgespräch“ zum Umgang mit dem Klimawandel zwei Autoren mit der gleichen Grundhaltung und der gleichen Meinung zu Wort kommen, die sich in Nuancen und der Umsetzung nicht einig sind. ZEIT-Journalisten verkauften das dann als «Streit» und feierten sich: „Es ging zur Sache!“ Die Kollegen bemerken offenbar gar nicht mehr, wie eingeschränkt ihr Horizont ist.
Man mag zum Klimawandel stehen wie man will. Ich persönlich habe massive Zweifel an der vorherrschenden, dominierenden Meinung bekommen, nachdem ich zum einen die Arbeiten meines Kollegen Michael Miersch, mit dem ich in einer Redaktion arbeitete, gelesen und mich intensiv mit der deutsch-russischen Schriftstellerin und Journalistin Sonja Margolina ausgetauscht habe – zwei sehr klugen Köpfen, denen ich sehr vertraue. Ihre Zweifel sind klug, fundiert, und für mich schwer zu widerlegen. Als Nicht-Fachmann maße ich mir kein abschließendes Urteil an. Damit ist man in Deutschland heute schon Klima-Leugner, obwohl eigentlich „Klima-Agnostiker“ das passendere Wort wäre (erstaunlich, aber selbstverständlich die Verwendung von Begriffen aus der Religion geworden ist – aber es ist auch logisch, hat der Klima-Glaube doch bei vielen religiösen Charakter).
So zurückhaltend ich mit einer Einschätzung des menschlichen Einflusses auf den unbestreitbaren und seit Beginn der Erde fortwährenden Klimawandels bin, so eindeutig ist mein Urteil über den Umgang vieler Deutscher, vor allem in Medien und Politik, damit: Der Fanatismus, mit dem sie sich auf den Klimawandel stürzen, erschreckt mich mehr als der Klimawandel selbst. Hier kommen Ansätze von genau jenen Urkräften zum Vorschein, von jener Besessenheit, jener maßlosen Selbstüberschätzung, ja Größenwahn, jenem missionarischen Eifer und totalitärem Denken zum Vorschein, die uns Deutsche schon früher schon ins Elend führten und die unsere Nachbarn so fürchten. Zu Recht.
„Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant“, mit dieser Überschrift zitiert der Spiegel Roger Hallum, den der als „Klima-Aktivist“ vorstellt. Das ist das Rezept für jedes totalitäre Regime. Und dieses ist wieder hoffähig bzw. schlagzeilenfähig im Deutschland des Jahres 2019. Erstaunlich, wie resistent viele hierzulande gegen die Lehren der Geschichte sind.
Statt wie besessen zu versuchen, mehr oder weniger im Alleingang das Weltklima zu retten, sollten wir das Klima verbessern, für das wir alleine verantwortlich sind: Das geistige Klima in unserer Gesellschaft, das Klima des Umgangs miteinander und mit anderen Meinungen. Die Überhitzung, ja Vergiftung dieses Klimas ist gegenwärtig die größte Gefahr für Deutschland.
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