Tichys Einblick
BLICK ZURÜCK – NACH VORN

Blackbox KW 5 – Der Flötenspieler von Bellevue

Chef Olaf lässt marschieren, der Genosse Präsident spielt die Melodie dazu und Klimaminister Habeck bekommt kein LNG mehr aus USA.

Waren es 65.000 Teilnehmer, die „trotz Sprühregens“ vor dem Reichstag für die Regierung und gegen die Opposition demonstrierten? Mehr als 100.000 hat Bild gezählt, mehr als 150.000 Polizeisprecherin Anja. 
Die Veranstalter – ein Anwaltsverein, in dem Olaf Scholz Mitglied ist und den die Hamburger Polizei als gefährlich einstufte

 – kamen sogar auf 300.000. Schade, dass Chef Olaf nicht mal kurz von der Reichstagskuppel gewunken hat.

♦ Auch das eher harmlose Schlagerlager wurde aktiviert, und selbst Helene Fischer nahm an einer Kampagne der RTL-Zeitschrift Stern teil
 und wirkte, als sei sie eine Mischung aus Herbert Grönemeyer und Frank-Walter Steinmeier. Aber Nachsicht, Freunde der Fischer’schen Kunst: Ihre Schlagertexte schreibt Helene schließlich auch nicht selbst.

♦ Man hat Präsidenten verspottet (Heinrich Lübke), man hat sich ungläubig die Hände über dem Kopf zusammgeschlagen (Christian Wulff), man hat einen waschechten Pfaffen (Joachim Gauck) ertragen, einen komischen Heiligen (Johannes Rau), einen sogar zum Heiligen ernannt (Richard von Weizsäcker), man hat alle mehr oder weniger wohlwollend als Frühstücksdirektoren zur Kenntnis genommen, aber Frank-Walter Steinmeier ist da ein ganz besonderes Kaliber. Keine Gelegenheit lässt der Spezialdemokrat verstreichen, das Volk zu spalten. Er nennt Parteien, die seiner SPD gefährlich werden, „Rattenfänger“ und deren Millionen Wähler wären demnach folglich „Ratten“. Offenbar sind Spezialdemokraten einfach nicht präsidiabel.

♦ Mit dem Aufmarsch der Leichtgläubigen im Rücken beginnt die SPD ihren EU-Wahlkampf. Wieder setzt die Partei auf die überall beliebte, Gott, wie hieß sie gleich, die das schlechteste EU-Wahlergebnis der SPD ever eingefahren hat, und natürlich auf das Zugpferd der Partei, Olaf Scholz. Programmatisch bleibt’s bei Bürgergeld für alle, Waffen in Kriegsgebiete, Steuern rauf, Grenzen auf und beim Heizen gilt das, was der Habeck sagt. Das könnte sogar knapp für ein zweistelliges Ergebnis reichen (zuletzt kamen die Genossen auf 15,8 Prozent).

♦ Die FDP würde sich schon über zwei Prozent bei der EU-Wahl für „Lady Helmchen“ Marie-Agnes Strack-Zimmermann freuen. Die würden reichen, damit es nicht später im Homeland NRW und im Bund für die FDP heißt: „Gute Nacht, Marie …“ Da brauchen sie nämlich fünf Prozent.

♦ Ungemach droht den Regierungsparteien nicht nur „von rechts“, sondern auch aus dem Osten (Südosten, um genau zu sein), denn die frommen anatolischen Bauern, die sich inzwischen in Allemannda eine Existenz aufgebaut haben, fürchten um ebendiese angesichts von wokem Polit-Irrsinn, der steigenden Preise, des Industrieabbaus und der arabischen Migrationswelle. Deshalb gründeten sie die Partei „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“, um dem rotgrünen Spuk ein Ende zu bereiten. Außerdem hätten sie gerne noch ein paar Moscheen und würden wohl auch die Demission des Staatsclowns Böhmermann begrüßen, der ihren Führer Erdogan derb beleidigt hatte.

♦ Nun haben die Amis also einen Dummen gefunden, der die Ukraine-Finanzierung übernimmt. Die EU – alle 27 Regierungschefs haben unterschrieben, da kann sich keiner rausreden (nur Orbán kann sagen, man habe ihn erpresst) – überweist „zusätzliche“ (Charles Michel) 50 Milliarden Euro. 
Da muss die Bundesregierung kleinere Brötchen backen. „Wo sollen die laufenden 2,7 Milliarden für die Ukraine herkommen?“, fragt der Staatsfunk den Finanzminister.
 Lindner: „Das können wir im Haushalt darstellen. Mit Mitteln, ja, also, mit Mitteln.“

♦ Obwohl unsere Regierung partout kein Russengas mehr will, ist die EU trotzdem der zweitwichtigste Kunde Russlands, zum Beispiel mit Flüssiggas via Belgien, von dem wir uns allerdings nur ein paar Gasflaschen abzwacken. Klimaminister Habeck setzt nämlich auf LNG aus den USA, aber da muss ihn der alte Joe Biden nun enttäuschen. Der stoppt weitere LNG-Exporte – „wegen Klima“, naja, eher wegen US-Wahl. Joe hält deutsche Politiker wohl grundsätzlich für Vollidioten.

♦ Apropos. Offenbar besteht kein juristischer Einwand dagegen, Habeck als „Vollidioten“ zu bezeichnen.

♦ Wir gratulieren: Boris Pistorius, SPD-Verteidigungsminister, hat seine Steuerklasse geändert (sprich: er hat geheiratet), damit mehr netto vom brutto bleibt.

♦ Unsere Bauern waren wohl doch zu lieb bei ihren Demos, denn anders als in Frankreich, kommt die Agrardieselsteuer.

♦ Und jetzt zum Sport. Der Fußballverein Bayer Leverkusen hat eine Geld-Strafe „wegen eines diskriminierenden unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger“ (DFB) akzeptiert. Bayer-Anhänger hatten im November ein Banner gezeigt, infolgedessen die schockierten Spieler von Werder Bremen das Fußballspiel 0:3 verloren. DFB-Präsident Neuendorf, SPD, berief eiligst ein Sportgericht ein, das weise im Sinne der Staatsräson entschied: Es gibt nur zwei Musikrichtungen, aber viele Geschlechter. Bayer-Hooligans hatten vor den Kameraaugen des Staatsfunk doch tatsächlich das genaue Gegenteil behauptet: „Es gibt viele Musikrichtungen, aber nur zwei Geschlechter!“
 Bild, für seinen Sportteil oft gerühmt, fragte extra einen Professor der Medizin, um seinen Lesern bei diesem schwierigen Sachverhalt nichts Falsches zu sagen, und zumindest den Akademikern in der Leserschaft dürfte mit der Expertise geholfen sein: „Objektiv gibt es ein Kontinuum der Geschlechter, das von unauffällig weiblich bis zu unauffällig männlich reicht“, so der kluge Mann, tatsächlich sei deshalb beim Menschen die Anzahl der medizinisch feststellbaren „biologischen Geschlechter“ unendlich groß. Häh?

♦ Apropos. Früher hätte man den Umstand, dass der Verfassungsschutz seinen früheren Präsidenten Maaßen bespitzelt, 
als grob unsportlich betrachtet, aber das war eben früher, und da war alles anders. Jetzt ist es eher so wie ganz früher – und man druckt dazu jetzt das Internet aus.

♦ Zwei Doppelnamendamen von FDP und SPD verkünden, einen „bildungspolitischen Meilenstein“ erreicht und das „größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik“ auf den Weg gebracht zu haben. Für eine Milliarde pro Jahr sollen nun „attraktive Lernräume“ aufgebaut und „multiprofessionelle Teams zur Unterstützung der Lehrkräfte“ eingesetzt werden. Toll. Was ist mit Trommeln und Tanzen? Das hat doch die Berliner Rütli Schule ganz weit nach vorne gebracht.

♦ Weil nun nicht jedes Mädel Polizeischutz

 haben kann, bittet der Direktor eines Gymnasiums in Regensburg die Eltern seiner Schülerinnen, diese zu ermahnen, „nur gut ausgeleuchtete Wege“ zu benutzen und den „Schulweg am besten in Gruppen“ anzutreten. Beim Unterstufenball wurden verstärkt Streifenwagen und Polizeikräfte im Umfeld der Schule eingesetzt, und „die aktuellen Sexualdelikte im Bahnhofsumfeld“ „in einer sensiblen Form“ im Unterricht thematisiert.
 Außerdem biete man Selbstverteidigungskurse an. Aber dass nun „rechte Kreise“ den Brief des Direktors „für ihre Zwecke“ (?) nutzten, will der keinesfalls tolerieren.

Schönen Sonntag!


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