Tichys Einblick
BLICK ZURÜCK – NACH VORN

Blackbox KW 24 – Aufsteiger des Jahres

Nein, Friedrich Merz ist es nicht, und Chef Olaf auch nicht. Alice Weidel? Vielleicht. Strack-Zimmermann? Das kommt drauf an, wen Sie fragen. Die Quadrat-Uni Berlin entschied sich für … ach, lesen Sie selbst.

Üblicherweise begründen Politiker ungünstige Wahlausgänge gern damit, dass der Wähler sie nicht richtig verstanden habe, vielleicht auch, weil der ein oder andere Kollege das segensreiche Wirken der Partei hätte noch besser erklären müssen. Chef Olaf ist da leiser, er beschimpft nicht den Wähler, sondern ermahnt seine Koalitionäre, „dass wir unsere Arbeit machen, dafür zu sorgen, dass unser Land modern wird, dass es vorankommt“. 

Obschon sich der Wähler nachgewiesenermaßen gewünscht hat, dass Olaf und seine Truppe das, was er Arbeit nennt, schnellstmöglich einstellen möge und sich diese Leute nur ja nicht noch mehr anstrengen, das Land moderner zu gestalten.

♦ Dabei hat Scholz mit mageren 13,9 Prozent für die SPD noch Glück gehabt, anders als Franzmann Macron, der es offenbar für klug hielt, Ukraine-Selenskyj kurz vor der EU-Wahl im Élysée-Palast zu empfangen. Ergebnis: Totalabsturz und nun nationale Neuwahlen. Vielleicht hat Scholz die Reise des Ukrainers schlauerweise auf die Zeit nach der Wahl hinausgezögert.

♦ Stolz wie ein Brautvater führte unser Genosse Präsident Frank-Walter Selenskyj schließlich doch den Gang zum Redepodest des Bundestags hinunter, wo der eine „historische Rede“ (Bild natürlich) halten durfte. Sodann drängten sich die, die dicke Geschäfte wittern, und die, die risikolos anderer Leute Geld verteilen, vor der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin. Und nicht wenige vom „lieben deutschen Volk“ (Selenskyj) dürften vor Wut in ihr Taschentuch beißen, wissend, dass sie alles über noch höhere Steuern und Geldentwertung werden zahlen müssen.

♦ Wir wollen hier die berechtigten Sorgen eines erfahrenen Obersts a. D. zum möglichen Verlauf des Krieges im Osten gar nicht groß wiedergeben, und auch nicht das Geschwätz des grünen Militärexperten Hofreiter – aber dass die Bundeswehr nicht länger bedingt abwehrbereit bleiben kann, steht außer Frage. Dummerweise befindet sich die Armee in der Hand des SPD-Genossen Pistorius, dessen Wirken zuletzt doch sehr an das der einst ebenfalls beliebten Parteifreundin Franziska Giffey erinnert, der verzweifelte Eltern das „Gute-Kita-Gesetz“ verdanken.

♦ Boris hat nun einen Plan, den man dereinst wohl das Gute-Bumm-Bumm-Gesetz nennen wird. Im Mittelpunkt steht ein Fragebogen, Ausfüllen Pflicht für alle jungen Männer ab 18. Wer dummerweise ankreuzt, er habe keine Kinder, sei topfit und glaube auch, dass Putin spätestens 2029 bis zum Ärmelkanal vorstoßen will, wird direkt eingezogen. 

Weil Boris’ Berater wohl ahnen, dass der Plan nicht wirklich clever ist, dürfen auch Frauen den Fragebogen ausfüllen.

♦ Der Minister sieht das verständlicherweise anders und geht fest davon aus, auf diese Weise „die fittesten, geeignetsten und motiviertesten“ Kandidaten rekrutieren zu können. Geklärt werden muss nur noch, wie mit Rekruten zu verfahren ist, die in der AfD sind. Gilt hier die Brandmauer? Außerdem soll es wohl Schulungszentren und Tanzveranstaltungen geben, denn, so Boris, „wir wollen keinen langweiligen, sinnentleerten Wehrdienst“.

♦ Ist es unhöflich darauf hinzuweisen, dass der 30-Prozent-Erfolg für die Union nichts mit Friedrich Merz zu tun hat? Aber wer sonst soll ihm das sagen? Schon sucht Fritz Koalitionspartner für kommende Siege im Osten. Und wen findet er da? Die alten Freunde von den Weiter-so-Parteien SPD, FDP und Grünen, sowie die SED, die die CDU schon jetzt in Thüringen duldet. Eine Alternative kann er nicht erkennen, und auch Sahra Wagenknecht ist ihm zu linksextrem und rechtsextrem gleichzeitig. Sahras Spitzenmann di Masi findet das wiederum „extrem dämlich“ und lässt Fritz wissen, dass schon längst CDU-Leute regelmäßig beim BSW anrufen: „Man will ja im Osten regieren“.

♦ Die CDU-Linke, die Bundesvize Prien, sieht das genauso, und dann gibt es noch Herrn Wüst aus dem Homeland NRW, der sich wohl am meisten über Merzens Aussage freuen dürfte.
 Apropos. Wüst hat den Eindruck, dass viele aus dem Homeland noch nie in Sachsen oder Thüringen gewesen sind: „Mancher kennt sich auf Mallorca besser aus als in Sachsen oder Thüringen.“ 

Bevor er jetzt vergünstigte Busreisen von Ost nach West und umgekehrt organisiert, sollte er froh sein, wenn nur wenige Sachsen oder Thüringer das Homeland NRW besuchen, denn was die da, etwa in Duisburg, erleben würden, dürfte wahlentscheidend im Osten sein.

♦ Auch ein anderer Unionist namens Bundespräsident a. D. Christian Wulff – Freunde der gepflegten Unterhaltung erinnern sich bestimmt noch an seine Bettina – kann an Sahra Wagenknecht nichts Radikales erkennen. Außerdem rät er uns allen, „dass wir uns den 4. September 2040 im Kalender notieren“, weil wir dann auf all die „Olympiasieger, Forscher, Entwickler, Busfahrer, Eisenbahnschaffner aus Ländern wie Afghanistan, Syrien oder der Türkei“ verdammt stolz sein werden. Zum Jahrestag der Merkelschen Grenzöffnung werde es „Sondersendungen zur Nichtschließung der Grenzen Deutschlands“ geben. 

Da ist er absolut sicher. Was die Sondersendungen betrifft, stimmen wir sogar zu.

♦ Denn niemand zeigt so schön, was alles falsch läuft in Schland wie unser Staatsfunk. Nach der EU-Wahl moderierte Jörg Schönenborn, „Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung“ des WDR, die Verbesserung der AfD um fünf Prozentpunkte auf 15,9 Prozent unter der Überschrift „Niedergang der AfD“. Aber selbst die Jüngsten zeigen sich inzwischen für die Indoktrination immun. Bei den 16- bis 24-Jährigen kam die AfD auf den zweiten Platz, nur einen Punkt hinter der Union. Die Grünen verloren in dieser Altersgruppe sagenhafte 23 Prozentpunkte.

♦ Vielleicht wird es ja mit einem neuen Format besser. So gibt es nun die Tagesschau in verständlicher Sprache, wo es etwa heißt: „Indien. Es ist viel zu heiß. In dem Land Indien ist es im Frühling immer heiß. Aber jetzt gerade ist es richtig schlimm heiß.“ Hm. Und was ist da nun anders als in der alten Tagesschau? Überhaupt scheint nicht die schlichte Sprache das Problem beim Staatsfunk zu sein, die beherrschen sie schon ganz gut, sondern eher die unterkomplexen Inhalte.

♦ Man müsste Demoskop sein, der Branche stehen die goldensten Monate erst noch bevor. Täglich werden sich die Roten, Grünen und Gelben von nun an ihre Horoskope erstellen lassen, einer sieht im anderen den Schuldigen an seiner Misere. Der rote Kevin fängt schon mal an. Die Menschen hätten viele SPD-Themen toll gefunden, aber die Grünen und die FDP hätten diese verwässert. Fazit: Die Ampel ist eine Hypothek für die SPD. Herrlich.

♦ SPD-Chef Lars Klingbeil scheint einer jener glücklichen Zeitgenossen zu sein, denen keine Art von Bildung die Existenz beschwert, obschon er sogar eine Universität (Hannover!) von innen kennenlernen durfte. Trotz Nebenfach Geschichte nennt er sechs Millionen Wähler „Nazis“, die die Blauen gewählt haben… „Nazis!“… und auch Alice Weidel … „Nazi!“… 

Gott, setzen Sie sich wieder hin, Klingbeil!

♦ Es ist unsere Pflicht, in diesen Zeiten Geheimdienstchef Haldenwang zu informieren, wenn uns etwas Verdächtiges auffällt, und auch wir kommen dieser demokratischen Pflicht, wenn auch ungern, nach. Also, Haldenwang, Sie sollten sich dringend um einen gewissen Jürgen Karl Uchtmann, Berlin, kümmern. Der sucht „Frauen und Männer, die bereit sind mit einer Waffe in der Hand Berlin zu verteidigen“. 

Also für uns hört sich das ganz klar nach Reichsbürger an.

♦ Gute Nachricht für Impffreunde: Die EU-Kommission hat 665.000 Impfdosen gegen Vogelgrippe bestellt und eine Option auf weitere 40 Millionen Dosen unterschrieben. 
Leider in erster Linie für Tierärzte, und (huch!) Deutschland hat sich der Bestellung noch nicht angeschlossen. Wie? Sie fragen nach Wirksamkeitsstudien, nach dem, was wir bei Corona erlebt haben? Die konnten leider noch nicht durchgeführt werden, da das Virus unter Menschen noch nicht zirkuliert.

♦ Apropos. Ist die Resilienz der grünen Blase nicht bewundernswert? Da kassieren sie die erste große Klatsche und einen Tag später verleiht die Quadrat-Uni zu Berlin Grünen-Chefin Ricarda Lang tatsächlich den Ehrentitel „Aufsteigerin des Jahres“, weil sie so sprachbegabt ist. 
Kannste nicht erfinden.

P.S. Sollten Sie an dieser Stelle die aktuellen Fußballergebnisse vermissen, sei darauf hingewiesen, dass wir am Samstag unabkömmlich waren. Wegen 10 Jahre- Tichys-Einblick-Sonderveranstaltung.

Schönes Wochenende!


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