Tichys Einblick
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Blackbox KW 9 – Personae non gratae

Opernsänger, Dirigenten, Wurst, Wodka und Schröder werden mit demselben heiligen Furor verdammt wie zuvor Ungeimpfte. Fehlt nur noch der Papst und ein Deus vult – Gott will es.

Die deutsche Presse und Politik hat, nachdem es bei Corona doch zuletzt anfing zu bröckeln, wieder zueinander gefunden: „Ich bin Ukrainer“ ist die Losung des Tages. So bejubelt der Welt-Chefredakteur „Deutschlands spektakulären Neuanfang“, und einer seiner Autoren stellt die rhetorische Frage angesichts unserer Versorgungslage „Frieren für den Frieden?“ und kommt zu dem Schluss, dazu sollten die Geringverdiener bereit sein. 100 Milliarden für die Bundeswehr? Kein Problem!, auch wenn der Schweizer Kolumnist Roger Köppel das süffisant mit „Ich hoffe, die Deutschen haben dieses Geld“ kommentiert. Selbst die Linksjournaille kann sich damit anfreunden, allerdings nicht ohne den Hinweis, dass „auch Windräder Waffen sind“.

♦ Über allem strahlt der Nimbus von Olaf Scholz, dessen Regierungserklärung „tosenden Beifall und Standing Ovations“ auslöste, und, so das Wall Street Journal, „in die Geschichte eingehen“ wird. Das nüchterne (?) Finanzblatt sieht bereits eine „Göttliche Erleuchtung“ am Werk. Dabei ist das Getöse im Reichstag leicht zu verstehen, denn die Zusammensetzung unseres Hohen Hauses entspricht eher einer enthusiastischen evangelikanischen Kirchengemeinde, da wird der Herr schon mal lauter gelobt.

♦ Unsere ARD ist im Ukraine-Krieg leider nur „bedingt berichtsbereit“. Während andere deutsche Presseorgane wenigstens einen oder zwei Berichterstatter „vor Ort“ haben, hat der milliardenschwere Staatsfunk niemanden im Kriegsgebiet. So werden die Zamperonis von anderen Informanten und über Youtube-Videos für ihre Aufsager bedient. Jedenfalls wird der Staatsfunk seiner ureigentlichen Aufgabe wohl gerecht, denn „Scholz und Baerbock im Höhenflug – große Mehrheit für Härte gegen Putin“ haben Meinungsforscher für die ARD (und Welt) frisch herausgefunden.

♦ Kennen Sie den SPD-Landtagsabgeordneten Hartmut Ganzke? Wahrscheinlich nicht, wenn Sie nicht aus Unna im Homeland NRW sind. Doch nun fällt ein mediales Schlaglicht auf den tapferen Mann, denn er hat Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen beim Generalbundesanwalt angezeigt. Die Anzeige liegt natürlich auch der Presse vor.

♦ Ein Genosse muss nicht zwingend singen können, aber soviel weiß man auch in der SPD: Der Ton macht die Musik. Und den richtigen Ton getroffen zu haben, davon ist Münchens SPD-OB Dieter Reiter wohl fest überzeugt, als er den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev entließ. Der Russe hatte Reiters Ultimatum verstreichen lassen, „sich vom russischen Machthaber und dessen Invasion in der Ukraine zu distanzieren“. Ob der Russe womöglich nicht einmal geimpft ist, ließ die begeisterte Presse unerwähnt.

♦ In Hamburg freut sich SPD-Kultursenator Carsten Brosda, dass die Russin Anna Netrebko – inzwischen weltweit Persona non grata – auch ihr Konzert in der Elbphilharmonie abgesagt hat. Könnte Grönemeyer einspringen?

♦ Auch die kleinen Leuchten blinken in dieser dunklen Zeit kurz auf. So haben vier „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, wir vermuten aufrechte Spezialdemokraten, im Bundestagsbüro von Putin-Freund Schröder gekündigt (wohl nicht ohne sich vorher einer Anschlussverwendung ohne Lohnabstrich zu versichern).

♦ Wenn Worten Taten folgen müssen, wird es eng für Sozialisten aller Farbschattierungen. „Wir haben Platz“, tönen die rotgrünen Genossen bei jeder medialen Gelegenheit, aber wenn dann mal ein Zug aus Polen kommt, ist es auch wieder nicht recht. „Mit jedem Zug aus Richtung Polen kommen 500 bis 1.000 Menschen nach Berlin“, klagen nun die, die den Mund stets zu voll nehmen, und sie bitten „dringend“ um die Weiterleitung von Flüchtlingen aus der Ukraine in andere Teile des Landes.

♦ Annalena Baerbock will „alle Flüchtlinge“ aufnehmen (Soros-„Experte“ Knaus geht von 10 Millionen aus), und manch einen mag irritiert haben, wer da alles ankam, etwa „Tom aus dem Sudan, geflüchtet aus der Ukraine“, wie die Welt schrieb.

♦ Dank Internet und sozialen Netzwerken ahnt man auch in Afrika, dass derzeit echte Kriegs-Flüchtlinge in der Gunst der Deutschen ganz oben stehen, da heißt es, jetzt aber schnell! So verschafften sich ein paar Hundert „unter Anwendung extremer Gewalt“, mit „Steinen, Metall-Haken und Knüppeln“ Zugang zur spanischen Nordafrika-Exklave Melilla. 43 Beamte der spanischen Polizeieinheit Guardia Civil sollen zum Teil schwer verletzt worden sein. Aber jetzt sind sie halt da.

♦ In England sitzt zwar kein Churchill an der Spitze, aber dafür einer, der ein Buch über Churchill geschrieben hat und sich nun beweisen kann. In den USA machte Oberbefehlshaber Joe Putin in seiner Rede zur Lage der Nation unmissverständlich klar, dass er zwar Kiew mit Panzern umzingeln kann, aber so wird er „nie die Herzen und Seelen des iranischen Volkes gewinnen“.  Der Wirtschaftskrieg aber zeigt Wirkung: Die Sanktionen verwandeln den Rubel in ein Rubbellos, und ein wütender Putin spielt derweil mit dem roten Knopf.

♦ Die Bundeswehr macht schon mal Platz für die neuen Gerätschaften, deren Anschaffung Olaf Scholz versprochen hat, und liefert 2.700 „Strela“-Flugabwehrraketen aus ehemaligen NVA-Beständen an die Ukraine. Die Nutzung der alten Schießgeräte ist für hiesige Mannschaften eh seit Jahren gesperrt.

♦ Schon ist von der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht die Rede, aber unsere pazifistische Jugend muss sich nicht fürchten, denn es ist ein Leichtes, die Einberufung zu umschiffen. Es reicht, auch dank der FDP, der Gang zum Einwohnermeldeamt, und schon wird aus Markus eine Tessa.

♦ Wolodimir Selenskij ist jedenfalls der Mann der Stunde. Statt eines Freifahrtscheins zur Flucht forderte der ukrainische Präsident Munition und als Solidarität den sofortigen EU-Beitritt der Ukraine, und die oberste Herrscherin der EU, Ursula von der Leyen, hat bereits fest zugesagt: „Sie sind einer von uns, und wir wollen sie drin haben.“

♦ Seit Frauen die wichtigsten Ministerien besetzen, geht es dem Land doch deutlich besser. Rechtsradikale wurden allerorten aufgespürt und aussortiert, feministische Außenpolitik – auch Olaf ist übrigens Feminist – macht die Welt sicherer, und mit Svenjas und Steffis wird auch die „Energiewende“ ein Klacks (halt nur ein wenig teurer). Und dank der leicht linksextremen (gibt’s sowas?) Nancy Faeser kommen auch Leute mit ungewöhnlichen Erwerbsbiografien in hochbezahlte Positionen, solange sie die linke Sektensprache aus dem Effeff beherrschen.

♦ Keiner ist bei der überfälligen Feminisierung der Politik so förderlich wie unser Genosse Präsident Frank-Walter. Sein einziges Manko besteht darin, dass er keine Frau ist. Das macht er durch besonders lauten Lobgesang wieder wett. Anlässlich einer überschwänglichen Lobhudelei über die stets der SPD verbundene Filmemacherin Margarethe von Trotta lobte er deren „neue Sichtweisen, insbesondere auf große Frauen der Weltgeschichte, die sich den Brüchen und Zumutungen ihrer jeweiligen Zeit mit großer Intelligenz, persönlicher Stärke und einem ausgeprägten Willen zur Veränderung der gesellschaftlichen als auch politischen Verhältnisse stellen“. Kann man das schöner sagen? Natürlich nicht. Als „große Frauen der Weltgeschichte“ streicht Frank-Walter – parteipolitisch neutral wie kein zweiter – nicht etwa Spezialdemokratinnen besonders heraus, sondern beispielsweise Hildegard von Bingen (obwohl es zu deren Zeit noch keine SPD gab, der sie hätte beitreten können), Rosa Luxemburg (die die SPD für eine Faschistenbande hielt), Hannah Arendt (viel zu intelligent für eine SPD-Mitgliedschaft) und Gudrun Ensslin … also … äh, das ist dem Hohen Herrn nur so rausgerutscht, quasi eine falsche Formulierung, aber nur, weil sich plötzlich manche aufregten, die die Rote Armee Fraktion in eher schlechter Erinnerung haben.

♦ Schade, leider kein Platz mehr für die pfiffige Busfahrerin, die 11 Corona-Teststationen auf dem Papier betrieb, für Schalke, das sich von Gazprom trennt, Manu Schwesig, die ihre Nord-Stream-2-Stiftung auflöst, nicht mal für Karl Lauterbach, der Ukraine-Flüchtlingen ein besonderes Impfangebot macht. Aber: Wegen dieser Impf-Nebenwirkungen, auf die BKK-Chef Schöfbeck hingewiesen hatte, müssen Sie sich keine weiteren Gedanken machen. Schöfbeck, der auf die beunruhigend hohe Anzahl derselben hingewiesen hatte, wurde entlassen. Problem gelöst.

Schönen Sonntag trotzdem.


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