Tichys Einblick
Mythos von der Aufholjagd eines grünen Widerstandskämpfers

Van der Bellen: Märchenonkel als Bundespräsident spaltet Österreich

Alexander Van der Bellen ist mit einer fatalen Fehlanalyse in sein neues Amt gestartet. Dennoch könnte er das kleinere Übel für Österreich und Europa bedeuten. Der Hass aus dem Establishment aus ganz Europa flankiert durch linksradikalen Hass der Straße wäre bei einem blauen Bundespräsidenten Norbert Hofer womöglich aus dem Ruder gelaufen und unkalkulierbar geworden.

Der neue österreichische Präsident, Amtseinführung am 8. Juli, Alexander Van der Bellen, hat sein neues Amt mit einer Fehlanalyse begonnen. Er wiederholte nämlich die etwas merkwürdige Legende, die er und mit ihm seine Partei und Anhänger auch schon am Wahltag freudig überrascht propagiert hatte: Er, Van der Bellen, hätte mit samt seinem Team eine sensationelle „Aufholjagd“ gegenüber dem weit vorne liegenden Norbert Hofer, dem Kandidaten der Blauen, hingelegt.

Die Zahlen geben vordergründig, ohne hinzuschauen und nachzudenken, dem ersten Anschein nach eine solche Behauptung, es hätte eine Aufholjagd gegeben, her. Hofer hatte im ersten Wahlgang vor vier Wochen 35 % der Stimmen erreicht, Van der Bellen dagegen nur rund 21 %. Fürwahr eine Riesendifferenz.

Nun war die Kandidatur des blauen Hofer seit ihrer Anmeldung Anfang des Jahres 2016 im Prinzip durchgehend vom Rest der Nation und den Spitzen Europas skandalisiert worden. Der Gegenkandidat Hofer war also allein auf sich und seine ihn tragende blaue FPÖ gestellt. Hofer war im ersten Wahlgang der „Schmuddelkandidat“, der „Rechtspopulist“, der „Störenfried“, und das blieb er auch im zweiten Wahlgang. Hofer schöpfte das blaue Wählerpotenzial im ersten und noch mehr im zweiten Wahlgang voll, mindestens zu 95 % aus. Das war seine Rolle im Wahlkampf.

Van der Bellen, der den parteilosen Grünen mimte, kam im ersten Wahlgang dank der Unterstützung seiner Grünen und dank der Unterstützung von einigen eigentlich geborenen SPÖ- und ÖVP-Wählern, die die eigenen Kandidaten ihrer atomisierten Parteien nicht mehr wählen mochten, auf sein grün-rot schwärzliches Ergebnis von besagten 21 %. Die Eintags-Protest-Feministenkandidatin Griss, die für alles und nichts gut war, aber eher mit dem etablierten Stallgeruch von rot-schwarz auftauchte, holte knapp 19%. Van der Bellen war also schon im ersten Wahlgang ein Abstauber unzufriedener rot-schwarzer Stammwähler. Das war nicht sein Verdienst im klassischen Wortsinn, aber zu seinen Gunsten lässt sich anfügen, dass er mit seinen Grünen nicht ganz so verbraucht war wie die etablierten ewigen Volksparteien Österreichs und deren Spitzenpersonal.

Vom 1. Wahlgang an konnte Van der Bellen machen, was er wollte, eines konnte er nicht verhindern: Das gesamte uralte österreichische Establishment in Politik, Gesellschaft, Kultur, Kunst und in den Medien apportierte ihm unter dem Rubrum des Verhinderungskampfes des blauen Norbert Hofer seine Unterstützung. Van der Bellen war, was schon am Abend der ersten Wahl feststand, der allseits promotete Gegenkandidat zum eigentlichen Gegenkandidaten Hofer.

Auch das europäische Establishment fieberte im Anti-Hofer-Kampf und drängte seine Unterstützung dem Kandidaten Van der Bellen, ob der es wollte oder nicht, auf. Und natürlich, Van der Bellen ist ja kein Kostverächter, er nahm alle milden Gaben, die seine Bewerbung um die Präsidentschaft erfolgreicher machten, dankbar an. Fehler vermeiden, aber im Prinzip nichts tun, als sich von einer Welle von Unterstützung zu dem hauchdünnen Wahlsieg tragen lassen, das war der Weg Van der Bellens zu seinem hauchdünnen Wahlsieg. Van der Bellen musste keine Menschen, keine Herzen, keine Köpfe erobern, sondern umgekehrt, die Hofer-Verhinderer drängten sich ihm auf.

Es gibt keine eine Dynamik implizierende Aufholjagd Van der Bellens. Er war in der Stichwahl der gleichsam natürliche Kandidat des Establishments, das seine Wunden aus der Wahl von vor vier Wochen noch leckte und das Gesicht wahren wollte. Große Teile der SPÖ-´und ÖVP-Wähler, die bis vor kurzem noch die absolute Mehrheit stellten, fielen ihm zu, ebenso die Neos. Und dann hatte sich auch Griss mit einer Wahlempfehlung hinter ihn gestellt und alles, was Rang und Namen in Österreich hat, sowieso.

Es hat eine Aufholjagd und einen Aufholjäger gegeben und das war Norbert Hofer

Dass sich der neue Bundespräsident in seiner allerersten „Amtshandlung“ erst einmal selber als Aufholjäger feiert und sich von den Medien und seinen Leuten als ein solcher feiern lässt, ist nervig. Und falls er an sein Aufholmärchen selber glauben sollte, wäre es unwürdiger Auftakt. Auch das Märchen, dass es sich um den ersten grünen Bundespräsidenten handelt und dass dies der erste grüne Durchbruch an die Staatsspitze wäre, ist, wie sich aus dem Gesagten ergibt, eine fatale Fehleinschätzung, zumal Van der Bellen auch noch zusätzlich so viel Wert daraufgelegt hat, als Unabhängiger gestartet zu sein.

Nun gehört Angeben zwar zum politischen Geschäft, aber der „grüne Aufholjäger“ schaltet gleichzeitig sehr populistisch in den Gute-Onkel-Gang. Ganz im Stil der abgewirtschafteten österreichischen dauergroßkoalitionären Gesellschaft verkündete Van der Bellen mit dem Pathos einer milden Mathilde, dass er nun der Bundespräsident aller Österreicher sein und das tief gespaltene Land versöhnen wollte.

Das allerdings scheint angesichts der ersten Fehleinschätzungen ein ziemlich irrealer Ansatz zu sein, der den Status quo verkennt oder vertuscht: Es hat eine Aufholjagd und einen Aufholjäger gegeben. Das war definitiv nicht Van der Bellen, sondern das war sein Gegenkandidat Norbert Hofer, der von einer gigantischen Allparteienkoalition gejagt, verfolgt und diskreditiert wurde. Hofer hat rund 15 Prozentpunkte zusätzlich zwingend aus dem Lager, das ihn bekämpft, herausgeholt und knapp 50 % der Stimmen erreicht. Insofern liegt in der die Lager verkennenden Selbstbeweihräucherung Van der Bellens, er wäre ein erfolgreicher Aufholjäger, zugleich die erste neue Diskreditierung der anderen Hälfte der Österreicher.

Das sich selber feiernden Hochglanzlager, in dem Van der Bellen seinen sehr flachen 50%-Durchmarsch absahnen konnte, hat dem „anderen“, „dunklen“, „rückwärtsgerichteten“, „rechtsradikalen“, „nazimäßigen“, „dumpfbackigen“, „nationalistischen“, „braunen“,„europafeindlichen“, „ausländerfeindlichen“, von einem schönen Österreich träumenden Bösnickel-Lager mit dem typischen lockeren Hass von Oben herab tiefe Wunden geschlagen. Der sich jetzt erstmalig formierende Widerstand von Unten war jetzt mit dieser Methode, die Routine hat (Totschweigen, Ausgrenzen, Diffamieren, mit Kampagnenjournalismus überziehen, einzelne Menschen jagen und rufmorden) nur noch mit Ach und Krach gerade eben unterhalb der 50%-Marke zu halten. So lässt sich die Aufbruchenergie des blauen Lagers, das seine Muskeln gerade eben erst beginnt zu spüren, weder bremsen noch lässt sich auf diese Weise etwas versöhnen.

Einzelne großkotzige Stimmen, dass man die Hälfte der Österreicher nicht einfach mit Nazis gleichsetzen könnte, (das tut ja keiner, gewiss nicht, auf keinen Fall) ändern daran nichts. Die Generalverdächtigung, die ihrerseits die Zeiten heraufbeschwört, deren Nachwirkung die politisch Korrekten zu bekämpfen vorgeben, perpetuieren die Spaltung des Landes und wirken jeder Versöhnung kontraproduktiv entgegen. Das etablierte Relativieren der Naziverbrechen von Oben, in dem die FPÖ-Wähler als „Nazis“ beschimpft werden, ist eine der tragenden Säulen der Spaltung Österreichs.

Die Probleme des Landes Österreich, die nicht befriedigende wirtschaftliche Prognose, die nicht im Ansatz gelöste Integration, die Masseneinwanderung, für die es keinerlei Konzept gibt, das zunehmend antagonistische Verhältnis zwischen Religionen und Glaubensbekenntnissen und Denkschulen, lassen sich mit dem Mantra, wir sind für ein weltoffenes Europa und für eine tolerante freie Welt und dergleichen mehr in keiner Weise bewältigen.

Ein zurückgetretender Bundeskanzler Faymann mitten im Wahlkampf um den Bundespräsidenten, sein aus dem System heraus bestimmter Nachfolger, ein verhinderter blauer Hofer und der Scherbenhaufen, den die österreichische Konsensregierung vor sich herschiebt, und die bevorstehende fortgesetzte Masseneinwanderung ohne jedes Konzept, das ist das, was nach dem überspitzten Wahlkampf, mit dem sich Österreich fünf Monate lang selber von der Realität abgelenkt hat, übrigbleibt.

Da ist ein alter übrig gebliebener, milde gewordener Alt-68er mit all den Attitüden und Selbstverkennungen bereits deplatziert, bevor er sein Amt überhaupt antritt.

Mag sein, dass Van der Bellen geradezu das kleinere Übel ist

Man spiele die andere Alternative durch: Ein paar wenige Stimmen anders verteilt und Hofer wäre Präsident geworden. Das Heer der jetzt sichtlich erleichterten und erleuchteten Moderatoren und Ankündiger des Sieges Van der Bellens, wäre mit sorgenzerfurchten Gesichtern vor die Kameras getreten: Moderatoren, Politiker, Analysten, Wissenschaftler und Prominente, Kulturelle und Subkulturelle.

Linksradikale und Etablierte hätten sich die Haare gerauft, den Untergang des Abendlandes als unmittelbar bevorstehend behandelt und unisono davon gesprochen, wie man das, den worst case jetzt noch verhindern, retten, dämpfen, mit welchen Gegenmaßnahmen man die Katastrophe stoppen könnte und müsste. Ein Dauershitstorm hätte das Land überzogen, das Wort „Schande“ wäre zum Hauptkampfbegriff geworden, das Ausland wäre angerufen worden, Österreich mit einem Boykott zu überziehen und die „rechtsradikale“ Nazigefahr, die in Europa bereits wüte, wäre beschworen worden. Gedanken wie Generalstreik hätten die Runde gemacht und die Widerstandbewegung des Establishments mit ihren selbsttätig agierenden „Widerstandskämpfern“ hätte ihre Widerstandsoper wieder und wieder aufgeführt. Das alles ist Österreich und auch Europa jetzt erspart geblieben mit dem eigentlich peinlich knappen Sieg des etablierten Kandidaten Van der Bellen.

Ohne die im links-grünen Lager eigentlich übliche Selbstkritik, die auch massiv weh tun muss, wird es weder die im Feierrausch propagierte Aussöhnung der sich objektiv ziemlich unversöhnbar gegenüberstehenden Lager geben können, noch werden die Fehlentwicklungen, für die das etablierte Lager allein verantwortlich zeichnet, auch nur gestoppt, geschweige denn repariert werden können.

Gemeint ist natürlich nicht das Instrument der Selbstkritik, das im linksradikalen Bereich zur Abrichtung von autonomen Kampfmaschinen diente. Gemeint ist Selbsterkenntnis in Demut der eigenen linken Hybris. Mehr Sebastian Kurz, viel weniger Christian Kern, das wäre auf personeller Ebene ein erster kleinster Schritt in die richtige Richtung.

Die Luxusluftschlösser, die sich das Establishment immer wieder baut, sind schon ein bisschen räudig geworden. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Bundeskanzler, den Van der Bellen vereidigen wird, Heinz-Christian Strache heißen könnte.

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