Sehr geehrter Herr Zuckerberg, üblicherweise ist es so, dass die mächtigste Frau der Welt junge Männer zum Gespräch an einen Ort ihrer Wahl antanzen lässt. Sie sind ein junger, politisch vielleicht noch nicht so erfahrener Mann, der nicht nur sehr erfolgreich ist, sondern seinen Erfolg mit einem völlig neuen Geschäftsmodell und einem völlig neuen interaktiven Medienprodukt gemacht hat. Habemus Facebook, das ist heute. Habemus Papam, das mögen mir die deutschen Katholiken verzeihen, war gestern.
Habemus Facebook, das ist heute
Ich habe vor einigen Tagen im Zusammenhang mit den Feiern zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit einen Fernsehfilm gesehen, der sehr interessant war. Es ging um zwei Mutige, die im Jahr 1989 in Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen, westdeutschen Freunden Bilder in der DDR drehten, von Ereignissen und Umständen, die in den offiziellen Staatsmedien der DDR nicht vorkamen. Diese Bilder drehten die zwei Dissidenten mit westlichen Videokameras, die für sie über die Grenze geschmuggelt worden waren. Die Videocassetten mit den brisanten Aufnahmen wurden in den Westen zurückgeschmuggelt, westlichen Fernsehsendern übergeben und von den Westmedien, die hohe Einschaltquoten in der untergegangenen DDR hatten, in die abendlichen Wohnstuben der DDR-Bürger gesendet.
So erfuhren 16 Millionen DDR-Bürger, die bis unmittelbar vor dem Mauerfall von ihren eigenen Staatsmedien mit den Vorzügen und der Überlegenheit des Sozialismus und der Unterlegenheit des westlichen Kapitalismus berieselt wurden, wie es an vielen hässlichen Orten in der DDR wirklich aussah; vor allem wieviel Opposition, mutige Opposition gegen eine unmenschliche Diktatur sich in den Köpfen der DDR-Bürger bereits entwickelt hatte. Sie erfuhren, dass sich an einzelnen Orten, die von der SED-Diktatur medial abgeriegelt waren, bereits aktive und tatkräftige Oppositionsbündnisse, die auch auf die Straßen gingen, gebildet hatten.
Konkret: Die Leipziger Montagsdemonstrationen des Herbstes 1989 wurden so, durch die heimlich aufgenommenen, in den Westen geschmuggelten und dann dort verbreiteten Videos überhaupt erst in der gesamten DDR und in Westdeutschland bekannt und, wie Sie wissen, sogar weltweit bekannt. Eine Conditio sine qua non für den Fall der Berliner Mauer waren die geschmuggelten Bilder zweier mutiger, sehr fleißiger und akkurat arbeitender Bürger der DDR.
Jetzt werden Sie, Herr Zuckerberg, sagen, das weiß ich doch und eine von diesen mutigen Bürgern war Angela Merkel
Da muss ich Sie enttäuschen. Angela Merkel war nicht einfach DDR-Bürgerin, sondern sie diente in der allseits bekannten, milden Form; keinesfalls übertrieben ehrgeizig aber doch.
Nach allem was bekannt ist, darf man die These wohl aufstellen, dass, wäre es nach den Angela Merkel gegangen, die DDR heute noch bestünde. Dass die DDR überhaupt 40 Jahre lang durchgehalten hat, war nicht nur dem „friedliebenden“ Militär-und Polizeiapparat der DDR geschuldet sowie einer Geheimpolizei exorbitanten Ausmaßes. Nein, es war auch den Staatsmedien der DDR geschuldet. Man kann die Macht der Medien an diesem Beispiel sehr gut erkennen. Man kann auch erkennen, wie ambivalent Medien sind und wie willkürlich oder zielgerichtet Medien ihre Macht ausüben können.
Die DDR überlebte dank der Medien – und sie fiel am Ende dank der Medien und der mutigen Bürger ihres Landes. Aber, auch das wurde in dem kleinen Fernsehfilm, den ich eingangs erwähnte, ganz deutlich hervorgehoben. Es brauchte auch mutige Journalisten im Westen. Der berühmte politisch korrekte Mainstream, dessen Existenz die Mainstreamer neuerdings verbissen und mit sehr durchsichtigen Mitteln für nicht existent erklären wollen, war im Westen auch 89 schon ein ziemlich gefräßiges Raubtier.
Trotz der Evidenz der Unterlegenheit des sozialistisch-diktatorischen DDR-Staatsgebildes auf allen Gebieten, ökonomisch sowieso, aber eben auch in Sachen Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, war es in den Westmedien, die einen ausgesprochenen Linksdrall haben, schick, die DDR schön zu reden und stattdessen Westdeutschland als ein System zu betrachten, dass die Menschen „kaputt macht“, weshalb man das System belobigte. Diese wahnhafte Kaputtmache ist immer noch eine beherrschende Kraft im veröffentlichten Raum. Jene westdeutschen Medien, die ja auch ihre eigenen Korrespondenten in der DDR hatten, waren jahrzehntelang nicht bereit die eklatanten Mängel des Ostberliner Systems von Moskauer Gnaden adäquat zu zeigen. Und noch weniger waren sie bereit, die Überlegenheit des westlichen Systems, dem die meisten Medienmacher auf luxuriösestem Niveau kritisch gegenüber standen, in das Bewusstsein der Menschen zu rücken.
Auch der Westen hatte einen gewaltigen Linksdrall
Es bedurfte also auch damals schon mutiger Journalisten im Westen, die sich gegen den Mainstreamdruck ihrer eigenen Zunft widersetzten und diesem Druck auch standhielten. Selbst der damalige ständige DDR-Korrespondent des Spiegel sagte in demselben, oben erwähnten Film in einem Interview, dass er kein Verständnis für seine Kollegen von den öffentlich-rechtlichen und anderen großen Printmedien hatte, die die wahre Lage in der DDR jahrelang vollkommen ungenügend in Westdeutschland kommuniziert hatten.
Den beiden mutigen DDR-Bürgern gebührt Ehre. Sie haben, wenn nicht ihr Leben, so doch im Entdeckungsfall einige Jahrzehnte ihres Lebens in der relativen Freiheit der DDR riskiert. Die Ostberliner Diktatur war nicht zimperlich mit Regimekritikern. Solange diese Kritiker nicht prominent waren, verschwanden sie wegen freier Meinungsäußerung leicht mal zehn oder zwanzig Jahre im Gefängnis . Im Westen kann man sich nicht vorstellen, wie die Landkarte der Information in der untergegangenen Dunkel-DDR aussah. In der Gegend um Dresden konnten die Leute kein Westfernsehen empfangen. Dort lebten die Menschen, wie ein gängiger Witz es ausdrückte, im „Tal der Ahnungslosen“. Die DDR-Führung war immer, Tag und Nacht, peinlich darauf bedacht, mit selektiver Information und Desinformation der Bürger ihre diktatorische Macht abzusichern. Und die Kommunisten haben, wie Sie wahrscheinlich wissen, in den vergangenen 150 Jahren nicht nur mit blutigen Revolutionen und Völkermorden ihre Macht, beispielsweise in Russland und China, errungen und abgesichert, sondern sie taten dies immer auch mit dem gezielten und sehr gekonnten Einsatz von Medien.
Auf Subversion und Unauffälligkeit getrimmte redaktionelle journalistische Propaganda sind alle linken Strukturen in allen Ländern seit 100 Jahren geeicht, und dies gilt auch ganz aktuell. Linke Strukturen sind medial besser vernetzt als konservative Strukturen. Umso größer ist das Wunder, dass es zwei Menschen in der DDR und einige Freunde im Westen gab, die handelten.
Ich stamme aus einer Verlegerfamilie, die im Dienste der Westlinken und Ostberlins das Propagandageschäft erfolgreich betrieben hat. In meinem Buch So macht Kommunismus Spaß zur Geschichte der Westlinken habe ich diese eigenartige und organisierte Subversion in Ost und West anhand einer Ostberliner Stasi-Akte über die Zeitschrift Konkret beschrieben. Nachrichten, wie es den beiden Filmemachern gelang, auch gegen die Subversion durchzubringen, war sehr schwer. Und auch jetzt gibt es Tatsachen, die nicht berichtet werden. Deswegen ist heute Facebook eine echte neue Unterstützung der Demokratie.
Durch Facebook erfährt der einzelne, dass er mit seiner Meinung nicht allein ist
Zurück zu der Facebookzensur, die Merkel von Ihnen persönlich verlangt hat. Hätte es in der untergegangenen DDR 1989, 88 oder schon 87 Facebook gegeben, hätten 16 Millionen Bundesbürger viel früher davon erfahren, dass es wenige, aber immerhin doch schon funktionsfähige Aktionsbündnisse gab, die sich in klarer Opposition zur DDR-Diktatur befanden. 16 Millionen Bürger, jedes Individuum für sich und alle zusammen, hätten verstanden, dass sie nicht alleine sind, hätten sich anschließen können und hätten das Regime, dem Merkel diente, vielleicht schon ein paar Jahre früher zur Aufgabe gezwungen.
Das ist die immanente Macht der Facebooktechnik, nämlich Menschen in Echtzeit entlang der Interessenlinien, auch entlang der politischen Interessenlinien, zu vernetzen. Das ist die Macht von Facebook, dass die Menschen nicht revolutionär auf die Straße gehen müssen, was sie dank Facebook erleichtert tun könnten, wenn es im Kampf gegen Despotie notwendig ist, sondern Menschen können kraft Echtzeitinformation Regierungen oder Staaten oder Systeme bewegen.
Dank Facebook stehen Informationen, die in der allgemeinen Informationsflut untergehen, dem einzelnen Interessierten zur Verfügung, in dem all seine Facebookfreunde mit Daten sammeln und konzertiert zusammenstellen. Soziale Netzwerke holen den Einzelnen aus seiner relativen Informationseinsamkeit heraus und ermöglichen ihm ein Wir. In einer aktuellen Situation erfährt der einzelne, dass er nicht alleine mit seiner Ablehnung und seiner Kritik ist. Facebook kann also das liefern, was die westlichen Sender, die die aus Ostberlin über die Grenze geschmuggelten Videofilme von 1989 in die DDR hineinsendeten, einmalig in einer besonderen Situation geleistet haben. Facebook ist das heutige Verbindungsmittel (das Netzwerk) zwischen den Individuen. Und Facebook vermittels innerer Privatzensur seiner Eigenschaft als Meinungsbildungsunterstützung zu berauben, in dem nur noch Merkels auf Gleichklang getrimmte Wähler und Bürger Regierungspolitik bejubeln, wäre eine Kastration der nationalen Netzwerke.
Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Präsidenten, Regierungschefs und Obama persönlich mit Marc Zuckerberg treffen und zeigen. Sie mussten als der junge Mann nicht nach Berlin, um Merkel zu sprechen. Nein, Merkel antichambrierte bei Ihnen, um Ihre Zustimmung zu einer Facebookzensur einzuholen. Sie machte Ihnen ihre Aufwartung und einen durch und durch unmoralischen Antrag. Sie, Herr Zuckerberg, sollen bewirken, dass Facebook sogenannte Hass-oder Hetzkommentare gegen die Politik der großen Koalition in Deutschland ausfindig macht und löscht und gegebenenfalls die Nutzung kappt.
Nehmen Sie es mit angelsächsischer Gelassenheit. Eine privatrechtliche Zensur, für die Facebook auch noch Zensoren einstellt, ist – das zeigt das historische Beispiel der Kulturrevolution in China – eine Verfassungskatastrophe. Mao’s Wandzeitungen, der analoge Vorgänger von Facebook, waren ein Unterdrückungsinstrumentarium, mittels dessen sich Millionen von Menschen gegenseitig die Augen aushackten und dies mit freundlicher Unterstützung der kommunistischen Partei und des Staatsapparates. Und selbst der Staatsapparat wurde von Mao vermittels seiner Kulturrevolution und seiner Wandzeitungen manipuliert und das Personal wurde entsprechend ausgetauscht.
Soziale Netzwerke können Diktaturen stürzen oder festigen.
In China war nämlich genau das passiert, dass von Oben die Ansage gemacht wurde, was und in welcher Form und mit welchen Konsequenzen zu verurteilen sei und dann wurde es charakterschwachen Menschen überlassen, selbsttätig auf die Jagd zu gehen und sie gingen auf die Jagd und sie wurden mörderisch und alles fing meistens mit Rufmord an. Sich legitimiert fühlende Rufmörder haben oft die in ihnen schlummernde sadistische Sau nicht im Griff und werden dann zu entfesselten Stalkern und Menschenjägern in williger Andienung an einen von ihnen gefühlten Mainstream.
Bekanntermaßen schalten Diktaturen und Gottes Staaten das Internet keineswegs ab. Sie können sehen und kontrollieren, was wer wann und wo gesagt hat. Sie üben Zensur und nutzen das Internet aktiv für ihre Zwecke. Auch Facebooknutzung können Diktaturen, ohne dass dies für FB ohne weiteres zu erkennen ist, für ihre Zwecke missbrauchen. Vom organisierten Shitstorm oder dem organisierten Zujubeln bis zu organisierten FB-Accounts, ohne, dass es überhaupt eine natürliche Person dahinter gibt, oder organisierter Einschüchterung oder Ermunterung, dies oder das zu unterlassen oder zu sagen.
Sie können Demokratien behindern oder fördern.
In Diktaturen oder Unrechtsstaaten wird durch die dortige übliche Manipulation des Internets, aber auch durch direkte Manipulation im Facebookbereich Lobhudelei zu Gunsten der Diktaturen gefördert und Kritik abgeblockt. Und es wird natürlich Druck auf die Menschen ausgeübt, einen Facebookaccount zu unterhalten oder keinen zu unterhalten, und gegebenenfalls wird Druck ausgeübt, was der einzelne User sagt.
Die berühmten Shitstorms lassen sich perfekt organisieren und solche Shitstorms täuschen zum Beispiel die Ablehnung einer bestimmten Politik vor, obwohl es weder die konkrete Ablehnung gibt, noch die von allen Usern vermutete Ablehnung; Ein Shitstorm führt ja leicht zu dem Irrtum, dass er irgendeine repräsentative Darstellung der Realität besitzt. Allerdings gibt es aber auch nicht organisierte, sondern sich spontan bildende Meinungsstorms, wo viele Menschen tatsächlich ihre eigene Meinung sagen wollen. Das sind Meinungsstorms, die mit dem Wort Shitstorm diametral falsch bezeichnet sind und abgewertet werden.
Es lassen sich unendlich viele Varianten unterschiedlicher Facebooknutzung denken. Die sogenannten Schlepper, deren sich die Zuwanderer bedienen, bis hin zur organisierten Kriminalität und dem sogenannten Islamismus – die dunkle Seite des Internets lässt sich überall beobachten.
Ein soziales Netzwerk ist apriori erst einmal eine Technik und wie alle Techniken kann auch die Technik der sozialen Netzwerke so oder so genutzt werden. Interaktive Medien entfesseln gewaltige Kräfte. Das kann sich in positive Richtungen auswirken und in negative. Soziale Netzwerke können Diktaturen stürzen oder festigen. Sie können Demokratien behindern oder fördern.
Heute bedienen sich die neuen Volksverhexer sehr einfacher, aber gefährlicher Computerprogramme. Sie verwenden eine simple Software und suchen danach, wie oft jemand irgendein Wort verwendet, von dem sie sich vorher ausgedacht haben, dass es rechtsradikal wäre, wie oft jemand eine Seite bei Facebook geliked hat und mit wem jemand auf welchem Netzwerk wo vernetzt ist. Sie erklären irgendwelche Seiten nach ihrem Gusto für kontaminiert und geben auch diese Daten in ihre Menschenfilterprogramme ein. Und schon wird das Programm der Öffentlichkeit als softwarebasierte Nazi-Erkennung verkauft. Das zeigt wes Ungeistes Kind die Volksverhexer sind.
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