Und nun also Fußball. In allen Köpfen, auf allen Kanälen, in allen Gazetten, auf allen Plätzen. Wollen wir nicht heucheln, auch die größten Verweigerer werden aus den Augenwinkeln hinschauen, auf den „au-schon“-Jogi und seine Truppe, auf den Gastgeber, der keinen Spaß versteht – und auf diesen legetimen, weil ebenso unanständigen Nachfolger des geldgierigen Sepp Blatter, FIFA-Chef Gianni Infantino.
Doch schlechter Stil ist nicht allein Sache der Balltreter-Funktionäre: Fußball-Weltmeisterschaften sind immer auch die große Versuchung für die Politik, im Schatten des Balles Dinge zu vollziehen, die niemand merken soll, Gesetze während Deutschland-Spielen durchzupeitschen oder eben abzulehnen. Es regiert sich gut durch, wenn das Bürgervolk vor der WM-Glotze sitzt. Während der WM 2006 war es die Erhöhung der Mehrwertsteuer, 2010 zu Zeiten der WM in Südafrika stieg der Beitragssatz für die gesetzlichen Krankenkassen von 14,9 Prozent auf 15,5. 2014 die Pkw-Maut und der Ökostrom. In diesem Jahr wird’s richtig klebrig und das schlechte Benehmen offenkundig: die Selbstbediener der großen Koalition füllen die Taschen ihrer Parteien, einen Tag nach Start der Fußball-WM wollen sie am Freitag beschließen, dass die Parteien in diesem Jahr bis zu 25 Millionen Euro mehr Steuergeld erhalten, jeweils acht Millionen mehr für CDU und SPD. Ein Liebesdienst der CDU für die nach zahllosen Sonderparteitagen abgebrannten Sozen. Ist es nicht allerliebst?
Plötzlich gellten Pfiffe und sie werden die deutschen Spiele in Russland vermutlich begleiten. Es hat sich etwas verändert seit 2015 in diesem Land. Diese Gesellschaft nimmt seismographischer als vor der „Flüchtlingskrise” falsche Signale wahr, sie will keine Camouflage mehr, sie will Ehrlichkeit. Der Begriff Integration hat seine Unschuld verloren: wenn schon, denn schon! Wenn schon Nationalmannschaft, dann Bekenntnis zur Nation, für einen Kicker möglichst mit textsicherem Absingen der Hymne.
Die unfassbar peinliche Krisenbewältigung des Deutschen Fußball-Bundes zeigt bis heute, dass diese Veränderungen noch keineswegs überall angekommen sind. Mit einer unsäglichen Arroganz von oben herab, per Ordre de Mufti wollten die Verbandsfunktionäre Ruhe im Karton, „so schlimm ist das doch nun auch wieder nicht, jetzt muss es auch mal gut sein, lasst die Jungs jetzt spielen und fertig etc.“ scholl es aus den Reihen des DFB. Und natürlich springt die Kanzlerin ihrem Sport-Lieblingsverband öffentlich-rechtlich sogleich bei.
Die wollen nur spielen! Der DFB verhält sich ebenso abgehoben und kalt wie es die Politik mit den Regungen des Nationalgefühls in der Gesellschaft auch gehalten hat. Wer jetzt national ist, wer die Segnungen der Integration in Zweifel zieht, ist „rechts“. Was für ein grottiger Stil!
Ist es nicht. Wer sich einen unpolitischen Sport wünscht, möge sich zurückbeamen lassen in die Sechziger und Siebziger. Hier und heute herrscht ein anderes Bewusstsein, eben kein Nationalistisches, wie sich die „Pfeifer“ gleich von den üblichen Verdächtigen vorhalten lassen mussten. Aber sehr wohl ein Nationales, zu dem sich Integrierte nicht nur bekennen sollen, wenn‘s Pokale und Bimbes gibt.
Wenn also Herr Grindel doch noch irgendetwas verstanden hat und wenigstens noch irgendetwas retten will, dann lässt er die beiden Herren jetzt die deutsche Nationalhymne lernen. Und wer nicht will, bekommt auch etwas: ein Rückflugticket für den gleichen Tag!