Fast unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit ist eine weitere Mittelmeerinsel zum Ziel irregulärer Migranten aus Asien und Afrika geworden. Der zypriotische Regierungssprecher Viktor Papadopoulos sagte laut der griechischen Tageszeitung Kathimerini: »Zypern ist ein Land, das derzeit sehr große Zuströme im Verhältnis zu seiner Bevölkerung hat, mit der Gefahr demographischer Veränderungen.« Die Möglichkeiten der Insel – de facto nur des südlichen, griechisch regierten Teils – zur Aufnahme irregulärer Migranten seien erschöpft. Die Eindringlinge kommen dabei nicht nur übers Meer, sondern auch über die grüne Grenze vom türkisch besetzten Norden her – eine Grenze, die dann doch poröser zu sein scheint, als man gedacht hätte. Erdogans Einfluss reicht natürlich auch bis hierher.
Zyprische Regierungsstellen sprechen inzwischen gern von einem Anteil von vier Prozent Asylbewerbern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, was Aktivisten bestreiten, da es auf akkumulierten Zahlen basiert. Aber akkumuliert sich die Immigration etwa nicht über die Jahre? Vielleicht nicht in Zypern. Aber letztlich dürfte hier dasselbe wie im Falle Griechenlands gelten, dass nämlich die dort strandenden irregulären Migranten am Ende irgendeinen Weg in die europäischen Asyl- und (häufig leider) Sozialsysteme finden. Sie akkumulieren und aggregieren sich also an bestimmten, besonders exponierten Stellen des Kontinents.
Auch Zypern steht latent am Pranger
Auf den griechischen Nordägäis-Inseln waren es übrigens zu Hochzeiten sicher mehr als zehn Prozent Asylbewerberanteil (inzwischen um die sieben Prozent). Zypern dürfte derzeit noch auf einem etwas niedrigeren Niveau verharren. Aber die kleineren Gesellschaften in Europa reagieren besonders sensibel auf Zuwanderung, vermutlich weil sie noch ein Gefühl von der eigenen Vollständigkeit und Interdependenz haben. Man denke nur an Dänemark oder auch Österreich. Zypern gehört mit 850.000 Einwohnern in eine noch deutlich kleinere Liga. Braucht es deshalb den Beistand der EU, wie Regierungsvertreter nun sagen? Sicherlich, aber zuerst und vor allem beim Grenzschutz. Denn auch Zypern sieht sich – ähnlich wie Griechenland – latent am Pranger, weil es die Einreise von irregulären Bootsmigranten nicht dulden will.
Eine gemeinsame EU-Migrationspolitik fehlt nach wie vor. Gesucht wird allerdings eine, der nicht nur alle Mitgliedsstaaten zustimmen, sondern auch eine Mehrheit der Bürger in der Union. Dass es ein Problem gibt, zeigt sich immer wieder an der Ungeordnetheit der Verfahren und Migrationsströme in der EU – so wenn es um Sekundärmigration zwischen Griechenland und Deutschland geht.
2019 nahm die Inselrepublik etwa 15.000 Asylanträge entgegen, 2020 halbierte sich diese Zahl. Zypern hat allerdings nur etwa ein Hundertstel der Bevölkerung Deutschlands. Multipliziert man die Antragszahlen mit Hundert, bekommt man einen Eindruck von den Dimensionen der Zuwanderung für die Bewohner Zyperns.