Bereits am 17. Juni berichtete TE über die merkwürdigen Kuscheleien zwischen der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Einer der wichtigsten Gründe: das Abkommen mit Tunesien, das rund 1 Milliarde EU-Gelder in den Maghreb-Staat zuschießt. Meloni hat damit ein italienisches Anliegen erfolgreich auf die EU-Ebene gehoben, die Finanzierung übernimmt also Brüssel und nicht Rom allein. Dass die Deutsche in den Cocktail ihre Klima-Mixtur mischen musste, steht dabei wieder auf einem eigenen Blatt
Doch fallen zwei Dinge auf. Erstens: wer nicht dabei ist. Weder Paris noch Berlin spielen bei dem Deal eine Rolle. Die Ampel gilt nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa als geschwächt. Und Staatspräsident Emmanuel Macron machen nicht nur die innenpolitischen Probleme zu schaffen, sondern auch die Unregierbarkeit: Im Parlament existiert keine zurechnungsfähige, stabile Mehrheit. In dieses Vakuum sticht Rom derzeit sehr erfolgreich. Die Devise lautet daher „Italy first“.
Die zweite Sache betrifft die dritte schwache Komponente in diesem Spiel. Es handelt sich um von der Leyen selbst. Ihre Wiederwahl steht auf wackligen Füßen. Rekapitulieren wir an dieser Stelle: Von der Leyen wurde im EU-Parlament von der polnischen PiS, Viktor Orbáns Fidesz, Silvio Berlusconis Forza Italia und dem basislinken Movimento 5 Stelle gewählt. Melonis Fratelli d’Italia haben damals – anders als die EKR-Kollegen aus Polen – gegen die Deutsche gestimmt.
Und hier liegt der Knackpunkt: Nach der nächsten Wahl wird das EU-Parlament deutlich anders aussehen. Die spanische Vox und die italienischen Fratelli d’italia der EKR werden – nach gegenwärtigem Stand – deutlich anwachsen. Und von der Ex-Verteidigungsministerin mit der Vorliebe für besondere Beraterverträge wird vonseiten ihrer eigenen EVP-Partei erwartet, dass sie nicht im Hinterzimmer ausgeknobelt wird, sondern den EU-Wahlkampf als Spitzenkandidatin gewinnt. Und das, obwohl sie bereits als intern angeschlagen gilt, steht doch längst nicht jeder in der EVP hinter ihr.
Die Kommissionspräsidentin braucht also weiterhin Optionen. Nicht nur jetzt, sondern auch noch in einem Jahr. Die EKR-Fraktion und Meloni werden daher in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Zukunft der Kommissionspräsidentin geht. Ob Meloni sich am Ende für diese Freundlichkeiten revanchiert, oder versucht, einen eigenen Faktor in der EU darzustellen, ist dabei der Römerin überlassen. Anders als von der Leyen stehen ihr alle Optionen offen.