Tichys Einblick
Eine Analyse

Herr Xi war in Europa – Zur Reise des chinesischen Präsidenten und zu Deutschland

Xi Jinping begann seine eigenwillige, klug konzipierte Europa-Tour in Paris, flog weiter nach Serbien und beendete sie in Ungarn. Man kann seine Reise als Erfolg für den Chinesen, anscheinenden Erfolg für Orbán, Misserfolg für Frankreich, Blamage für Europa und Klatsche für Deutschland bewerten.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Die Klatsche für Deutschland kann man dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping nicht verübeln, und schon gar nicht dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán vorwerfen. Die Schuld an der Klatsche tragen allein der Bundeskanzler und die Außenministerin als freies Radikal der Bundesregierung: Scholzens politische Orientierungslosigkeit und Baerbocks auftrumpfender Dilettantismus – obwohl Dilettantismus noch ein Lob bedeutet, angesichts ihrer Ahnungslosigkeit kombiniert mit der Fremdsteuerung durch ihre amerikanische Staatssekretärin Jennifer Morgan. Blickt man auf das Agieren der deutschen Außenministerin, die durch die Welt stapft, als sei die Welt der Hühnerhof von Pattensen, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass deutsche Außenpolitik amerikanisch dominiert wird.

Paris, Belgrad, Budapest
Xi Jinping besucht Europa – Berlin lässt er links liegen
In Frankreich sprach Xi Jinping mit Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen, ohne dass dabei viel mehr herausgekommen wäre, als dass man miteinander gesprochen hat. Die EU-Kommissionspräsidentin dürfte keinen großen Eindruck bei dem chinesischen Präsidenten hinterlassen haben. Von der Leyen möchte die europäische Autoproduktion vor der Überflutung des heimischen Marktes mit chinesischen Billigmodellen schützen. Macron tat so, als ob auch er das innig wünschte.

Von der Leyen erwägt, Mittel aus dem verstaubten Arsenal des Protektionismus zu benutzen, und zwar Einfuhrzölle. Macron dürfte bei dem Thema um einen neutralen Gesichtsausdruck gerungen haben, weil der französische Staat am viertgrößten Autoproduzenten der Welt beteiligt ist. Der Stellantis-Konzern, zu dem die Marken Abarth, Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Dodge, DS, Fiat, Jeep, Lancia, Maserati, Opel, Peugeot, Ram und Vauxhall gehören, ging aus der Fusion des amerikanisch-italienischen Konzerns Fiat Chrysler Automobiles und der französischen PSA Gruppe hervor. Aufgrund der Vorgaben der EU-Kommission für das Verbrenner-Aus steuert der Konzernchef Carlos Tavares Stellantis in Richtung E-Mobilität und ruft dabei sehr laut nach Subventionen, schließlich weiß er um die weit offenstehenden Kassen von der Leyens und Habecks.

Und weil die Propagandalüge so leicht einprägsam wie funktionierend ist, trällert auch er: „Jetzt erleben wir diese Erwärmung in unserem täglichen Leben. Wir brauchen den Umstieg auf die Elektromobilität …“, um im Interview wie ein Versicherungsvertreter mächtig die Werbetrommel zu rühren: „Saubere Energie ist die Voraussetzung für alles. Wir bieten 30 Elektromodelle an, Ende des Jahres werden es 48 sein. Wir sind bereit. Jetzt müssen die Bürger davon überzeugt werden, dass Elektroautos die richtige Antwort sind.“ Und dafür benötigt Tavares wie der Teufel die Seelen Subventionen und nochmals Subventionen, denn: „Wenn die Technologie, die von der politischen Führung beschlossen wurde, zu teuer ist, dann müssen die Staaten helfen, den Übergang zu subventionieren.“ Nicht der Markt ruft nach der Elektrotechnologie, sondern die politische Führung hat sie beschlossen – da liegt der Hase im Pfeffer, denn wer bestellt, muss auch bezahlen.

E-Mobilität auf Staatsstützrädern
Die Weltsicht des Opel-Fiat-Peugeot-Chrysler-Chefs Tavares
Und was hat das nun mit der chinesischen Billigkonkurrenz und Ursula von der Leyen zu tun? Ganz einfach: Zum Bunde der Eigentümer von Stellantis gehört mit 1,58 Prozent der chinesische E-Auto-Bauer Dongfeng Motor Coporation. Die Dongfeng Motor Corporation gehört zu 100 Prozent der chinesischen Regierung. Es ist also ein Konzern auf Staatsstützrädern. Hinzu kommt: Am 26. Oktober 2023 kaufte Stellantis Aktien des chinesischen Elektrofahrzeugherstellers Leapmotor. Im Rahmen des Join Ventures wurde Stellantis das exklusive Recht zum Verkauf, Export und zur Herstellung von Leapmotor-Produkten außerhalb Chinas eingeräumt. Bis 2030 will Stellantis außerhalb Chinas 500.000 Fahrzeuge verkaufen.

Die Pointe des Abkommens besteht darin, dass das Joint Venture in den Niederlanden registriert ist und Stellantis deshalb die Leapmotor-Produkte auch in Europa bauen kann, wenn die EU die Einfuhrzölle auf chinesische E-Fahrzeuge erhöht, und man dadurch die Zölle zu unterlaufen vermag. So gesehen könnte Stellantis auch als trojanisches Pferd den Chinesen dienen. Natürlich weiß das alles Emmanuel Macron. Und auch, dass der Hauptstoß, den Stellantis führt, die deutsche Automobilindustrie treffen wird, vor allem VW, denn Stellantis war 2023 gemessen am Umsatz der viertgrößte Autohersteller der Welt, hinter Toyota, der Volkswagen Group und der Hyundai Motor Group.

Doch als es in Paris um diese Themen ging, planschte die deutsche Außenministerin irgendwo in der Südsee und der Bundeskanzler seilte sich nach Litauen ab. VW sitzt in der Falle. Und BMW? Baut ein Werk für E-Autos im ungarischen Debrecen. Ebenfalls in Debrecen vis à vis von BMW errichten die Chinesen ein Batteriewerk für E-Mobile. Mit einem Wort: Ursula von der Leyens Drohungen konnte in Paris niemand ernst nehmen.

Aber eine Möglichkeit existiert dennoch, eine sehr starke sogar, die Katastrophe für VW und für Deutschland abzuwenden, eine viel bessere als Strafzölle – zumal diese Mauern keinen Sinn mehr besitzen, wenn die trojanischen Pferde bereits innerhalb der Mauern platziert sind: das Aus für das Verbrenner-Aus. Aus Verantwortung für den Industriestandort Deutschland muss die deutsche Regierung das Verbrenner-Aus kippen. Sahra Wagenknecht sagt damit nichts Neues und nichts Originelles, aber sie hat mit ihrer Forderung, Deutschland zum ersten Standort für die Produktion hochleistungsfähiger und im Verbrauch erstaunlich sparsamer Verbrenner weiterzuentwickeln, quasi nicht das Aus für den Verbrenner, sondern eine neue Generation von Verbrennern zu entwickeln, vollkommen recht. Dann liefe übrigens sowohl die chinesische als auch die französische und die womöglich französisch-chinesische Strategie ins Leere. Für Stellantis führte das sogar in die Abseitsfalle, ins Desaster. Deutsche Politik ist so einfach zu bestimmen, wenn sie von deutschen Interessen ausgeht und nicht von den Werten der Klimaklippschulwoken.

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Der Ansatz, den Macron verfolgt, ist das Konzept einer „strategischen Autonomie“ Europas, gerade im Verhältnis zu China sich von der Hegemonie der Amerikaner zu befreien. Das klingt vernünftig, beinhaltet aber für die deutsche Wirtschaft den Nebeneffekt, dass es die französische Wirtschaft à la longue in die Position bringt, in der die deutsche Wirtschaft in China und in Ungarn heute noch ist. In Paris hat man erkannt, welche wirtschaftlichen und fiskalischen Möglichkeiten sich aus dem Umstand ergeben, dass in deutschen Regierungskreisen das Wort deutsche Interessen ein Fremdwort ist. In Paris denkt man eben französisch, in Berlin denkt man dagegen groß, in Berlin denkt man sogar talmi, denkt man überhaupt planetarisch.

Deutschland ist inzwischen der von allen belächelte eitle Dummkopf, der nur noch in den Spiegel schaut, wenn er redet, und seine Reden für perfekt hält, denn das Spiegelbild quittiert jede Rede mit einem verzückten Lächeln. Andere schauen nicht in den Spiegel, sondern in die Welt.

XI Jinping kann mit seinem Trip nach Paris zufrieden sein, Macron hat er ein wenig mit dem Besuch geehrt, ihm gezeigt, dass er wichtiger ist als die Deutschen – und von der Leyen ist willfährig nach Paris gedüst, Erfolg. Weder in der Frage der Handelsbeziehungen noch in der Frage eines Friedens in der Ukraine hat indes Emmanuel Macron auch nur das Geringste erreicht. China ist an einer Ausweitung des Krieges nicht interessiert, doch die Schwächung Europas kommt Xis Hegemonieplänen entgegen. Denn Chinas Stabilität ruht auf zwei Säulen: strenger Autoritarismus nach innen und Imperialismus auf leisen Pfoten nach außen. Leise Pfoten, doch die Katze besitzt Krallen.

Gehen wir also mit Xi Jinping nach Ungarn. Dass Teile der deutschen Presse und notorische Ungarn-Hasser wie Katarina Barley und Daniel Freund von den ewig uninformierten Grünen den Besuch benutzen würden, um Ungarn wieder einmal zu diffamieren, überrascht keinen. Daniel Freund versteigt sich im Stile aller Totalitären sogar zur Prahlerei: „Es kann nicht sein, dass die EU Milliarden an eine Regierung zahlt, die mit illegalen Methoden europäische Unternehmen drangsaliert.“ Und:  „Es wird eine vordringliche Aufgabe für die nächste Kommission sein, das zu stoppen.“ Es scheint, dass man unter Grünen die Wahrheit nicht allzu sehr schätzt, denn die Milliarden fließen nicht nach Ungarn, die Gelder sind trotz Ankündigung immer noch blockiert. Während Unsummen an die Hamas überwiesen werden und Donald Tusk dafür plötzlich Milliarden erhält, dass er die polnische Demokratie und den polnischen Rechtsstaat EU-konform demoliert.

Ungarn und China
Nein, Xi Jinping will die EU nicht spalten
Wer so arrogant und dreist wie Ursula von der Leyen, Katarina Barley und Daniel Freund agiert, der treibt Ungarn in die Arme der Chinesen und schadet Europa. Denn das Dilemma, das Leute wie von der Leyen, Barley und Freund erzeugen, lautet, die Politik Ungarns China gegenüber ist zwar strategisch falsch, aber aus der Sicht ungarischer Interessen taktisch die einzig mögliche. Die Einschätzung des gutinformierten Boris Kálnoky auf TE, dass Xi Jinping die EU nicht spalten wolle, teile ich nicht. Natürlich will Xi Jinping die EU weiter spalten, doch hat die Politik der deutschen Regierung und der Europäischen Kommission erst die tiefe Kerbe geschlagen, in die Xi Jinping den Keil setzen kann. Die ideologisch verbohrte Politik von der Leyens und der fast schon pathologische Hass der Barleys und Freunds lassen Ungarn keine andere Chance, als näher an China zu rücken und eine strategische Partnerschaft mit dem Reich der Mitte einzugehen.

Viktor Orbán hat sinngemäß einmal erklärt, dass Ungarn kein zahlreiches Volk ist, keine Großmacht und daher flexibel sein muss. Für Ungarn ist es lebenswichtig, dass es eine zweckrationale Interessenpolitik betreibt, Partnerschaften eingeht, mit denen sich ungarische Interessen, heißt, die Interessen des ungarischen Volkes realisieren lassen.

Zur Lage: Mit Schrecken beobachten die Ungarn, wie die Deutschen deindustrialisieren, wie sie ihre Industrie selbst zerstören. Denkt man an die enge Verflechtung der deutschen und der ungarischen Volkswirtschaft bleibt Ungarn nur der Weg, das deutsche Risiko zu minimieren. Deutschland verliert jeden Monat mehr an Verlässlichkeit und natürlich Ansehen. Niemand in Ungarn verspürt auch nur die geringste Lust darauf, von Habecks Mischung aus Phantastereien und Durchsetzung der Interessen der zumeist amerikanischen Finanzindustrie mit in den Abgrund gerissen zu werden. Ungarn ist bereits 2015, dem Jahr von Merkels Turbomigrationspolitik in die deutschen Sozialsysteme, von Merkels Politik der Destabilisierung Deutschlands dem chinesischen Projekt der Neuen Seidenstraße beigetreten.

Ungarn wird sich im Rahmen einer strategischen Partnerschaft stärker an China binden. Das außenpolitische Konzept der Ungarn lautet Konnektivität. Das Konzept beinhaltet, über Machtblöcke hinweg eine verbindende Rolle in der internationalen Politik einzunehmen, die auf der eigenen wirtschaftlichen Kraft und den Interessen der eigenen Gesellschaft beruht. Im allerweitesten Sinne verfolgt Ungarn gegenüber Deutschland ein bisschen eine Politik wie Deutschland gegenüber China.

Repräsentantin für Deutschland
Annalena Baerbock stolpert weiter durch die Weltpolitik
Am Mittwochabend landete Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Budapest mit drei Flugzeugen und einer Mammut-Delegation von 400 Mitgliedern. Für die chinesische Delegation wurde das komplette Hilton Hotel reserviert. Die Hinwendung zu China resultiert auch aus der Analyse der Ungarn, dass die Hegemonie der USA vorbei ist, die USA als Führungsmacht Stärke eingebüßt haben und es äußerst fraglich ist, wie lange der Dollar Leitwährung der Welt bleiben wird. Die Vereinigten Staaten von Amerika sitzen auf einem gigantischen Schuldenberg von 35 Billionen Dollar. An den Kapitalmärkten wächst die Unruhe mit Blick auf die Stabilität des Dollars.

In seiner Rede am 9. Mai nach seinem Gespräch mit Xi Jinping trug Viktor Orbán dieser Analyse Rechnung: „Wenn wir auf die Weltwirtschaft und den Welthandel von vor zwanzig Jahren zurückblicken, so ist die Welt, in der wir heute leben, damit in keiner Hinsicht vergleichbar. Damals lebten wir in einer unizentrischen Weltordnung, heute leben wir in einer multizentrischen Weltordnung, und einer der Pfeiler dieser neuen Weltordnung ist die Volksrepublik China. Sie ist das Land, das jetzt den Kurs der Weltwirtschaft und der Weltpolitik bestimmt.“ Die ungarische Außenpolitik geht von der weiteren Schwächung der USA und der Stärkung Chinas aus. Orbán betonte: „Es ist eine Ehre und eine große Chance für Ungarn, dass China uns eingeladen hat, an der chinesischen Wirtschaft teilzunehmen und eine Rolle bei der Modernisierung der chinesischen Wirtschaft zu spielen, und es ist eine große Chance für uns, dass China bereit ist, an der Entwicklung und Modernisierung der ungarischen Wirtschaft teilzunehmen.“

Doch das wird einen hohen Preis bedeuten, den Ungarn eines Tages zu bezahlen hat. Denn chinesische Wirtschaftspolitik ist Machtpolitik. Dass jedoch Deutschland seine Interessen in Mitteleuropa aufgibt, dass es nicht die mitteleuropäischen Staaten, wie es die Politik von Helmut Kohl war, stärker an sich bindet, sondern im Gegenteil durch deutsche Großmoralpolitik vergrätzt, wird zuallererst Deutschland, aber auch den mitteleuropäischen Staaten zu großem Nachteil gereichen. Eine feministische, eine wertegeleitete Außenpolitik ist nicht nur ohne Werte, weil Werte in Interessen wie der Wasserstoff an den Sauerstoff im Wasser gebunden sind, sie ist im doppelten Sinne völlig wertlos. Die schmerzliche Lektion, die Xi Jinping Annalena Baerbock erteilt hat, wird sie nicht einmal verstehen, denn sie agiert nur wie die feminisierte Variante von Hans im Glück.


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