Und dann war da noch der Saturday-Night-Live-Monolog des Woody Harrelson. Beide Institutionen sind vielleicht hierzulande nicht allen bekannt. Also: Saturday Night Live ist wohl die traditionsreichste Comedy-Sendung des US-Fernsehens, die auch den deutschen Ableger RTL Samstag Nacht mit Wigald Boning und Mirko Nontscheff hervorbrachte. Woody Harrelson, geboren 1961 in Midland, Texas, begann als Barkeeper in den Sitcoms Cheers und Frazier, um später in preisgekrönten Kinofilmen mitzuspielen, etwa in The Messenger (Irak-Rückkehrer-Geschichte) oder in dem post-apokalyptischen Zombieland (BSE wird für Menschen ansteckend, eine Art Splatter-Pandemie). Filme sind ja auch Erfahrungen, und vielleicht kann auch ein Schauspieler einiges aus Scripts wie diesen lernen.
Harrelson kam jedenfalls zu dem Schluss, dass so ein Plot nichts taugte: „Ich habe das Drehbuch weggeworfen. Ich meine, wer wird schon an diese verrückte Idee glauben? Gezwungen zu werden, Drogen zu nehmen? Ich mache das den ganzen Tag lang freiwillig.“ Sagte der politische Anarchist, der als Cannabis-Befürworter bekannt ist. Hier glitt der Vortrag in die Richtung von Humor und Selbstironie ab. Aber Harrelson hatte schon zuvor Regierungen und Pharma-Konzerne dafür kritisiert, von der Pandemie profitiert zu haben, und so kamen viele Menschen darauf, auch diesen Stand-up-Monolog in der gleichen Weise, nämlich politisch, zu deuten.
Der Twitter-Eigner Elon Musk lobte Harrelsons Monolog als „einen von den guten“. Die Sendung SNL habe dadurch eine Erdung erfahren, „so based“ sei das gewesen, was im Englischen heute auch schlechthin „unwoke“ bedeuten kann. Und natürlich waren die Gazetten (Rolling Stone, Daily Beast, Huffpost, Variety) voll der Nachrichten über die „anti-vax conspiracies“, also „Anti-Impfen-Verschwörungstheorien“, die Harrelson verbreite. Elon Musk kommentierte das mit einer Zielscheibe, in deren Mitte ein Dart steckt: Genau getroffen…
Kritiker des Monologs – wie die Komikerin und Autorin Ashley Ray – machten sich derweil Gedanken, ob die Äußerungen spontan waren, oder Harrelson vorher die Erlaubnis von NBC eingeholt hatte. Die Idee von Meinungsfreiheit in einem Fernsehprogramm scheint hier vollkommen abhanden gekommen. Die „scripted reality“ hat alles übernommen. Dass ein Comedian oder sonst jemand sagen kann, was er will, wird nicht mehr angenommen, vielmehr ist die allgemeine Annahme, dass er etwas vorträgt, was zuvor jemand genehmigt und für das Massenpublikum so zugerichtet hat, dass es keine „Regeln“ verletzt. So sehen einige dem Tod der Freiheiten tatenlos, sogar zustimmend zu.
Führen fehlende Werte zu Paternalismus und Autoritarismus?
Gut, dass es in der Anglosphäre noch einige freie Geister gibt, die sich nicht an Scripts, sondern an ihre eigenen Gedanken halten. Der Engländer Russell Brand ist so ein Fall, der im tropischen Wintergarten-Setting unglaubliche Überlegungen und Bekenntnisse aus seinen teils prominenten Gästen herauslocken kann. So geschah es nun mit Tim Robbins, dem ebenfalls legendäre Filmhits zur Last gelegt werden können. Etwa ’The Shawshank Redemption‘, deutsch ’Die Verurteilten‘, in dem es um einen zu Unrecht verurteilten Häftling geht, der sich irgendwie zur messianischen Figur mausert. Laut Robbins ein dauerhafter Hit seit 1994, obwohl er damals an den Kinokassen nichts machen konnte (manche führten es auf den unaussprechbaren Originaltitel zurück).
Ähnliche Bewegungen nimmt Brand in Bezug auf viele Themen (etwa Gender und Identität) wahr: die Ersetzung eines freien Diskurses durch einen neuen Paternalismus, ja Autoritarismus. So wie der Staat heute immerzu um unsere Sicherheit bemüht sei, so die freie Wirtschaft um unsere anhaltende Bequemlichkeit. Das banalisiere die menschliche Erfahrung, lasse die „wilden und organischen“ Verbindungen zwischen den Menschen (auch „zum Planeten“) nicht mehr zu. Was laut Brand fehlt – egal, wo er selbst nun steht –, ist „ein wenig Polarität“ im öffentlichen Gespräch, „ein wenig Schlamm“ oder Sand im Getriebe. Am Ende dieser Entwicklung stünde laut dem Moderator etwas ziemlich „Hygienisches, aber [auch] sehr Hässliches“.
Robbins: Eine neue Religion, die uns zu Parias macht
Robbins erwidert dem, dass es sich allem Augenschein nach um eine neue Religion handelt bei diesem „Covid“ und den resultierenden Regeln. So verhielten sich zumindest die Verfechter: dogmatisch, absolut, jeden Widerspruch verdammend. Brand versteht, dass die Pandemiereaktion nur nach außen ein politisches Thema sei, in Wahrheit gehe es um Religion. Robbins fuhr fort, dass auch er sich einst für Hygieneregeln eingesetzt habe, aber zum Kritiker wurde, als er sah, wie Skeptiker behandelt wurden: „Wir haben uns in tribale, wütende, rachsüchtige Menschen verwandelt. Ich glaube nicht, dass man das aufrechterhalten kann, dass wir Menschen dämonisieren, die mit unserer Gesundheitspolitik nicht einverstanden sind, und sie zu Monstern machen, sie zu Parias machen und sagen, dass sie kein Krankenhausbett verdienen.“ Wenn Menschen zu der Meinung kommen, dass irgendjemand den Tod verdient habe, dann sei das „unglaublich gefährlich“.
Brand freut sich über den Zuspruch und will den Unterhaltungskünstlern erneut die Rolle von moralischen Kommentatoren des Zeitgeschehens zuweisen, die ihnen doch erst von einigen (wie Ricky Gervais) entzogen wurde, weil sie sich ständig nur auf den modischen Wellen von Wokeness, Corona-Kult usw. bewegten. Doch, so Brand nun, wenn sie dem herrschenden Monolog der Eliten eine wahrhaft antiautoritäre Stimme entgegensetzen würden, dann täten sie etwas Gutes für die ansonsten hygienisch durch Zensur keimfrei gemachte globale Diskussionskultur. Danach schweift Robbins auf andere Themen ab, aber der Punkt war gemacht.
Harrelson beklagt die bleibende Ungleichbehandlung an US-Filmsets
Und auch Harrelson legte in einem Interview mit der New York Times nach. Gefragt, was an den Covid-Regeln an amerikanischen Filmsets absurd sei, sagte er: „Die Tatsache, dass sie immer noch durchgeführt werden. Ich denke nicht, dass irgendjemand das Recht haben sollte, Menschen zu zwingen, Tests zu machen, Masken zu tragen und nach drei Jahren immer weiter geimpft zu werden. Ich meine einfach, lasst uns mit diesem Unsinn aufhören. Das ist nicht fair gegenüber den Crews. Ich muss [als Darsteller] die Maske nicht tragen. Warum sollten sie? Warum sollten sie geimpft werden? Wieso ist das nicht Sache des Einzelnen? Ich sollte nicht über diesen Blödsinn sprechen müssen.“ Ein Land mit erzwungenen Tests, Masken oder „Impfungen“ sei einfach „kein freies Land“ mehr. „Als Anarchist finde ich mich nicht leicht mit staatlich auferlegten Pflichten ab.“
Harrelson hatte die Fortexistenz unabhängiger Filmproduzenten in Frage gestellt, wenn die absurde Einhaltung von Corona-Regeln noch lange andauern sollte. Tatsächlich sieht man noch immer Aufzeichnungen amerikanischer Sendungen, bei denen zwar die Moderatoren maskenfrei sind, dafür aber die ganze Crew hinter der Kamera Masken trägt, was angesichts gefallener Maskenpflichten im öffentlichen Raum absurd anmutet. Manchmal scheint sich die „Moral“ so gut anzufühlen, dass man lieber in ihr als in der wirklichen Welt leben möchte. Daneben gehört auch die Schauspielerin Juliette Lewis zu dem kleinen Kreis bekannterer Personen, die noch Wert auf ihre Freiheiten und Rechte, Gedanken und freie Rede legen.
Austreibung des „sexy“ Russell Brand aus dem kommunistischen Paradies
Und nun soll also auch Russell Brand, der Comedian, Schauspieler und Youtube-Gastgeber, zur „verschwörerischen Rechten“ zählen, wie ein gewisser Finn McRedmond im (vermeintlich) linken Londoner New Statesman mit einer inzwischen auch im Deutschen beliebten Stilblüte sagte. Obwohl diese Abirrung fast schon Absicht ist: Die Menschen, die vor Verschwörungen zwischen Politik, Big Pharma und anderen Akteuren warnen (egal, ob sie damit nun recht haben oder nicht), sollen umgehend selbst zu verschwörerisch Tätigen umgewidmet werden. Der Lapsus der Zunge untermauert den Lapsus des Denkens.
Damit wurde Russell Brand, der immer wieder mutig zum Missbrauch der Politik im Zeitalter von Covid gesprochen hat, ausgestoßen (voller Pseudo-Trauer schon in der Überschrift „We have lost Russell Brand“). Ausgestoßen aus der Gruppe der rechtmäßigen und „sexy Kommunisten“ – so nennt McRedmond allen Ernstes den unorthodoxen Brand. Der Schreiber hätte recht, wenn er gemeint hätte, dass Brand seine Wurzeln im linken Spektrum hat, noch 2017 Jeremy Corbyn unterstützte, auch wenn er letztlich nicht an Wahlen glaubte, solange „die großen politischen Parteien im Grunde genommen nicht unterscheidbar sind und die engen Beziehungen von Regierung, Großunternehmen und Teilen der Medien es unmöglich machen, den demokratischen Willen des Volkes zu verwirklichen“. Aber diese Auffassung scheint heute nicht mehr ins linke Spektrum zu gehören.
Nicht nur spricht Brand von einer Beziehung zum „Planeten“, die wir bräuchten (das ist allerdings kein linker Erbhof), er denkt auch, dass ein freier Dialog über Russland heute verboten sei. Und das ist kein „rechter“ Erbhof. Aber genau in diese Ecke soll Brand nun von seinem Kritiker gestellt werden. Wie absurd. McRedmond behauptet, Brand verwende inzwischen sämtliche „rechte Signal- Tropen“, die es gibt: „die gruseligen Mainstream-Medien, die unehrliche und jeden Vertrauens unwürdige Pharmaindustrie, die beschämende Behandlung von Julian Assange und des ‚amerikanischen Helden‘ Edward Snowden durch den Westen sowie die Covid-Arznei Ivermectin“, um dann allerdings den Helden des amerikanischen Sozialismus, Bernie Sanders, auf den Schild zu heben.
Darauf, dass Brand sich hier einfach Common Sense beweist und sich daher vernünftigen Ansichten anschließt, kommt McRedmond nicht. Brand habe anscheinend – so das Fazit des selbst etwas wirren Artikels – die Annahmen eines Joe Rogan, Glenn Greenwald oder Tucker Carlson internalisiert. Wie Carlson rede er nur zu gern vom kaputten, „manipulierten System“. Und was ist eigentlich unehrenhaft daran, wenn ein Linker auf seinem Kanal nicht nur Menschen, die zu 100 Prozent mit ihm übereinstimmen, willkommen heißt, sondern auch eindeutig konservative Stimmen wie Ben Shapiro, Candace Owens oder vielleicht schon bald Donald Trump? Nichts.
Der New-Statesman-Artikel schließt (beinahe) mit einer Selbstaufgabe: „Vielleicht sind die beiden Bewegungen ja doch gar nicht so ungleiche Genossen.“ Brands Übergang zur „verschwörerischen (sic!) Rechten“ sei anscheinend bruchlos vor sich gegangen. Im übrigen führe er seinen Kampf aus einem (durchaus gemütlichen) „Schuppen in Oxfordshire“ – daraus folgt offenbar: Brand sei nicht ernstzunehmen. Das hätte der New Statesman gerne so.