Tichys Einblick
 Amerikanische Universitäten

Wokeness in Princeton: Extra-Urlaub für die einen, Reinheitstests für die anderen

Die Bewegung der Wokeness will nicht nur der Presse, sondern auch den Universitäten ein Korsett verpassen. An der Princeton University wollen einige mit Komitees und einer "faculty of color" die Gleichstellung organisieren. Ein Philologe widerspricht.

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Der vielgelesene Essayist und Kolumnist Andrew Sullivan verlässt das New York Magazine. Immerhin durfte er sich noch ordentlich verabschieden. Am 17. Juli erschien seine letzte Kolumne und verwies auf ihre Fortsetzung in Blog-Form. Sullivan lässt sich nur ironisch als „Konservativer“ betiteln, ist gegen Trump, für die Legalisierung von Drogen, für mehr Umverteilung von Wohlstand und eine Reform der Polizei. Er wird im November für Biden stimmen. Aber den Linken in seinem Blatt war all das am Ende nicht mehr genug.

Ähnlich wie Bari Weiss, die vor kurzem ihr »Kündigungsschreiben« an die New York Times veröffentlicht hat, steht auch bei Andrew Sullivan zwischen den Zeilen, dass er nicht freiwillig geht. Natürlich könne das Blatt, so schreibt er, „heuern und feuern“, wen und wann es ihm beliebt. Inzwischen sei er für viele in der Redaktion eben ein „Luxusobjekt“ geworden, das man sich nicht mehr leisten wolle. Der herausgebende Vox-Verlag war schon vor zwei Wochen in schweres Fahrwasser geraten, nachdem Vox-Autor Matthew Yglesias den offenen Brief zur »cancel culture« im liberalen Harper’s Magazine unterschrieben hatte.

Am Ende sieht Sullivan beim New York Magazine eine ganz bestimmte „kritische Theorie“ am Werk, die sich über „gender“, „postcolonial“, „indigenous“ und „decolonial studies“ bis hin zu „fat studies“ ausgeweitet hat und so allmählich die Diskriminierung von fast allem in Acht und Bann zu stellen sucht. Dass Diskriminierung unschön ist, ist auch an sich gar nicht das Problem. Die Frage ist eher, was all dies noch mit Wissenschaft zu tun haben soll.

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Seinen Ursprung hatte dieses Denken in der Frankfurter »kritischen Theorie« der Adorno, Horkheimer und ihrer Kompagnons, wo man es bereits – in gut marxistischer Prägung – ganz auf die Zerlegung der gesellschaftlich vorgefundenen Strukturen abgesehen hatte. So sollte sich eine ganz neue „kritische“ Theorie der Welt bilden, die von der „traditionellen“, bis dahin für wahr und richtig gehaltenen abwich. Die neueren Ableger dieser „kritischen Theorie“ kamen dahin, Dinge wie die individuelle Identität und Erfahrung sowie politischen Aktivismus sehr viel höher zu bewerten als die Wissenserzeugung, so dass das wissenschaftliche Handwerkszeug am Ende brachlag und man sich die Zeit mit Identitätspolitiken vertreibt.

Inzwischen wird, laut Sullivan, auch die amerikanische Presselandschaft nur allzu deutlich von diesem Denken und Meinen beherrscht. So sehr, dass man an dieser Stelle nicht mehr wider den Stachel löcken kann und darf – zumindest wenn es nach einigen geht. Eine neo-autoritäre Wende kündigt sich an.

Die New York Times ohne Heiligenschein

Die so überaus Umstrittenen räumen also das Feld – vorerst, wie sie betonen. Sicher stellen sie sich andernorts wieder auf, um vereint zurückzuschlagen. Doch eigentlich ist schon dieser ganze Sprachgebrauch, von Feld und Schlacht, der Sache nicht ganz angemessen. Man übernimmt damit die Sicht derjenigen Partei, die im Moment an einigen ur-amerikanischen Institutionen zu überwiegen scheint. Dazu gehört nicht nur die früher sehr angesehene New York Times, die sich inzwischen schwer damit tut, Ansichten abzubilden, die über die extrem linke Wokeness einer sehr engen Klientel und Mitarbeiterschaft hinausgehen. Dazu gehören auch die traditionsreichen Universitäten, die seit dem 18. Jahrhundert in den Ostküstenstaaten gegründet wurden. An der Yale University fordert die Bewegung #CancelYale die Änderung des Universitätsnamens, der auf den Überseehändler Elihu Yale zurückgeht, der einst Präsident der East India Company war. Man kann sich denken, was ihm vorgeworfen wird.

Übrigens ist auch die Geschichte der New York Times nicht blütenrein und allem Irdischen entzogen. Denn Adolph Ochs, der die Zeitung 1896 kaufte und später vererbte, war ein Sympathisant der Südstaaten und des Generals Robert E. Lee, für dessen Stone Mountain Memorial in Georgia er spendete. Der Onkel seiner Mutter hatte zudem fünf Sklaven und verbarg diese auch vor der späteren Bertha Levy Ochs … das fällt zwar weder numerisch noch genealogisch ins Gewicht. Aber die Familie von Bertha Levy stand fest an der Seite der Konföderation. So könnte auch Adolph Ochs seinen Heiligenschein noch verlieren, und mit ihm die Zeitung, die seither in derselben Familie mit denselben demokratischen Sympathien verblieb.

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In Princeton sieht es nicht viel anders aus als in Yale. Am hochsymbolischen Independence Day, dem 4. Juli, veröffentlichten einige Dutzend Angehörige der Universität einen sogenannten Faculty Letter. Der Name sagt es, er stammt sozusagen aus der Tiefe des Lehrkörpers, und genau das ist das Unheimliche daran. Denn der Brief ist das Dokument einer ebenso radikalen wie denkfaulen Agenda, die die gesammelten Ungerechtigkeiten des amerikanischen Umgangs mit Schwarzen an genau einem Punkt heilen will – der Universität. Dass das übel enden muss, ahnt man. Denn Universitäten sind eben, wider Erwarten, keine Sozialämter.

Aber ein solch energischer Aufschlag provozierte natürlich auch Gegenreaktionen. Die kam zum Beispiel vom klassischen Philologen Joshua Katz, der just in Princeton eine Professur innehat. In dem australischen Online-Magazin Quillette veröffentlichte er – ebenfalls nicht mit Pathos sparend – seine persönliche „Declaration of Independence of a Princeton Professor“. Einige glauben schon, diese Unabhängigkeit würde sich als wahr erweisen in einem Sinne, der Katz nicht gelegen käme. Doch gemach. Katz’ Text ist eigentlich ein knurrig-konservativer Aufruf, die Kirche noch einmal im Dorf zu lassen, der nur an einer Stelle etwas lauter aufknurrt – nämlich da, wo es der freien Wissenschaft und Forschung wirklich an den Kragen ginge.

Extrapunkte für Pigmentation

Doch Katz’ Worte sind auch von großer Klarheit. Wollte man das Programm des Faculty Letter umsetzen, dann würde dies – so sagt er – zu einem »Bürgerkrieg auf dem Campus« führen, was wiederum das öffentliche Vertrauen in die höheren Bildungsinstitute weiter erschüttern dürfte. Der Faculty Letter fordert unter anderem einige finanzielle Vergünstigungen, die nur für die „faculty of color“ gelten sollen, also nur für diejenigen Universitätslehrer, die sich eines dunkleren Hauttons erfreuen. Wo der anfängt, ist eine weitere offene Frage, die Katz stellt. Was soll also zu Gunsten dieser People of Color geschehen? Dies: „Belohnen Sie die unsichtbare Arbeit, die von farbigen Fakultätsmitgliedern geleistet wird, durch eine Verminderung ihrer Unterrichtspflichten und ein Sommergehalt.“ Außerdem sollen Juniorprofessoren „of color“ ein zusätzliches Freisemester erhalten. Katz sah nicht ein, dass eine bereits privilegierte Gruppe – wie es in Princeton Lehrende sind – noch einmal Extrapunkte für Pigmentation erhalten sollen.

Der Faculty Letter zeigt, wie eine Form des „systemischen Rassismus“ gemäß dem Denken seiner Anhänger die Existenz immer weiterer Erscheinungsformen begründet. Die Anfangsbehauptung des Briefs, nach der Rassismus gegen Schwarze (im Jargon: „Anti-Blackness“) zu den begründenden Faktoren Amerikas gehört, wird belegt mit der angeblich unterschiedlichen medizinischen Versorgung, die Schwarze gegenüber anderen Ethnien erhielten. Außerdem würden Schwarze nicht gleich behandelt, was den Einzelhandel und die Kreditwürdigkeit angeht. Ein bekannter Vorwurf, der mit der Risikoeinschätzung von Kreditinstituten und Geschäften zusammenhängt. Rassismus gegen Schwarze, so der bekannteste Vorwurf, beeinflusse schließlich auch die „Erwartungen und Taktiken“ der Rechtsdurchsetzung. Und, ja, er „grassiert auch in unseren ›fortschrittlichsten‹ Gemeinschaften“. Shocking news! Progressive Anti-Blackisten?

Tatsächlich hatte auch in Princeton einmal ein solcher präsidiert: Woodrow Wilson, der demokratische Präsident, der die USA in den Ersten Weltkrieg führte und sich danach für die Gründung des Völkerbunds einsetzte, gilt als belastet. Am 27. Juni verkündete der heutige Universitätspräsident Christopher Eisgruber, Wilsons Rassismus sei »erheblich und folgenschwer« gewesen, »sogar für die Standards seiner eigenen Zeit«. Wilsons Politik der Segregation – er war der erste Südstaaten-Präsident sei 1848 – mache ihn zu einem »besonders unangemessenen Namensgeber« für ein politikwissenschaftliches Institut. Obwohl Wilson hier auch für den Aufbau der Universität und ihren Aufstieg zu einem internationalen Exzellenzzentrum geehrt wurde, sah Eisgruber keine Möglichkeit, den einstigen Rektor vom US-Präsidenten zu unterscheiden. Die Woodrow Wilson School of Public and International Affairs verlor ihren Namenspatron und wurde zur Princeton School of Public and International Affairs.

Der Tod des George Floyd war offenbar so etwas wie das Fukushima der amerikanischen Antirassismus-Bewegung. Handstreichartig, in Monatsfrist, wurden Entscheidungen getroffen, die – auch wenn es sich nur um Symbolik handeln sollte – folgenschwer für das Selbstbild der USA sein dürften.

Vollkommen unsymbolisch sind allerdings die umfangreichen Forderungen der Universitätsgemeinde aus dem Faculty Letter. Man fragt sich noch einen Moment lang, worin eigentlich jene „unsichtbare Arbeit“ besteht, die Mitglieder der „faculty of color“ verrichten müssen. Und dann heißt es ja auch sehr unverblümt: „Erheben Sie faculty of color in herausgehobene Führungspositionen.“ Bis das aber so weit ist, braucht die „faculty of color“ offenbar mehr Urlaub und mehr Urlaubsgeld als die anderen.

Offener Brief einer Ex-Redakteurin
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Der Brief geht dann die verschiedenen Ebenen durch, auf denen etwas für die „faculty of color“ getan werden müsse. So solle man im allgemeinen und überall in der Universität den farbigen Fakultätsmitgliedern nicht nur zuhören, sondern offenbar auch in allem recht geben („listen and respond to the needs“). Von Richard Wagner habe ich einmal das Bonmot gelesen (ohne dass ich es je als echt erweisen hätte können): „Die Welt ist mir schuldig, wessen ich bedarf.“ Für ein Genie durfte dieser Satz noch hingehen, doch auch Wagner war bekanntlich nicht nur Antisemit, sondern hatte auch sozialistische Anwandlungen.

Und tatsächlich, wenn die Bedürfnisse aller farbigen Fakultätsmitglieder gehört und erfüllt würden, dann wäre für diese tatsächlich eine sozialistische Utopie erreicht. In der Welt, in der wir leben, hat die verfassungsmäßige Ordnung davor allerdings den Interessenausgleich gesetzt, der es verhindert, dass ein Teil der Bevölkerung als weniger geeignet zur Erringung von Ansehen und Stellung angesehen wird. Ich möchte das den antirassistischen Grundkonsens nennen. Doch der wird von den Verfassern des Faculty Letter offenbar von links-unten aus gekündigt – „unten“ steht hier für die Sache der vermeintlich unterdrückten „people of color“. Da wir die „faculty of color“ also unaufhörlich diskriminieren, soll dieselbe nun positiv diskriminiert werden. Auch dieser Ruf ist bekanntlich gar nicht neu. Unter dem Namen „affirmative action“ firmiert eine Antidiskriminierungspolitik, die amerikanische Präsidenten in den frühen sechziger Jahren begonnen und schrittweise aufgerüstet haben.

Nun heißt es in dem Faculty Letter zum Beispiel – im übrigens ganz analog zur hiesigen Forderung nach Frauenquoten in der CDU und anderswo –: „Nominieren Sie nicht weniger als zwei farbige Fakultätsmitglieder für C3, C7 und das Komitee der Komitees.“ Weder die Sprache täuscht, noch täuschen die Begriffe, hier kündigt sich ein neues Wohlfahrtskomitee an. Tatsächlich fordert das Dokument die Formierung eines „inneren Komitees von farbigen Fakultätsmitgliedern und Studenten“, denen die Universität bei der Umsetzung der antirassistischen Agenda rechenschaftspflichtig sein solle.

An die krude Pseudo-Logik der französischen Revolution erinnert auch, was Katz zu solchen Reinheitsvorstellungen schreibt. Denn natürlich soll – auch hier – die „Ikonographie“ der Universität weiter bereinigt werden. Ein anderer ihrer historischen Rektoren, John Witherspoon, der zu den Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung gehörte, hatte eine „komplexe Beziehung zur Sklaverei“, und deshalb soll seine Statue weichen. Katz greift dazu auf, was schon andere vor ihm gesagt haben: „Unzählige vernünftige Menschen haben bemerkt, dass am Ende niemand den Reinheitstest bestehen wird. Wer ihn heute besteht, wird ihn morgen nicht bestehen.“ Und auch wenn dieses Urteil von mehr als nur leichter Melancholie geprägt scheint, ganz unrecht haben Katz und die von ihm zitierten Autoritäten nicht.

Da die Kriterien des Tests keine rationalen sind, sondern auf Gruppenzugehörigkeiten und Machtansprüchen basieren, kann es im Grunde jeden treffen, so wie auch Robespierre zuerst Henker, dann Hingerichteter war.

Die Kontrolle des Denkens als dessen zentraler Inhalt

Doch damit nicht genug der symbolischen Diademe, mit denen sich die antirassistische Bewegung selbst krönt. Eine öffentliche Entschuldigung der Universität müsse her, und zwar „für die Mitglieder der Black Justice League und ihre Verbündeten“. Schon das Wort „Verbündete“ lässt aufhorchen – der Krieg ist hier schon in der Sprache, und Reparationen in Form bußfertiger Taten („reparative action“) werden gleich mitgefordert. Katz stellt fest, dass die Black Justice League eine „lokale terroristische Organisation“ war, die vielen Universitätsangehörigen – auch den schwarzen Studenten, die nicht mit ihr übereinstimmten – das Leben schwer gemacht habe. Katz weiß von einer „Kampfsitzung“ der Gruppe, die er als „eines der bösartigsten Dinge, die ich jemals gesehen habe“, bezeichnet.

Offener Brief für die offene Debatte:
»Widerstand darf nicht in Zwang ausarten«
Den Höhepunkt erreicht sein Unmut bei der Forderung nach einem weiteren Komitee, das sich der „Untersuchung und Disziplinierung rassistischer Verhaltensweisen, Vorfälle, Forschung und Veröffentlichungen durch Fakultätsmitglieder“ widmen solle. Ein weiteres Komitee werde Leitlinien entwickeln, was als rassistisches Verhalten usw. angesehen werden soll, und das Ganze soll gemäß einem Protokoll von Beschwerde und Einspruch praktiziert werden. Gut, dass es noch kein Komitee gibt, das über die Zusammensetzung der Komitees entscheidet. Doch was wir hier in zwei Teilen vor uns sehen, wäre wohl eine Art Wohlfahrtskomitee für die Forschergemeinde. Es macht schon sprachlos – ein bisschen sprachlos ist auch Katz, hat man den Eindruck –, wie hier rassistische Verhaltensweisen in einem Atem mit freier Forschung und wissenschaftlichen Publikationen genannt werden. Das hat natürlich mit „peer-reviewed papers“ (von Kollegen überprüften Arbeiten) nichts mehr zu tun, sobald ideologische Motive im Vordergrund stehen. Wissenschaft als wertfreie Erforschung von Daten und Fakten geriete so in den Hintergrund. An ihre Stelle würde die Kontrolle des Denkens als dessen zentraler Inhalt rücken.

Dass Katz eine Studentenorganisation als „terroristisch“ ansieht, erboste nun wiederum den Universitätsrektor Christopher Eisgruber, der glaubt, dass Katz sein Recht auf freie Rede nicht verantwortungsvoll ausgeübt hätte. Hat er es damit schon eingebüßt? Die Universitätsleitung will sich angeblich noch Gedanken zu diesem ›Fall‹ machen. Pessimisten erwarten schon Konsequenzen für Katz, der als ordentlicher Professor aber wohl nicht so leicht gefeuert werden kann.

„Niemand ist allwissend“

Dass es tatsächlich nicht um mehr Urlaub für farbige Professoren geht, sondern letztlich um Macht und Einfluss, legte einer der Unterzeichner des Offenen Briefs aus dem Harper’s Magazine („A Letter on Justice and Open Debate„) nun dar. Steven Pinker, experimenteller Psychologe und Kognitionswissenschaftler in Harvard, hält den Trend zur Verleumdung von Menschen und ihren Meinungen für gefährlich, wie er nun in einem Interview mit der Welt sagte. Dadurch werde zum einen das Leben Unschuldiger ruiniert, zum zweiten aber eine ganze Generation von Wissenschaftlern, Künstlern und Intellektuellen eingeschüchtert, die folglich zur Stromlinienförmigkeit tendieren, zumindest was die geheimen Doktrinen der frischen Regenten angeht. Der dritte Grund des Kognitionsforschers ist wohl der wichtigste: Die Denkverbote lähmten unsere Fähigkeit, gemeinsam Probleme zu lösen oder „überhaupt die Welt zu verstehen“: „Niemand ist allwissend. Wenn nur bestimmte Ideen diskutiert werden dürfen, bleiben wir unwissend.“

Pinker bleibt dabei erfrischend unverkrampft, wenn er die aktuelle Lage wirklich nur als Momentaufnahme sieht: „Gegenaufklärerische Ideen gab es immer.“ Ein Eindruck Pinkers gibt dennoch zu denken. Danach zieht heute eine neue Denkweise in den öffentlichen Diskurs ein, die nicht mehr auf die Lösung gegebener Probleme abziele, sondern die Politik als „Nullsummenwettbewerb um die Macht“ sieht. Das entspricht der Aufgabe der wissenschaftlichen Wertfreiheit zugunsten der Ideologie, wie bei Katz gesehen.

Titania McGrath
"Things that are racist": Es gibt nichts, was nicht rassistisch ist ...
Auch Pinker stellt, wie andere, fest, dass es im Grunde eine Minderheit sei, die die Mehrheit durch ihre Ideologie unterdrücke. Das sei möglich durch verschiedene Modi des Strafens, durch die schließlich eine ganze Gesellschaft in eine selbstgestellte Falle tappt. Eine Gruppe nach der anderen gibt dem Strafspiel nach, „weil jeder andere öffentlich anprangert, aus Angst, selbst angeprangert zu werden, auch wenn man gar nicht glaubt, dass jemand es verdient hat, angeprangert zu werden“. Das nenne man „pluralistische Unwissenschaft“ oder zu deutsch: Schweigespirale.

Für Joshua Katz steht fest: „In den Vereinigten Staaten ist die Freiheit für sich selbst zu denken, Gott sei Dank, noch ein Recht, nicht ein Privileg.“ Solange das so bleibt, ist die Welt noch halbwegs in Ordnung. Und mit jeder Stimme, die an solches erinnert, wächst die Freiheit ein Stück mehr oder schrumpft zumindest nicht.

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