Die britische Boulevard-Zeitung The Sun hat den Ball aufgenommen, den ihr das deutsche Pendant Bild zugespielt hat. Die hatte angesichts des schnelleren Impfens und des angekündigten Lockdown-Endes am Mittwoch getitelt: „Liebe Briten, we beneiden you“.
Dass es dafür nun tröstende Worte von den britischen Kollegen geben würde, war kaum zu erwarten. Schließlich kritisiert die Sun seit vielen Jahren die EU und rief nach dem Brexit. Und so hieß es dort am Donnerstag auf schwarz-rot-goldenem Hintergrund, mit einer griesgrämigen Merkel und einem süffisant lächelnden Johnson auf Deutsch: „Wir beneiden Dich nicht“ (gemeint ist wohl eher: „Wir beneiden euch nicht“).
Autor Colin Robertson schreibt: „Die allermeisten von uns kennen eigentlich nur ein einziges deutsches Wort. Ja, richtig: Schadenfreude.“
Und die kostet Robertson zunächst genüsslich aus: „Wir freuen uns auf einen Sommer voll ungezügelter sozialer Kontakte, in dem wir alte Kneipen wieder entdecken, um unser Lieblingsgetränk zu trinken (ein Beck’s für die Herren, ein Glas Black Tower für die Damen). Warme Monate mit Fußballspielen, Popkonzerten (ooh, Kraftwerk kommen im Juli an diese Gestade) und frivolen Ausflügen in die Geschäfte.“
Nach dem obligatorischen Erinnern an den „fröhlichen Sommer von 1966“ wird es dann auch politisch in einer Polemik, die deutsche Zeitungsleser kaum mehr gewöhnt sind: „Immerhin mussten wir endlose Prügel von eurer großen Anführerin Angela Merkel und ihren beigeordneten EU-Fanatikern – unseren zwielichtigen Freunden – einstecken, weil wir in der Silvesternacht ‚Auf Wiedersehen, Pet‘ gesagt haben.“
Er spielt damit auf eine beliebte britische Fernsehserie an, in der britische Bauarbeiter in Düsseldorf arbeiten, und lästert weiter:
„Wie können wir es wagen, ihr geliebtes Kartell zu verlassen? Wie können wir es wagen, dafür zu stimmen, 47 Jahre verwirrende Bürokratie und erbärmlich angetriebene Staubsauger zu beenden? Wir würden ruiniert sein, wenn sie unseren hellen Stern aus der EU-Flagge Hebeln.
Aber wir sind doch nicht ruiniert, oder?
Losgelöst von den Fesseln des bürokratischen Klumpens bewegten wir uns schnell, warfen UNSERE Handtücher zuerst auf die Sonnenliegen von AstraZeneca, Pfizer und Moderna.“
Und Robertson dreht weiter auf: „Die kollektiven Genies hinter diesem Unterfangen könnten nicht einmal ein Oktoberfest (auch dieses Wort ist natürlich jedem Briten bekannt) in einer Brauerei organisieren.“ Man impfe die Deutschen „unter den Tisch“.
Aber, so dann die etwas versöhnliche Wendung: „Wir haben keine Freude an eurem Unglück. Ihr werdet feststellen, dass es in der englischen Sprache kein Wort für Schadenfreude gibt.“
Stattdessen der Rat des Briten an die Deutschen, es dem Königreich gleich zu tun – in Großbuchstaben: „ES GIBT EINEN AUSWEG.“
Die „größte Wirtschaft Europas – die viertgrößte der Welt“ sei Deutschland und stelle nicht nur von Briten geliebte Autos und Küchengeräte her, sondern habe eine „Position von echter Macht auf diesem Planeten“: „Warum also fesselt ihr euch weiterhin an ein scheiterndes europäisches Projekt, das nur durch seine Sucht nach Bürokratie eure Freiheit stark einschränkt?“
Und schließlich erinnert Robertson die Deutschen an ein weiteres Wort, das es in den englischen Wortschatz geschafft hat, nämlich Realpolitik. „It’s time your politik got real“, empfiehlt Robertson und wiederholt: „There is a way out.“