Tichys Einblick
Maßnahmen zur Sicherung der Außengrenzen

Nehammer verteidigt Gipfel mit Orbán und Vučić

In Wien traf sich der österreichische Kanzler Nehammer zum dritten Mal mit seinen Kollegen aus Ungarn und Serbien. Ziel des Treffens: die Intensivierung des Kampfes gegen Schlepperkriminalität auf der Balkanroute. Die Wiener Grünen hatten etwas dagegen.

IMAGO / photonews.at

Während Europa über die Folgen der jahrzehntelangen Zuwanderung diskutiert, setzt sich das Phänomen in Echtzeit fort. Im letzten Jahr wurden in der EU insgesamt 50 Prozent mehr Asylanträge gestellt. Die Steigerung betraf auch die deutschen Asylanträge, die auf über 217.000 in einem Jahr anstiegen. In der ersten Jahreshälfte schreibt sich dieser Aufwärtstrend bruchlos fort, ja, er verschärft sich: Die Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge wuchs im ersten Halbjahr um 77 Prozent auf über 150.000 Erstanträge. Nicht in einem Jahr, sondern in sechs Monaten.

Alle Reserven aufgebraucht
Upahl: Sondergesetz von 2015 soll Containerdorf ermöglichen
Das bedeutet jeden Monat 25.000 neue Asylbewerber, die – ob annehmbar oder nicht – auf deutsche Kommunen zu verteilen sind. Das Dörfchen Upahl in Mecklenburg musste gerade wieder die Folgen erleben: Dort soll ein Zwangsbeschluss des Landkreises ergehen, wonach das 500-Seelen-Dorf 250 Asylbewerber aufnehmen muss. Doch Upahl ist nicht allein. Vielen Orten geht es genauso.

Insofern müsste jede Initiative, die diese Zahlen herabdrückt, willkommen sein, zumal es ja nicht nur um Kosten geht, sondern auch um eine reale Verschlechterung des Lebens in Deutschland und Europa. Man kann es also nur kurios finden, wenn der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer sich für ein Treffen verteidigen muss, das er mit seinem Amtskollegen aus Budapest, Viktor Orbán, und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić abhielt. Es war schon der dritte Migrationsgipfel dieser Art, was die Kritik an der Sache im Grunde nur noch verwunderlicher macht.

Skandalon: Spielt nicht mit den Schmuddelkindern

Den drei Staats- und Regierungschefs, von denen einer ein Land außerhalb der EU vertritt, geht es seit ihrem ersten Gipfeltreffen darum, die illegale Migration über die Balkanroute zu verringern.
Im Vorfeld des Gipfels, so hieß es in der österreichischen Tageszeitung Die Presse, musste Nehammer das Treffen gegen Kritik, die auch von seinem grünen Koalitionspartner (daneben von SPÖ, Neos und einer NGO) kam, verteidigen: „Wer seine Grenzen schützt, muss unterstützt werden. Solange die EU hier nicht ausreichend eingreift, müssen wir uns selbst helfen.“ In seinem Newsletter forderte Nehammer außerdem „europaweite Maßnahmen zur Sicherung der EU-Außengrenzen“.

Bisher haben die drei Balkanrouten-Staaten die polizeiliche Zusammenarbeit ausgebaut, natürlich mit Blick auf die „grenzüberschreitende Kriminalität“. Nun soll eine konkrete Einigung zur Eindämmung von Schlepperkriminalität dazukommen. Dazu müsse man „auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten, so der Kanzler am Freitag in Wien. Nehammer spricht von einer „Schleppermafia“.

Einschleusungen live
Videos zeigen Schlepperrouten nach Österreich und Italien: Nehammer, Orbán und Vučić für verstärkten Grenzschutz
Doch das Skandalon ist nicht so sehr die unbürokratische Zusammenarbeit über EU-Grenzen hinweg – die betreiben auch andere anderswo –, sondern die Kooperation ausgerechnet mit diesen Staaten, die vom grün-linken EU-Konsens wie Aussätzige angesehen werden. Orbán wird dabei von vielen in der EU geschätzt, weil sie ein ähnliches Konzept zur Migration haben. Vučić ist daneben wegen seiner Nähe zu Moskau in Verruf geraten. Gemeinsam ist allen dreien die Überzeugung, dass Grenzen geschützt werden müssen. Man könnte den Dreierbund die Anti-Balkanrouten-Allianz nennen, auch wenn an dieser Stelle noch viel zu tun bleibt.

Dass Serbien zeitweise Visa-Erleichterungen für gewisse Staaten in Asien und Nordafrika (darunter Indien und Tunesien) verschenkte, ist ein Fleck auf dieser Bilanz, der im Gespräch mit Nehammer eingedämmt werden konnte. In der Folge gingen die Asylanträge in Österreich, bei denen 2022 im buchstäblichen Sinn Rekorde gebrochen wurden, zurück. Mehr als 108.000 Asylanträge gab es in Österreich im letzten Jahr. Das Land war damit gleich hinter Zypern das am stärksten belastete durch die Asylmigration. Selbst 2015 waren es „nur“ 88.000 Asylanträge gewesen.

Orbán: Wir sind der einzige migrantenfreie Ort in Europa

Bis zum Mai 2023 kamen nun knapp 17.000 Asylanträge in Österreich hinzu, das ergäbe aufs Jahr gerechnet etwas über 40.000. Viele werden sagen, auch das sei noch zu viel, weil es ja zu den Schon-Angekommenen der vergangenen Jahre dazukommt. In Frankreich spricht man landläufig von der Summe aller Asylbewerber, so dass nun von einer gefallenen Halb-Millionen-Grenze die Rede war. Gemeint ist der Gesamtbestand. In diesem Jahr gab es in Frankreich bisher „nur“ 56.000 Anträge, was auch den Franzosen angesichts der Schon-da-Seienden (inklusive der unbekannten Zahl der illegalen Sans-Papiers) mehr als genug sein dürfte.

Es spricht also alles für einen solchen Wiener Gipfel unter Einbeziehung Ungarns und Serbiens. Und nichts für eine Kritik daran. Angeblich hat man im Zuge der bisher getroffenen gemeinsamen Maßnahmen schon hunderte Schlepper festnehmen können.

Orbán sagte in Wien: „Wir sind der einzige migrantenfreie Ort in Europa.“ Dafür seien die rechtlichen und physischen Hürden für die illegale Migration verantwortlich, die Ungarn installiert habe. Migranten ist es nur nach einem positiven Asylbescheid erlaubt, das Land zu betreten. Und natürlich gebe es Zäune an den Grenzen. Dadurch werde auch der größte Teil der Migranten daran gehindert, über Ungarn nach Westeuropa, also zuerst nach Österreich zu reisen. Hier wandte Nehammer kritisch ein, dass 80 Prozent der österreichischen Asylbewerber über Ungarn nach Österreich einreisten.

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