Das erste Mal bin ich Viktor Orbán am 16. Juni 1989 begegnet. An diesem Tag wurden die von den Kommunisten Ermordeten der Revolution von 1956 neu beerdigt. Imre Nagy, den hingerichteten 56-er Ministerpräsidenten, und andere Revolutionäre hatte Parteichef János Kádár nach der Niederschlagung des Aufstandes durch russische Truppen in anonymen Massengräbern verscharren lassen. Schon in der Früh dieses leuchtenden Sommertages begannen sich die Massen auf dem Budapester Heldenplatz zu versammeln, wo die Gedenkveranstaltung stattfinden sollte. Kádárs Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (USAP) konnte ihre Alleinherrschaft zu dieser Zeit nicht mehr behaupten. Der schwer kranke Kádár war schon ein Jahr vorher, im Mai 1988, entmachtet worden, Parteivorsitzender war im Juni 1989 der farblose Apparatchik Károly Grósz. Das Tabu, über 1956 öffentlich auch nur zu reden, war gefallen. Auf Druck des „Oppositionellen Runden Tisches“ und etlicher Reformkommunisten innerhalb der Partei wurde eine öffentliche Veranstaltung genehmigt, das Staatsfernsehen berichtete den ganzen Tag live über die Geschehnisse auf dem Heldenplatz. Bis zum Beginn der Veranstaltung hatten sich etwa 250.000 Menschen dort versammelt.
Es waren mehrere Redner aus den Reihen der früheren Kämpfer, der Reformkommunisten und der Opposition vorgesehen, darunter auch ein Vertreter des Führungsgremiums des Verbandes der Jungen Demokraten, Fidesz: Viktor Orbán. Orbán war damals 26 Jahre alt und wenn überhaupt, nur den politisch Interessierten bekannt. Ein Jahr vorher hatten einige Jurastudenten und Juristen, die sich vom gemeinsamen Studium und der Teilnahme an einem Kolleg kannten, den Verband gegründet, der sich zu den Prinzipien des klassischen, aber auch des modernen Liberalismus bekannte.
Schon der erste Satz von Orbáns Rede schlug ein wie eine Bombe. Man muss bedenken, dass dies eine Zeit war, in der man nie so genau wusste, was zu sagen erlaubt war und was nicht, und welche Folgen der falsche Sprachgebrauch immer noch haben konnte. Der Wunsch nach Versöhnung dominierte die Stimmung, man suchte allzu schroffe Aussagen zu vermeiden. Nicht so Orbán, der sich weder mit dem Kommunismus noch mit den Kommunisten versöhnen wollte. Er sprach in diesem ersten Satz von den vierzig Jahren der „russischen Besatzung und der kommunistischen Diktatur“. Das waren bis dahin unerhörte Formulierungen, insbesondere die Benutzung des Wortes „russisch“, statt sowjetisch.
In den darauffolgenden Jahren, genau genommen bis 2015, stand ich Orbán und der Fidesz-Partei feindselig gegenüber. Ich komme aus der linksliberalen Budapester Szene, dazu gehörten bis 2015 – bis sie jeden Kontakt zu mir abbrachen – die Freunde aus meiner Studienzeit, allesamt Kinder kommunistischer Kader, die bald nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu Unterstützern und einige sogar zu Führungskräften der zu Sozialisten mutierten Kommunisten wurden. Ich hatte gute Beziehungen zu der Demokratischen Opposition und zu der Partei, die später daraus entstanden war, zum linksliberalen Verband der Freien Demokraten, SZDSZ. Ich las die entsprechenden Bücher und Magazine und bezog meine Informationen so gut wie ausschließlich aus diesem intellektuellen Milieu, dessen Teil ich selbst mal war. Ich glaubte zu wissen und vertrat dies in vielen Artikeln, dass Orbán und Fidesz die Totengräber der ungarischen Demokratie und viele in der Partei und unter ihren Anhängern Rassisten und Antisemiten seien, die nur auf die Chance warteten, Ungarn erneut in eine totalitäre Diktatur zu verwandeln, um das Land zu beherrschen und sich maßlos zu bereichern.
Orbán gehörte nicht zu meinem Milieu, seine Welt war mir damals so fern wie ein fremder Planet. Er wurde in der alten historischen Stadt Székesfehérvár in einer kalvinistischen Familie geboren. Seine Kindheit verbrachte er auf dem Lande, in Alcsutdoboz, wo sein Vater technischer Betriebsleiter einer LPG war. Vom Lande zu kommen, also nicht Budapester zu sein, kann sich in Ungarn sehr bestimmend auf Leben und Einstellungen auswirken. Budapest war immer schon liberaler, weltmännischer, reicher und intellektueller als das Land – nicht immer in positivem Sinne. Legendär ist die historische Spaltung während des ganzen zwanzigsten Jahrhunderts von Kultur, Politik und Intelligenzia in zwei einander beharkende Lager, in Urbane und Volkstümliche. Die hauptstädtischen intellektuellen und künstlerischen Eliten neigten eher zum Modernismus, zum Fortschrittsglauben, waren meist liberal und noch häufiger links, und verachteten mal offen, mal weniger offen das tumbe Landvolk, dessen Lebensweise es zu überwinden galt. Die Volkstümlichen wiederum wollten diesem – von ihnen idealisierten – Landvolk zum Aufstieg verhelfen, die alte nationale Kultur vor dem Auslöschen durch die Moderne bewahren und hielten vieles, was in Budapest gedacht und getan wurde, für sündig und dekadent. Der Widerspruch zwischen den beiden Lagern war freilich nicht so schematisch und antagonistisch, er hatte viele Verästelungen und Schattierungen, aber er begleitet die ungarische Geschichte bis zum heutigen Tag. Budapest und das Land, das sind zwei Welten, die heute noch oft neben und gegen einander existieren.
Zunächst zog ihn der Liberalismus an, heute würde man ihn libertär nennen. Das war damals rebellisch und hatte mit seinen zunächst engen Beziehungen zur Demokratischen Opposition und später zum SZDSZ zu tun. Dessen Führer missverstanden diese Beziehung als Unterordnung, viele betrachteten Fidesz als die Jugendorganisation des SZDSZ. Doch nichts stand Orbán ferner als das. 1988 lernte er den Westen kennen. Mit einem Soros-Stipendium studierte er einige Zeit in Oxford. Dann bereiste er als Stipendiat des German Marshall Fund die Vereinigten Staaten. Seit dieser Zeit spricht und liest er Englisch und weiß, dass Ungarn zu klein ist, um die großen Mächte wirklich zu interessieren. Ob es Ungarn gibt oder nicht, sagte er in einer seiner Reden, sei niemandem in der Welt wichtig, außer uns selbst.
1988 ist das Gründungsjahr von Fidesz. Die Partei, deren Gründungsmitglieder fast ausnahmslos vom Lande stammende Studienkollegen Orbáns waren, definierte sich als „liberal, radikal, alternativ“. Der Verband, der zu der Zeit noch keine Partei sein wollte, nahm an den Verhandlungen des „Runden Tisches“ teil, und bei den ersten freien Wahlen 1990 hat Fidesz den Sprung ins Parlament geschafft.
Etwa 1992 vollzog die Partei die Wende vom radikalen Liberalismus hin zum Konservativismus. Zu dieser Zeit war das schon wieder rebellisch – es gehörte Mut dazu, im ausgebrochenen Fortschrittstaumel konservativ zu sein. Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass das Demokratische Forum, bis dahin die einzige ernstzunehmende konservative Kraft, zerfallen würde, erkannte Orbán die Lücke, die sich im Parteienspektrum auftat. Es gab keine Partei, die der Bevölkerung auf dem Lande, den Einwohnern der kleinen und mittleren Städte eine Stimme verliehen hätte. Er erkannte, dass er das flache Land in den Kampf um die Macht führen musste, wenn er am Ende Budapest erobern wollte.
Auch entsprach die konservative Einstellung viel mehr dem Orbánschen Naturell als der radikale Liberalismus. Orbán war weder ein Anhänger des Globalismus noch des internationalen Humanitarismus. Er war und ist ein Familienmensch, sein Patriotismus und seine Zuneigung zu einfachen Leuten ist echt. Der entscheidende Anstoß zur Abkehr von den linksliberalen Ideen der Demokratischen Opposition war das 1994 zustande gekommene Regierungsbündnis zwischen den exkommunistischen Sozialisten unter Gyula Horn und den einstigen Hauptfeinden der USAP, dem SZDSZ. Damit war für Orbán erwiesen, dass der linke Liberalismus nichts weiter als eine weitere Spielart des Sozialismus war.
„Hätten die Herrschaften geruht, eine Revolution zu machen“
1990 bis 1994 war eine chaotische Zeit. Die erste frei gewählte – konservative – Regierung unter Ministerpräsident József Antall (er war Bibliothekar und Museologe) bestand aus dilettantischen Akademikern, wilden Karrieristen, Abenteurern und aus der Zeit gefallenen Vorkriegskonservativen. Der Staatsapparat, die wirtschaftlichen und kulturellen Eliten jedoch blieben die alten: erfahrene Sozialisten, Kommunisten, bestenfalls Reformkommunisten. Sie taten alles, um der ohnehin überforderten Regierung so gut wie jede Handlung unmöglich zu machen.
Orbán lernte während dieser zwei Legislaturperioden etwas ganz entscheidendes: Eine konservative, bürgerliche Regierung hatte keine Chance, wenn sie nach ihrer Machtergreifung nicht sofort daran ging, die Eliten der kommunistischen Zeit in der Verwaltung, der Wirtschaft, an den Gerichten, in der Kultur und in den Medien abzulösen und durch die eigenen zu ersetzen. „Hätten die Herrschaften geruht, eine Revolution zu machen“, hieß der legendär gewordene Spruch von József Antall, als er auf das Fortbestehen der kommunistischen Seilschaften hingewiesen wurde. Orbán hatte sich den Satz gemerkt.
Der EU-Beitritt: ein sozialistisches Projekt
Eben diese Revolution trachtete er nachzuholen, als er 1998 mit 35 Jahren zum ersten Mal Ministerpräsident Ungarns wurde. Richter, Staatsanwälte, die Verwaltungen aller Ministerien, die Stars von Rundfunk und Fernsehen, sehr viele unter ihnen mussten gehen und wurden durch Fidesz-Getreue ersetzt. Das gleiche geschah auf den Führungsebenen der Wirtschaft. Das war kein Vorgang für politische Feinschmecker und demokratische Puristen. Ich war damals entsetzt und sah in diesem Vorgang nur das schonungslose Machtstreben. Was es freilich auch war – aber nicht nur. Es war eine Notwendigkeit, um die Handlungsfähigkeit der konservativen Regierung zu sichern.
Nach 2002 folgten noch einmal zwei Legislaturperioden der Sozialisten mit einem erneuten Elitetausch, den aber weder die westlichen Medien, noch die EU-Führung zu kritisieren für nötig hielten. Ich auch nicht. 2004 war das Land der EU beigetreten, mit mäßiger Unterstützung der Bevölkerung. Gerade mal 45% gingen zur Wahl, immerhin stimmten davon 80% dem Beitritt zu. Der EU-Beitritt war von Anfang an ein Projekt der sozialistischen und linksliberalen Eliten. Schon die Kommunisten der späten Kádár-Ära kamen bestens mit den EG-Bürokraten aus und ließen sich von denen als gute fortschrittliche Staatsmänner feiern. Der von der EG/EU propagierte Globalismus und Humanitarismus war schließlich nichts anderes als die Fortführung der „internationalen Solidarität“, die die Kader mit der sowjetischen Muttermilch aufgesogen hatten.
Je stärker die EG- und später die EU-Führung die Ideen des Ökologismus, der Kollektivrechte, und der Abschaffung der Nationalstaaten zu verfolgen begann, umso enger wurden ihre Beziehungen zu den ungarischen Sozialisten und Linksliberalen. Diese gingen bei den EU-Führern ein und aus, und klagten ihr Leid mit Antall und später mit Orbán und bettelten um Einmischung. Schritt für Schritt wurde die EU (neben den Soros-NGOs) zu einer innenpolitischen Partei, zur wichtigsten Stütze des linken, Fidesz- und Orbán-feindlichen Lagers in Ungarn. Es ist wichtig, dieses Zusammenspiel zwischen EU und den Linksliberalen in Ungarn zu verstehen, wenn man Orbáns Haltung (und Kampf) gegen die EU-Führung verstehen will.
Die wiederum ließ von Anfang an erkennen, dass sie in Orbán eher einen Feind als einen Partner sieht. Die zweite Orbán-Regierung kam 2010 unter katastrophalen Bedingungen an die Macht – diesmal mit einer Zweidrittelmehrheit. Der Blair-Adept Ferenc Gyurcsány, sozialistischer Parteivorsitzender und Ministerpräsident, hatte in einer internen Sitzung zugegeben, dass seine sozialistische Partei gelogen und unerfüllbare Versprechen gemacht hatte, um die Wahlen zu gewinnen. Infolge des darauffolgenden Skandals verfiel die sozialistische Partei wie im Zeitraffer, während das Land dem Staatsbankrott entgegenglitt, und die ungarischen Staatsanleihen gerade mal eine Stufe über dem Junkbond-Status gehandelt wurden.
Die „arbeitsbasierte Gesellschaft“
Orbán wandte sich in dieser Lage an die EU, um Erleichterungen für Ungarn zu erreichen, unter anderem was die dreiprozentige Verschuldungsgrenze betraf. Es wird kolportiert, dass genau jene Bürokraten, die der sozialistischen Regierung, dem Verursacher der Verschuldungskrise, uneingeschränkt bereit waren, Kredite zur Verfügung zu stellen, die Griechenland Milliarden geschenkt hatten, Orbán schroff abgewiesen hatten. Die Verschuldungskrise drohte die Regierung zu vernichten, noch bevor sie überhaupt angefangen hätte zu arbeiten.
Er vollzog eine wirtschaftspolitische Wende und deklarierte als Ziel die „arbeitsbasierte“ Gesellschaft. Orbán mochte die Finanzwirtschaft noch nie. Vielleicht drückte sich darin die Vorsicht der Landbewohner gegen alles, was sie nicht verstanden hatten, aus. Er wollte die Industrieproduktion stärken, nicht die Finanzdienstleister, die er allesamt für Spekulanten hielt. Heute ist die Reindustrialisierung auch im Westen die allgemein befolgte Politik. Orbán hatte die Wichtigkeit der einheimischen Industrie schon 2010 verstanden. Die Einkommensteuer wurde auf einheitliche 15 % gesenkt, um die Schwarzarbeit einzudämmen und Anreize für das Arbeiten zu schaffen. Gleichzeitig wurden die Bedingungen für Arbeitslosen- und Sozialhilfe verschärft, um der abhängigen Lebensweise den Boden zu entziehen.
Orbán wollte einen neuen ungarischen Mittelstand entstehen lassen, Unternehmen, die statt zum Einflussbereich der Sozialisten zu gehören, Fidesz treu sein sollten. Das positive Ergebnis der Maßnahmen ist heute durchaus sichtbar: 2019 war mit fünf Prozent Wachstum und unter drei Prozent Neuverschuldung das wahrscheinlich beste Wirtschaftsjahr der ungarischen Geschichte überhaupt. Aber auch die negativen Folgen sind da: Die Klientelwirtschaft ist weit verbreitet und die große Abhängigkeit vieler Unternehmen vom Staat ist ungesund. Ist Orbán selber korrupt? Wahrscheinlich nicht, aber er ließ Korruption in seiner Umgebung zu, und der sprunghaft angestiegene Wohlstand seiner engen Familienmitglieder wirft Fragen auf. Eine Antwort darauf traue ich mir nicht zu.
Migration: Die größte Bedrohung Europas seit Nationalsozialismus und Kommunismus
Je mehr die EU zum Machtinstrument der globalistischen Elite geworden war, umso mehr füllte sich der zunächst eher abstrakte Konservativismus und Patriotismus Orbáns mit Inhalt, und umso mehr wuchs auch mein Verständnis für seine Politik. Schließlich 2015, als eine halbe Million Migranten wie ein fremdes Heer durch Ungarn gezogen waren, gab ich ihm bedingungslos Recht. Die Migration abzulehnen und an der Souveränität des Nationalstaates trotz ungeheuerlicher Beschuldigungen und schärfster Angriffe festzuhalten, war ein großer Verdienst an Europa, und ließ für mich problematische Entscheidungen Orbáns an Bedeutung verlieren. Die Migration ist die größte Bedrohung Europas seit Nationalsozialismus und Kommunismus, und das hat Orbán besser und früher verstanden als irgendein anderer europäischer Politiker. Sehr hoch rechne ich ihm an, dass er nicht nur in Ungarn bewusst gemacht hat, dass die Erhaltung einer so kleinen, eigenartigen, alleinstehenden und deshalb immer vom Verschwinden bedrohten Nation wie der ungarischen ein Wert für sich ist.
Wer auch nur fünf Sätze ungarisch lesen kann, wird wissen, dass es dort eine lebendige Medienlandschaft in allen Schattierungen von linksextrem bis rechtsextrem gibt. Die Meinungsfreiheit, die in Ungarn herrscht, würde ich mir in Deutschland wünschen. Die neue, viel kritisierte Corona-bedingte Medienverordnung bezieht sich ausschließlich auf die Berichterstattung über die Seuche, und ist nicht einmal mit der umfassenden Zensur durch Facebook und Google sowie Correctiv vergleichbar. Den Corona-Notstand nicht an eine Frist zu binden, war ein Fehler, der unnötig war und korrigiert werden sollte.
Orbán ist kein Diktator, Ungarn keine Diktatur
Auch wenn er gerne schnell und im Alleingang entscheidet, ist Orbán kein Diktator und kein Autokrat. Er ist wie jeder Mensch nicht perfekt. Er ist weder ein Erlöser noch ein Bösewicht. Er ist eine Kämpfernatur, der die Auseinandersetzung liebt und in ihr zur Hochform aufläuft. Er verachtet die westlichen „verweichlichten“ globalistischen Eliten und hat echte Sympathien für die einfachen Menschen. Wahrscheinlich ist das der wichtigste Grund für seine Wahlsiege, viel wichtiger als sein Programm. Er ist ein großartiger Redner, seine fesselnden Ansprachen haben immer eine klare, meist intellektuell untermauerte Aussage, die er gerne in scharfe Formulierungen fasst, und damit manchmal über das Ziel hinausschießt. Mit der äußerst unglücklichen Formulierung über die „illiberale Demokratie“ hat Orbán allerdings selbst das Tor für Beschuldigungen geöffnet, er rede der Diktatur das Wort. Gemeint war eine Demokratie ohne kollektivistische Rechte, ohne Gender- und Klimarettungspolitik, und das Festhalten an Familie und Nationalstaat.
Ungarn ist keine Diktatur und es droht auch nicht die Auferstehung des Nationalsozialismus. Ja, es gibt Antisemitismus, wie es ihn überall in der Welt gibt. Er gehört jedoch nicht zur Regierungspolitik wie in Deutschland. Orbán sieht in Netanjahu und Israel Partner, mit denen ihn viele Auffassungen verbinden. Gegen Soros vorzugehen, hat mit Antisemitismus nichts, mit dessen Absicht, Ungarn zu destabilisieren, umso mehr zu tun. In Ungarn gibt es ein blühendes jüdisches Leben wie seit den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht mehr. Es gibt aber auch einen auflebenden Kult der Horthy-Ära, dem Orbán nicht entgegentritt – um dessen Vertreter und Anhänger als Wähler nicht zu verlieren. Das ist ein Fehler, aber auch diese Gefahr wird in der westlichen Berichterstattung (meistens unter Mithilfe von Mitgliedern der Soros-Blase und der globalistischen Budapester Elite) maßlos übertrieben.
Statt den vielen Beschuldigungen gebetsmühlenartig und ermüdend weiter zu widersprechen, möchte ich mit den Worten des Literaturnobelpreisträgers Imre Kertész schließen. Von einem Reporter der New York Times bedrängt, er möge Ungarn als Diktatur bezeichnen, sagte Kertész: „Er (der Reporter) kam zu mir mit der Absicht, dass ich erkläre, Ungarn sei heute eine Diktatur, was nicht stimmt. Das zeigt nur, dass er keine Ahnung hat, was eine Diktatur ist. Wenn man offen schreiben, reden und offen widersprechen und auch das Land verlassen kann, ist es absurd, von einer Diktatur zu sprechen.“ Die New York Times hat das Interview nie veröffentlicht.