Tichys Einblick
Schwachstellen des Impfzertifikats

Wie sicher ist Italiens „Super Green Pass“?

Mindestens 100.000 Italiener sind mit Corona infiziert – und haben trotzdem einen „Green Pass“, der sie am öffentlichen Leben teilnehmen lässt weil geimpft. Das italienische Gesundheitsministerium alarmiert andere europäische Länder, dass es keine automatische Funktion gibt, die ein Impfzertifikat verfallen lässt.

IMAGO / ZUMA Press

Letzte Woche hatte die Regierung von Mario Draghi die Corona-Maßnahmen verschärft, indem vielerorts der „Green Pass“ zum „Super Green Pass“ aufgewertet wurde. Die Änderung ähnelt dem deutschen Lockdown für Ungeimpfte. Vorher reichte es aus, als getestet, geimpft oder genesen zu gelten, um weiterhin Zutritt zum öffentlichen Leben zu erhalten. Mit der Aufwertung des Green Pass stehen diese Angebote nur noch Geimpften und Genesenen offen: aus 3G wurde auch in Italien 2G. Im Belpaese mit seiner deutlich ausgeprägteren Bar- und Restaurantkultur bedeutete das einen deutlichen Einschnitt. Draghi hatte das Vorgehen damit begründet, dass man Lockdowns verhindern und „Freiheiten bewahren“ wolle. Der reguläre Green Pass, welcher der 3G-Regel entspricht, wurde auf weitere Lebensbereiche – etwa en öffentlichen Nahverkehr – ausgeweitet.

Kraftvoll vom ersten Augenblick an
Auch in Italien formiert sich der Widerstand gegen den »Green Pass«
Doch gleichzeitig treten immer mehr Fälle auf, die Zweifel bei der Begründung des Super Green Pass aufwerfen. Da gibt es etwa die Geschichte des römischen Gastronomen Valerio Capriotti. Capriotti hatte sich mit Corona infiziert, doch weil er geimpft war, hatte er de facto die Möglichkeit, dennoch ins Restaurant zu gehen. „Das bedeutet, dass jeder, auch wenn er infiziert war, zumindest bis jetzt, an einem Tisch sitzen konnte“, erklärt Capriotti gegenüber der Tageszeitung Repubblica. „Wir verlassen uns also auf die bürgerliche Verantwortung eines jeden von uns. Meiner Meinung nach sollte die Region Latium hier in Rom alarmiert werden: Wenn Sie Ihren Arzt benachrichtigen, sollte der Grüne Pass eingefroren werden, bis er aufgrund von Negativität wieder aktiviert wird.“

Für Aufmerksamkeit sorgte auch eine andere Geschichte, dieses Mal aus Norditalien. Ein junger Mailänder, der den milden Verlauf einer Corona-Erkrankung durchlebte, hielt sich nicht an die Quarantäneverordnung, sondern besuchte stattdessen seine Freundin in Turin. Der Green Pass ermöglichte ihm in dieser Zeit den Zugang zu Verkehrsmitteln und Übernachtungsmöglichkeiten. Dass die Polizei ihn in einem Turiner Hotel aufgreifen konnte, hing nicht mit den Sicherheitsvorkehrungen des Green Pass, sondern den Nachverfolgungsregeln zusammen, die für Hotels gelten.

Nicht einmal Zertifikate sind sicher
Der Grüne Pass für geimpfte Diktatoren und Zeichentrickfiguren
Mittlerweile geht das Gesundheitsministerium von mindestens 100.000 Infizierten aus, die wegen ihres Super Green Pass alle Freiheiten genießen; sie können weiterhin ins Restaurant, ins Kino oder Theater gehen. Die COVID-Impfung verleiht ihnen grünes Licht. Ein automatischer Mechanismus, der bei einem positiven Test den Green Pass aberkennt, existiert de facto nicht. Das Gesundheitsministerium arbeite „fieberhaft“ daran, einen solchen zu entwickeln, ein neues Dekret soll dem Missbrauch Einhalt gebieten – das die Privatsphäre weiter beschränkt.

Dabei stellt die Repubblica fest: Kein europäisches Land, in dem der Green Pass gültig ist, verfügt über einen Widerrufsmechanismus. Italien geht bei der Forderung voran, dass ihn alle annehmen. Dass der Fall tiefergehende Probleme und Widersprüche aufdeckt, spielt dabei offenbar keine Rolle.

Anzeige
Die mobile Version verlassen