Tichys Einblick
Viel Unwissen

Wie sicher ist die US-Wahl?

Es gibt vielerlei berechtigte und unberechtigte Kritik an den Wahlen in den USA - von beiden Seiten. Der Glaube mancher Journalisten, dass Trump einfach die Verfassung brechen und putschen könnte (oder wollte), zeigt aber eher, dass die entsprechenden “Experten” keine sind.

In den letzten Wochen gab es im Vorfeld zur bald stattfindenden US-Präsidentschaftswahl am 3. November immer wieder Schlagzeilen, in denen es heißt, Präsident Trump “schürt Angst vor Briefwahl” oder werde eine mögliche Wahl-Niederlage nicht akzeptieren. Dabei wird mal wieder mit allerhand undifferenzierten Begriffen um sich geworfen. Zeit also für eine nüchterne Betrachtung der Wahlsicherheit in den USA.

Mit der Wahl-Sicherheit in den USA ist es sowieso so eine Sache, ein Beispiel: In vielen Bundesstaaten, darunter Kalifornien und New York, ist es überhaupt nicht notwendig, einen Ausweis vorzuzeigen, um seine Stimme im Wahllokal abzugeben. Solange man eine Unterschrift entsprechend der im öffentlich einsehbaren Wahlregister angeben kann, kann man problemlos die Stimme abgeben. Grundsätzlich ist die Wahlsicherheit also noch niedriger als etwa in Deutschland.

Aber zur Briefwahl: Mit Briefwahlen in den USA gibt es immer wieder Probleme: zwischen 2012-2018 sind bspw. mehr als 28 Millionen Briefwahl-Stimmzettel verloren gegangen. Eine überparteiliche Kommission unter Leitung des ehemaligen demokratischen Präsidenten Jimmy Carter befand 2005, dass die Briefwahl sehr anfällig für Wahlfälschungen sei. Erst 2018 wurde die Wahl eines US-Kongressabgeordneten in North Carolina wegen Wahlmanipulation bei Briefwahl-Stimmzetteln annulliert und wiederholt.

Absentee Ballots und Universal Mail-In Voting

Man muss dabei verschiedene Arten der Briefwahl unterscheiden, die klassischen Absentee Ballots einerseits und Universal Mail-in Voting andererseits. Nur letztere lehnen Trump und viele Republikaner ab. Der Unterschied der beiden Systeme besteht vor allem darin, wer einen Stimmzettel bekommt. Bei Absentee Ballots muss man seine Briefwahl beantragen, in einigen Staaten auch begründen, bei Universal Mail-In Voting bekommt einfach jeder, der im Wahlregister steht, die Unterlagen automatisch zugesendet.

Wo wir bereits bei einem weiteren Problem wären: Den amerikanischen Wahlregistern. Diese werden lokal organisiert und sind sehr oft fehlerhaft und enthalten viele umgezogene oder sogar verstorbene Wähler. Gut möglich, dass also bei Universal Mail-In Voting unzählige Briefwahl-Stimmzettel in die falschen Hände geraten – etwa in die der neuen Bewohner unter der Adresse des Verstorbenen oder hinterbliebener Familienmitglieder.

Eine weitere ebenfalls vielkritisierte Praxis ist das sogenannte Vote Harvesting, legal in vielen Bundesstaaten. Dabei kann jeder – also auch Wahlkampagnenmitarbeiter und Aktivisten – massenweise Briefwahl-Stimmzettel von Wählern einsammeln und an ihrer Stelle beim Wahllokal abliefern.

Oder eben nicht, so zumindest beschrieben von einem Whistleblower, der sich jüngst in der New York Post äußerte. Nach seinen Angaben hat er bereits mehrfach Wahlfälschungen in New Jersey, New York und Pennsylvania organisiert. Und er berichtet genau, wie dabei die bereits genannten Schwachstellen ausgenutzt wurden: Die Stimmzettel seien einfach zu fälschen, die Umschläge hingegen nicht, daher sammelten er und sein Team, mittels Vote Harvesting Briefwahlunterlagen ein, öffneten sie mit Wasserdampf und tauschten die Stimmzettel aus.

Eine andere Praxis sei das Verschwindenlassen von Wahlunterlagen durch einzelne Postbeamte, die etwa Stimmzettel aus bestimmten Hochburgen eines Kandidaten nicht ablieferten. Ob man dem Bericht Glauben schenken mag, sei dahingestellt. Das Vorgehen ist aber anhand der dargelegten Schwachstellen durchaus plausibel.

Bei den Vorwürfen der Wahlfälschung kann man allerdings nicht davon sprechen, dass dies im großen Stil möglich ist, das beschrieb selbst der Whistleblower-Bericht aus der New York Post nicht, vielmehr geht es um ein paar Tausend Stimmen. Gerade in Swing States, wo die Wahl besonders knapp ausfällt, kann allerdings das den Unterschied machen. George W. Bush gewann Florida und damit die Präsidentschaft 2000 mit einen Vorsprung von gerade einmal 537 Stimmen.

Ein Vorgeschmack auf 2020? Die Vorwürfe von 2018

Um ein Verständnis dafür zu bekommen, welche Anschuldigungen und Auseinandersetzungen es nach der diesjährigen Wahl geben kann, braucht man nur auf die Zwischenwahlen 2018 zu schauen. In Florida gab es Vorwürfe von Wahlmanipulation durch Republikaner, in Georgia durch Demokraten – aus jeweils unterschiedlichen Gründen.

In Florida sah es zunächst nach einem klaren Sieg für die republikanischen Kandidaten für den Gouverneur und Senator aus, dann wurden allerdings in einigen demokratischen, bevölkerungsreichen Counties immer mehr Absentee Ballots ausgezählt und der Vorsprung halbierte sich innerhalb weniger Tage. Das Problem dabei: Die lokal gewählte demokratische Wahlleiterin teilte nicht mit – wie es vom Gesetz vorgeschrieben wäre – wie viele Stimmen noch auszuzählen sind, sodass bei Republikanern der Verdacht aufkam, es würden immer mehr demokratischen Stimmen praktisch aus dem Nichts auftauchen.

Als Reaktion auf republikanische Klagen entschied eine Richterin, dass „ein Verstoß gegen die Verfassung von Florida vorliegt“ sowie gegen die Gesetze Floridas. Die Richterin ordnete an, dass den Republikanern „sofortiger Zugang“ zu den Informationen über die Anzahl der Stimmzettel gewährt werden soll. Am Ende gewannen die Republikanischen Kandidaten knapp die Wahl.

In Georgias Wahl zum Gouverneur 2018, ebenfalls einem knappen Rennen, erhob die demokratische Kandidatin den Vorwurf der Voter Suppression, d.h. das Wähler vom wählen abgehalten wurden. Dieser Vorwurf ist nämlich die andere Medaille der Debatte um Wahlmanipulation: Während viele republikanisch regierte Staaten durch Ausweispflicht an den Wahlurnen, einer Entfernung veralteter Einträge in Wählerverzeichnis, Einschränkung und Verbot von Vote Harvesting oben genannten Sorgen zu begegnen versuchen, kommt von der demokratischen Seite der Vorwurf, es gehe den Republikanern eigentlich darum, Minderheiten das Wählen zu erschweren.

Anders als ihre Parteifreunde in Florida erkennt die demokratische Gouverneurskandidatin Stacey Abrams ihre Niederlage nach wie vor nicht an. Und Teile der demokratischen Partei tun bis heute so, als wäre sie die rechtmäßige Gouverneurin von Georgia, obwohl sie mit mehr als 50.000 Stimmen Differenz gegen ihren Kontrahenten verloren hat und obwohl es einen Rekordhoch an Wahlbeteiligung der afroamerikanischen Bevölkerung gab – sogar höher als die der weißen Bevölkerung.

Alles in allem gibt es vielerlei berechtigte und unberechtigte Kritik an den Wahlen in den USA – von beiden Seiten. Es ist aber völlig absurd, wie manch einer das Bild einer Art Trump’schen Militärdiktatur zeichnen will – bloß weil der Präsident zum Teil völlig berechtigte Kritik am Wahlprozess vornimmt. Der Präsident spielt verfassungsrechtlich beim Wahlverfahren ohnehin keine Rolle. Der Glaube mancher Journalisten, dass seine Regierung einfach offen die Verfassung brechen und putschen könnte (oder wollte), ist schlichtweg lächerlich und zeigt eher, dass die entsprechenden “Experten” keine sind.


Sebastian Thormann ist Student in Bayern und Autor bei Apollo News

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